Lustenau.Über 150 Zuhörer strömten Freitagabend in den Millennium Park, um sich die neuesten pädagogischen Ansätze des renommierten dänischen Familientherapeuten Jesper Juul anzuhören.
Juul beschäftigte sich an diesem Abend vor allem mit der Frage, wann und in welcher Form Kinderbetreuungs-Einrichtungen Sinn machen. Generell erklärte er, dass es dabei nicht nur auf die Bedürfnisse der Kinder, sondern der ganzen Familie ankomme. Manche Frauen haben aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit, zuhause zu bleiben, andere wollen dies auch gar nicht, so Juul. Wichtig sei jedoch darauf zu achten, wie es dem Kind im Falle einer Trennung wirklich gehe. Haben die Kleinen echte Trennungsangst, ist dies gefährlich, da dadurch ein für das Gehirn schädliches Stresshormon ausgelöst wird, warnt der Experte.
Kritik übt Juul an der Tatsache, dass in der österreichischen Erziehungskultur sehr stark auf Leistungsförderung Augenmerk gelegt wird. Schon im Kindergarten sollen die Kleinen lieber lernen als spielen. Die Schulen wollen nur noch lauter Professoren hervorbringen. Dabei gibt es so viele andere Talente, die Kinder haben können. Juul ist außerdem der Ansicht, dass die Zeiten, in denen hauptsächlich gehorsame Arbeiter gefragt seien, entgültig vorbei sind. Unsere Gesellschaft braucht individuelle Typen mit Ideen, Menschen, die etwas in die Hand nehmen, ist er überzeugt. Dabei ist er gegen eine Erziehung, in der immer noch mehr Grenzen gesetzt werden. Dass durch die hohe Zahl an Pädagoginnen kein natürliches Ausleben von Aggression, wie z.B. Rangeleien unter Buben, mehr zugelassen wird, ist für Juul ebenfalls problematisch. Denn genau diese Kinder würden sich später teilweise zu gewaltbereiten oder depressiven Jugendlichen entwickeln, ist der Experte überzeugt. Auch die ständige Stimulanz der Kinder durch Erwachsene findet er falsch: Wenn die Kleinen nach fünf Stunden vom Kindergarten heimkommen, müssen die Eltern nicht auch noch mit einem Kinderprogramm aufwarten. Die Kinder sollen die Erwachsenenwelt kennen lernen und ihre Eltern bei ihren täglichen Arbeiten beobachten können. Wenn ihnen dabei langweilig wird, werden sie mit der Zeit selbst kreativ. Und kreative Köpfe brauche unser Land ja schließlich – heute und in Zukunft.
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