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Tragödie vor Griechenland - Mehr als 500 Todesopfer vermutet

Mehr als 500 Todesopfer vor Griechenland vermutet.
Mehr als 500 Todesopfer vor Griechenland vermutet. ©REUTERS
Insgesamt handelt es sich um 78 Todesopfer. Die Küstenwache korrigierte am Donnerstag ihre Angaben vom Vortag, wonach es zwischenzeitlich 79 Tote waren. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer geben die griechischen Behörden mittlerweile mit mehr als 500 an.
Tragödie vor Griechenland
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Obwohl die Sucharbeiten die Nacht über andauerten und auch am Donnerstag weiterliefen, wurden keine weiteren Überlebenden oder Leichen gefunden. Es wird davon ausgegangen, dass die Menschen unter Deck sich nicht retten konnten, als das Schiff sank. Weil sich das Boot in internationalen Gewässern befand, konnte die griechische Küstenwache erst eingreifen, als es in der Nacht auf Mittwoch in Seenot geriet und kenterte.

Überlebende im Flüchtlingslager

Die 104 überlebenden Migranten eines Bootsunglücks vor Griechenland sollen am Donnerstag und Freitag in ein Flüchtlingslager nahe Athen gebracht werden.

Bei dem Unglücksboot soll es sich um ein bis zu 30 Meter langes stählernes Fischerboot gehandelt haben. Nach Angaben der Geretteten war es von der libyschen Stadt Tobruk aus in See gestochen. Unter den Passagieren seien Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten gewesen, darunter auch schwangere Frauen und etliche Kinder.

Panik an Bord

Schon am Dienstag hatten italienische Behörden die griechischen Nachbarn über ein voll besetztes Fischerboot im griechischen Such- und Rettungsbereich informiert. Die Küstenwache und vorbeifahrende Frachter hätten den Passagieren per Funk wiederholt Hilfe angeboten. Diese hätten jedoch abgelehnt, sagte ein Sprecher der griechischen Küstenwache. Stattdessen hätten sie angegeben, nach Italien weiterreisen zu wollen.

"Als Ursache des Unglücks vermuten die Behörden eine Panik an Bord. Die Küstenwache habe das Boot nach der Kontaktaufnahme weiterhin beobachtet und plötzlich abrupte Bewegungen wahrgenommen, sagte der Sprecher. Dann sei der Kutter gekentert und schnell gesunken. Am Wetter habe es nicht gelegen. Das sei verhältnismäßig ruhig gewesen, hieß es.

Gefährliche, lange Routen

Die Unglücksstelle liegt nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem sogenannten Calypsotief, das rund fünf Kilometer bis zum Meeresboden reicht. Eine Bergung des Wracks dürfte damit so gut wie ausgeschlossen sein. Griechenland hat die Kontrollen seiner Gewässer in den vergangenen Jahren bereits massiv verschärft, um illegale Migration abzuwehren. Deshalb wählen Schlepper und Migranten zunehmend gefährliche, lange Routen von der Türkei und Staaten des Nahen Ostens südlich an Griechenland vorbei direkt nach Italien, um in die EU zu gelangen.
Seit 2014 sind nach UNO-Angaben mehr als 20.000 Migranten auf dem Mittelmeer gestorben. Ende Februar 2023 kam es in Italien vor der Küste Kalabriens zu einem Bootsunglück mit mindestens 90 Toten.

"Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben"

Angesichts des tragischen Bootsunglücks forderte der Erste Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas, am Donnerstag legale Fluchtwege und ein Ende illegaler Pushbacks. "Die Tragödie vor der griechischen Küste ist unfassbar. Wenn die Angst vor Pushbacks mitverantwortlich war, ist das der letzte Beweis, dass mit diesem illegalen Vorgehen endlich Schluss sein muss", so Karas im Kurznachrichtendienst Twitter. Eine gemeinsame EU-Asyl- & Migrationspolitik sei seit Jahren überfällig, sichere EU-Außengrenzen und sichere Fluchtwege dabei kein Widerspruch. "Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben."

"Europa versagt seit Jahren"

Mit scharfer Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik reagierte auch Caritas Wien-Direktor Klaus Schwertner. "Europa versagt seit Jahren, wenn es darum geht, Menschen auf der Flucht zu schützen. Seit 2014 sind bereits mehr als 20.000 Geflüchtete auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken", sagte Schwertner gegenüber Kathpress. Es sei leider zu befürchten, dass auch der jüngste Vorstoß der EU-Innenminister die Situation nicht verbessern werde, so Schwertner. "Wichtige menschenrechtliche Garantien und humanitäre Erwägungen werden völlig außer Acht gelassen." Europa müsse sich zu humanitären Aufnahmeprogrammen und zu Resettlement bekennen, so die Forderung der Caritas.

Auch der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka zeigte sich entsetzt und forderte einmal mehr sichere legale Fluchtwege und humanitäre Korridore. Es handle sich bei dem Unglück um "keine unausweichliche Naturkatastrophe, sondern Folge europäischer Politik", kritisierte er. Diese verweigere den Menschen "Rechte, Solidarität und die Aufnahme", so Chalupka.

(APA)

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