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Tödlicher Borna-Virus-Fall in Bayern: Wie groß ist das Risiko für Vorarlberg?

©Canva
In Pfaffenhofen an der Ilm (Oberbayern) sind zwei Männer an dem seltenen, aber gefährlichen Borna-Virus (BoDV-1) erkrankt – einer von ihnen ist verstorben.

Was steckt hinter dem Borna-Virus, wie gefährlich ist es für Menschen, und besteht eine Gefahr für Vorarlberg?

Seltene Infektion versetzt Behörden in Alarmbereitschaft

Der aktuelle Fall in Pfaffenhofen an der Ilm sorgt für Verunsicherung unter der örtlichen Bevölkerung. Zwei Männer Mitte 50 aus dem Stadtgebiet der Kreisstadt infizierten sich mit dem Borna-Virus – sie sind nicht verwandt, ein Zusammenhang ist bislang unklar.

Das Landratsamt Pfaffenhofen bestätigte am Montag den Tod eines der Patienten und informierte, dass der zweite Erkrankte derzeit in einer Klinik um sein Leben kämpft. Experten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden eingeschaltet, um den seltenen Infektionsfall zu untersuchen.

"Das Gesundheitsamt kläre derzeit intensiv den möglichen Infektionsweg ab" und stehe in engem Kontakt mit den Spezialisten des LGL, heißt es aus der Behörde. Viele besorgte Bürger haben sich bereits mit Fragen gemeldet; das LGL will diese im Rahmen einer Infoveranstaltung beantworten.

Was ist das Borna-Virus und wie wird es übertragen?

Das Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) – oft kurz Borna-Virus genannt – ist ein Virus, das vor allem bei Tieren vorkommt. Seinen Namen trägt es von der Stadt Borna in Sachsen, wo im 19. Jahrhundert zahlreiche Pferde an der sogenannten Bornaschen Krankheit erkrankten.

Natürlicher Wirt und Reservoir des Virus ist die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon), ein kleiner mäuseähnlicher Insektenfresser. Die infizierten Spitzmäuse scheiden das Virus lebenslang über Urin, Kot und Speichel aus.

Andere Säugetiere – vor allem Pferde und Schafe, seltener auch z.B. Katzen oder Hunde – können sich gelegentlich anstecken, gelten dann aber als Fehlwirte, die oft schwer erkranken.

Dass auch Menschen infiziert werden können, ist erst seit wenigen Jahren wissenschaftlich belegt. 2018 wurde in Deutschland der erste humane BoDV-1-Fall eindeutig nachgewiesen. In Österreich hingegen ist bis heute kein durch Borna-Viren verursachter Fall von Gehirnentzündung beim Menschen bekannt.

(a) Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Borna-Disease-Virus-1-Partikels. Maßstabsbalken: 100 nm. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. M. Eickmann.
(b) Illustration eines Orthobornavirus-Partikels. Grau: doppelschichtige Lipidhülle.
©Dr M. Eickmann/ Jens H. Kuhn

Übertragungsweg noch unklar

Wie genau die Übertragung von der Spitzmaus auf den Menschen erfolgt, ist noch nicht in allen Details geklärt. Virologen halten verschiedene Ansteckungswege für möglich: etwa über Nahrung oder Wasser, die mit Ausscheidungen der Tiere verunreinigt sind, oder durch Schmierinfektion über kontaminierte Erde.

Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch wurde bisher nicht dokumentiert und gilt als extrem unwahrscheinlich. Auch eine Ansteckung durch Haustiere wird als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt.

Allerdings könnten Haustiere indirekt eine Rolle spielen. "Möglicherweise bringen Katzen durch ihr Jagdverhalten ihre Besitzer mit Spitzmäusen und dem Virus in Kontakt – die Katzen selbst waren unauffällig", erklärt die RKI-Epidemiologin Kirsten Pörtner.

Mit anderen Worten: Freilaufende Katzen könnten infizierte Spitzmäuse ins Wohnumfeld schleppen und so ihren Haltern ungewollt das Virus vor die Haustür legen.

"Es gibt keine Therapie"

Beim Menschen kann eine BoDV-1-Infektion eine schwere Hirnentzündung (Enzephalitis) verursachen, die in den allermeisten Fällen tödlich verläuft. Fachleute stufen das Virus als äußerst gefährlich ein – in über 90 Prozent der bekannten humanen Fälle endete die Krankheit tödlich.

Wer die Infektion – mit sehr viel Glück – überlebt, trägt meist dauerhafte neurologische Schäden davon. Eine spezifische Therapie gegen das Borna-Virus gibt es nicht; die Behandlung beschränkt sich auf die Linderung von Symptomen.

Auf der Infoseite der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) heißt es knapp: "Es gibt keine Therapie".

Unspezifische Symptome

Die Symptome einer Borna-Virus-Enzephalitis beginnen häufig unspezifisch. Betroffene klagen zunächst über allgemeines Unwohlsein, Kopfweh und Fieber. Mit Fortschreiten der Infektion kommen neurologische Ausfallserscheinungen hinzu – zum Beispiel Verwirrtheit oder Verhaltensänderungen, Sprachstörungen und unsicherer Gang.

Schließlich fallen die Patienten nach einigen Tagen bis wenigen Wochen ins Koma. Weil die Frühsymptome so unspezifisch sind und es keinen einfachen Frühtest gibt, wird die richtige Diagnose meist erst sehr spät gestellt. Oft kann sie erst post mortem, also nach dem Tod des Patienten, durch virologische Untersuchungen bestätigt werden.

©Robert Koch-Institut und Friedrich-Loeffler-Institut

Trotz dieser dramatischen Krankheitsverläufe bleibt das Borna-Virus ein sehr seltenes Phänomen – und das Infektionsrisiko für die Allgemeinbevölkerung gilt als äußerst gering. Seit BoDV-1 im März 2020 in Deutschland meldepflichtig wurde, registrieren die Behörden dort nur etwa zwei bis sechs Fälle pro Jahr.

Wissenschaftler vermuten zwar, dass es noch eine Dunkelziffer unerkannter Fälle gibt, doch selbst diese dürfte nicht viel höher liegen. Ein Schwerpunkt der bislang bekannt gewordenen Infektionen liegt in Bayern und angrenzenden Gebieten Süddeutschlands.

Warum gerade dort vergleichsweise mehr Fälle auftreten, ist unklar – möglicherweise wird in Bayern einfach gezielter getestet, oder das Verhalten der Feldspitzmäuse unterscheidet sich regional, so das Robert Koch-Institut.

Klar ist aber: Absolute Zahlen bleiben sehr niedrig. Laut Robert Koch-Institut erkranken in ganz Deutschland im Schnitt nur bis zu etwa sechs Menschen pro Jahr an BoDV-1. Zum Vergleich: Allein an durch Zecken übertragenen FSME-Viren erkranken in Österreich jährlich rund 100 Personen – das Borna-Virus ist also selbst in seinen Endemiegebieten eine extreme Rarität.

Vorarlberg ist Risikogebiet

Auch wenn humanen Infektionen bisher nur aus Deutschland (und Einzelfällen in der Schweiz) bekannt sind, kommt das klassische Borna-Virus auch in Österreich vor. Vorarlberg gilt als Endemiegebiet für BoDV-1 – das Virus ist hier in der Natur nachweislich heimisch.

Bereits in den 1990er-Jahren traten in Vorarlberg zwei Fälle der Bornaschen Krankheit bei Pferden sowie ein Fall bei einem Hund auf. Später wurden vereinzelt weitere Tiererkrankungen in anderen Bundesländern registriert, etwa 1998 in der Steiermark und 2015/16 vier Fälle in Oberösterreich.

"Das Bornavirus kommt laut AGES in Teilen Ost- und Süddeutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins vor", bestätigt die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

Trotz dieser Präsenz in Wildtieren wurde in Österreich bislang kein Mensch mit BoDV-1 infiziert – einen dokumentierten Krankheitsfall beim Menschen gibt es hierzulande nicht. Die AGES betont ausdrücklich: "Bei Menschen ist in Österreich noch kein Fall einer durch Bornaviren verursachten Entzündung des Gehirns aufgetreten".

Entsprechend schätzen Experten das Risiko für die Vorarlberger Bevölkerung aktuell als verschwindend gering ein. Die Infektionsgefahr für Menschen wird selbst in bekannten Borna-Gebieten als sehr gering eingestuft.

Weder gibt es Hinweise auf eine vermehrte Verbreitung des Virus in Vorarlberg, noch auf besondere Risikofaktoren, die über die Situation im benachbarten Bayern hinausgingen. Dennoch beobachten Fachstellen die Situation aufmerksam. Das Land Vorarlberg und die AGES stehen in Austausch mit deutschen Kollegen, um neue Erkenntnisse zu BoDV-1 zeitnah zu erhalten.

Sollte in Österreich ein Verdachtsfall auftreten, würden entsprechende Proben umgehend im nationalen Referenzlabor virologisch untersucht, heißt es von Seiten der AGES. Bislang war das jedoch zum Glück nicht nötig.

Behörden raten zu Vorsicht – aber kein Anlass zur Panik

Auch wenn kein Grund zur Beunruhigung besteht, raten Gesundheitsexperten zu gewissen Vorsichtsmaßnahmen – vor allem in Regionen, in denen das Borna-Virus bei Tieren vorkommt. Das Bayerische LGL empfiehlt zum Beispiel, den Kontakt mit Spitzmäusen sowie mit deren Ausscheidungen konsequent zu meiden.

Die kleinen Nager oder ihre Hinterlassenschaften sollten niemals mit bloßen Händen berührt werden. Futterquellen für Wildtiere – etwa offen stehendes Katzenfutter oder Lebensmittelabfälle im Garten – gilt es unzugänglich zu lagern, um Spitzmäuse nicht anzulocken. Findet man ein verendetes Kleintier (z. B. eine Spitzmaus) in einem bekannten Endemiegebiet, raten Fachleute, den Kadaver nur mit Einmal-Handschuhen anzufassen, eventuell mit Haushaltsreiniger zu besprühen und in einem Plastikbeutel sicher zu entsorgen.

Im Zweifelsfall könne auch das Tragen einer dicht sitzenden FFP2-Maske sinnvoll sein, um sich vor möglicherweise virushaltigem Staub zu schützen. Haustierbesitzer in ländlichen Gegenden sollten wachsam sein, welche Beutetiere ihre Katze nach Hause bringt – und diese im Zweifel ebenfalls nur mit Handschuhen entfernen.

Trotz solcher Empfehlungen betonen Behörden und Experten immer wieder, dass kein Anlass zu Alarmismus besteht. Das Borna-Virus ist extrem selten und wird nur in Ausnahmefällen vom Tier auf den Menschen übertragen.

"Das Infektionsrisiko mit dem Borna-Virus ist auch in Bayern laut Experten äußerst gering", unterstrich jüngst der bayrische Rundfunk unter Verweis auf das LGL. Gesundheitsexperten raten, die grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit wildlebenden Kleintieren zu beherzigen – mehr aber auch nicht.

Einen Grund zur Panik sehen sie nicht. Vielmehr handelt es sich bei BoDV-1 um eine seltene zoologische Besonderheit, die aufmerksam beobachtet werden sollte, für die breite Bevölkerung jedoch keine akute Gefahr darstellt.

(VOL.AT/DPA)

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