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Tiroler Landesregierung reformiert Mindestsicherung

Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hat eine Reform der Mindestsicherung angekündigt. Zentral soll dabei eine Deckelung der Beträge für Großfamilien und ein Systemwechsel bei subsidiär Schutzberechtigten sein, hieß es am Mittwoch in einer Pressekonferenz nach einer Regierungsklausur im Tiroler Unterland. Letztere sollen künftig - wenn nötig - Grundversorgung beziehen. Die Maßnahmen sollten zu "Verteilungsgerechtigkeit" führen, sagte Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP).

Zudem sollte die Mindestsicherung "treffsicherer" werden. Diese solle eine "Übergangshilfe und kein Dauerzustand" sein, betonte der Tiroler ÖVP-Chef zum Abschluss der Regierungsklausur in einem Hotel in Westendorf (Bezirk Kitzbühel). Außerdem sollten Anreize zum Arbeiten gesetzt und die Leistungsbereitschaft gesteigert werden. Für subsidiär Schutzberechtigte solle es beim Wechsel von der Mindestsicherung in Leistungen der Grundversorgung eine Übergangsfrist geben. Bei Großfamilien betonte Mattle, dass eine Deckelung dazu führen solle, dass die bezogenen Beträge Arbeitseinkommen nicht übersteigen. Die Änderungen sollen im kommenden Jahr im Landtag beschlossen und umgesetzt werden. Zuvor müsse noch eine neue Berechnungslogik erarbeitet werden, hieß es.

Wohlgemuth: Verteilungsgerechtigkeit, nicht Sparen als Ziel

Man werde weiterhin "jenen Hilfe geben, die Hilfe brauchen", versprach Landeshauptmannstellvertreter Philip Wohlgemuth (SPÖ). Die Mindestsicherung soll weder gestrichen noch gekappt werden. Ziel der Reform sei nicht das Sparen, sondern eine "gerechtere Verteilung", betonte der Tiroler SPÖ-Vorsitzende. Deshalb sollten gleichzeitig Verbesserungen für Mindestpensionistinnen und Mindestpensionisten und Menschen mit Behinderung umgesetzt werden. Auch blieben die in Tirol besonders hohen Wohn- und Lebenserhaltungskosten berücksichtigt.

Konkret plant die Landesregierung, eine Begrenzung der Höhe der Mindestsicherung bei Großfamilien über einen Höchstdeckel bei volljährigen Personen in den entsprechenden Haushalten umzusetzen. Es solle weiterhin ein degressives System bei den Kinderrichtsätzen geben. Dennoch solle sich so der Gesamtbetrag reduzieren, um den Abstand zu Familien mit regulären Einkommen gerechter zu gestalten, hieß es. Außerdem soll es eine fünfjährige Wartefrist für Fremde nach den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen geben - österreichische Staatsbürger, EU-Bürger oder Asylberechtigte seien davon nicht betroffen.

Sanktionen bis hin zur Streichung geplant

ÖVP und SPÖ wollen außerdem strengere Sanktionen bei Regelverstößen bis hin zur gesamten Streichung der Mindestsicherung inklusive der Wohnkosten umsetzen. Zu Kürzungen bzw. einer kompletten Streichung der Mindestsicherung kann es beispielsweise kommen, wenn eine Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde, wenn trotz schriftlicher Ermahnung keine Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft gezeigt werde oder wenn nicht an vorgeschriebenen Fortbildungs-, Ausbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen wird. Außerdem will die Landesregierung rechtliche Klarstellungen zu Wohn- und Haushaltsgemeinschaften treffen, hieß es.

Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) betonte, der "Tiroler Weg" bei der Mindestsicherung werde beibehalten. Auch gelte weiterhin, dass "jedes Kind gleich viel wert" sei. Insgesamt gehe es um Anreize für Beschäftigung, betonte Pawlata. ÖVP-Klubchef Jakob Wolf sprach von einem "sensiblen Gesetz", in dessen Reform die Erfahrungen der vergangenen acht Jahre seit dem ursprünglichen, damals noch von schwarz-grün gefassten Beschluss einfließen sollen. "Arbeit muss sich lohnen" sei das Credo, ein Bezug von mehreren 1.000 Euro bei Großfamilien - wie teilweise medial in die Schlagzeilen geraten - "kann nicht sein". Es handle sich jedoch keinesfalls um einen "sozialen Kahlschlag", betonte auch Wolf.

Mattle: Potenzial für Windräder in Tirol "sehr bescheiden"

Die Tiroler Landesregierung brachte im Rahmen der Klausur auch das zweite Tiroler Erneuerbaren-Ausbaugesetz auf den Weg. Die SPÖ freute sich unter anderem über eine Wiedereinführung des Naturschutzfonds. Gefragt nach den Plänen der Bundesregierung, den Ländern im Rahmen des geplanten Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG) die Errichtung einer Mindestanzahl an Windrädern vorzuschreiben, meinte Mattle indes, man müsse hier wohl die "topografischen Gegebenheiten anerkennen". Angesichts dieser sei das Potenzial für Windkraft in Tirol "sehr bescheiden", vielmehr liege die Stärke im Bundesland bei Sonnenenergie und Wasserkraft. Man bekenne sich aber selbstverständlich zum Ausbau der erneuerbaren Energie und habe auch weiterhin eine Prämie für das erste in Tirol aufgestellte Windrad ausgeschrieben, erinnerte der Landeshauptmann. Zuletzt stand noch kein einziges Windrad in Tirol.

Grüne sehen "Armutszeugnis"

Tirol habe "Besseres verdient", reagierte der Tiroler Grünen-Klubchef Gebi Mair auf die schwarz-rote Regierungsklausur. Die Regierung sei zwar "endlich aus der Sommerhängematte gefallen", bringe jedoch bei den wesentlichen Themen wie Wohnkosten oder "Dauerstau" nichts zustande. Die Einschnitte bei der Mindestsicherung seien "der nächste Hammer" neben noch in Verhandlung befindlichen möglichen Budgetkürzungen, kritisierte die grüne Sozialsprecherin Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan und attestierte ein "politisches Armutszeugnis". "Die Regierung hat sich offenbar nur damit beschäftigt, was schlechter wird - aber nicht, was besser für die Menschen werden könnte", wurde Arslan in einer Aussendung zitiert.

(APA)

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