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Türkei plant Libanon-Truppe

Die Türkei ist grundsätzlich bereit, sich an einer internationalen Schutztruppe zur Befriedung des Grenzgebiets zwischen Israel und dem Libanon zu beteiligen.

„Wir werden dies sehr wohlwollend prüfen“, sagte der türkische Außenamtssprecher Namik Tan am Montag. Als einziger moslemischer NATO-Staat und einer der wenigen engen Verbündeten Israels in der islamischen Welt gilt die Türkei als prädestiniert für eine Führungsrolle in der anvisierten Friedenstruppe, die nach Berichten von US-Medien zwischen 10.000 und 20.000 Soldaten stark sein soll. Außenminister Abdullah Gül wird an diesem Mittwoch in Rom mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice sowie Vertretern verschiedener Nahost-Staaten über das Thema sprechen. Als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches, das lange Zeit den Nahen Osten beherrschte, sieht sich die Türkei in der Region in einer besonderen Rolle. Die islamisch geprägte Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte ihr Nahost-Engagement in jüngster Zeit noch einmal erheblich verstärkt. Erdogan telefonierte mehrmals mit US-Präsident George Bush sowie anderen Spitzenpolitikern und schickte einen engen Berater in die Region.

Mit diesem neuartigen Engagement machten sich die Türken nicht nur Freunde. So kritisierte der Partner Israel den offiziellen Besuch einer Delegation der Hamas in Ankara im Frühjahr, mit dem Erdogan aus der westlichen Boykott-Front gegen die Palästinensergruppe ausgeschert war. Dennoch wäre eine maßgebliche Beteiligung der moslemischen Türkei an der angedachten Libanon-Truppe möglicherweise konsensfähiger als eine Führungsrolle anderer westlicher Staaten.

Erdogan hatte das Thema bereits vergangene Woche mit UNO-Generalsekrtär Kofi Annan besprochen. „Nein sagen werden wir natürlich nicht, wenn wir gefragt werden“, zitierte eine türkische Zeitung einen Regierungsvertreter. Über die nötige Erfahrung verfügt die türkische Armee seit ihren Friedenseinsätzen in Somalia, auf dem Balkan und in Afghanistan auch.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine türkische Truppenbeteiligung sind ein Waffenstillstand und ein klares UNO-Mandat, wie Regierungspolitiker unterstreichen. Zudem muss auch das türkische Parlament einem solchen Auslandseinsatz zustimmen. Dies wäre nach der derzeitigen Stimmungslage kein Problem: Schließlich würde ein türkischer Einsatz im Libanon das internationale Renommee des Landes steigern. Allerdings gibt es in dieser Rechnung einige Unbekannte. So könnte die Friedenstruppe je nach UNO-Mandat zur Entwaffnung der Hisbollah-Miliz eingesetzt werden, was das Risiko von Gefechten erhöhen würde. Dies wäre „Besorgnis erregend“, sagte ein Regierungsvertreter der türkischen Zeitung „Radikal“.

Trotzdem feiert die regierungsnahe Presse in der Türkei schon jetzt. „Kein Friedensgipfel mehr ohne die Türkei“, jubelte die Zeitung „Yeni Safak“ am Montag. Dass Gül an diesem Mittwoch beim Nahost-Treffen in Rom mit am Tisch sitzen darf, wird als Erfolg der türkischen Regierung dargestellt, die sich – anders als ihre Vorgängerinnen bei ähnlichen Gelegenheiten – von Anfang an aktiv in die internationalen Bemühungen um eine Entschärfung der Krise eingeschaltet habe. Erdogan sei inzwischen in die Riege der „Welt-Führer“ aufgerückt, verkündete „Yeni Safak“ stolz.

Über die verschiedenen diplomatischen Initiativen hinaus hat sich die Türkei in der Libanon-Krise bisher vor allem durch die Aufnahme von westlichen Flüchtlingen hervorgetan. Fast 5000 Australier, Kanadier, Schweden und Amerikaner wurden in den vergangenen Wochen mit Schiffen aus Beirut in die südtürkische Hafenstadt Mersin gebracht und traten anschließend von der Türkei aus die Heimreise an. Zugleich widmet sich Ankara der Einrichtung eines Versorgungskorridors für die zivilen Opfer des neuen Libanon-Krieges.

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