Tipps zum Lesen: Das bringt der österreichische Literatur-Sommer 2013

Es ist Sommer – und plötzlich ist das Thema Literatur in aller Munde. Das wird noch ein wenig so bleiben, denn der Lesewettbewerb um den Bachmann-Preis, dessen mögliche Abschaffung derzeit für Aufregung sorgt, wird am 3. Juli eröffnet.
Endzeit-Stimmung bei Cordula Simon
Dass man in Klagenfurt nicht nur über Quoten, sondern auch über Qualität diskutiert, dafür könnte auch die junge in Odessa lebende Grazerin Cordula Simon sorgen. Mit einer Auszeichnung könnte ihr Weltuntergangsstimmungs-Roman “Ostrov Mogila”, aus dem sie in Klagenfurt lesen wird, zu einem der heißen Titel in diesem Literatursommer werden. Das Buch erscheint im August im Picus Verlag.
Sommer-Lesungen: O-Töne im MQ
Heiß kann es auch bei den Open-Air-Lesungen im Rahmen des Literaturfestivals “O-Töne” im Museumsquartier Wien werden. Zwei der drei neuen Romane heimischer Autoren, die im August dort vorgestellt werden, erscheinen bereits in der zweiten Julihälfte. Am 21. Juli liefert Jung & Jung den dritten Roman David Schalkos aus: “Knoi” ist ein offenbar recht turbulenter Beziehungsroman, “ein bitterböses, abgründig komisches Kammerspiel, in dem jeder jeden täuscht, vor allem über sich selbst”. “Sind wir hier bei Woody Allen? Oder schon bei Yasmina Reza? Oder längst unterwegs Richtung Michael Haneke?” fragt die Verlagswerbung.
14 Tage vor Schalko, der am 22. August aus seinem Roman lesen wird, ist sein Kollege Norbert Gstrein dran: Am 8. August liest er aus “Eine Ahnung vom Anfang”. In dem Roman, der am 29. Juli bei Hanser erscheint, geht es um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem Lehrer und einem Schüler. “Ein großer Roman über die Frage, wie man leben soll, über Heimat und Exil und die verhängnisvolle Sehnsucht nach Unschuld und Reinheit”, so der Verlag.
Neues von Glavinic, Kehlmann und Handke
Mit einer Startauflage von 50.000 Stück schickt Hanser “Das größere Wunder” von Thomas Glavinic ins Rennen. Am 29. August liest er aus dieser “Expedition ins Ungewisse”, die in die Todeszone des Mount Everest führt: “Das Bizarre wird hier zur Normalität, die letzten Gewissheiten verschwinden, nur der Drang nach Leben bleibt unstillbar”, wirbt der Verlag.
Wenige Tage darauf (am 6. September) legt auch Daniel Kehlmann einen neuen Roman vor. “F” ist der kürzeste Titel der Saison und für den Rowohlt Verlag “der wichtigste Buchstabe dieses Bücherherbstes” – F wie Fälschung, Familie und Fiktion. Ein Roman “über drei Brüder, die – je auf eigene Weise – Heuchler, Betrüger, Fälscher sind”, “über Lüge und Wahrheit”, “vielschichtig, geheimnisvoll und kühn”.
Im krisengeschüttelten Suhrkamp Verlag bringt der passionierte Pilzsammler Peter Handke im September einen “Versuch über den Pilznarren” heraus, den fünften und angeblich letzten Teil der 1989 begonnenen Versuchs-Reihe. Von Friederike Mayröcker kommen im Oktober “études”, kleine Bruchstücke zwischen lyrischer Prosa und prosaischer Lyrik. Ann Cotten, in Iowa geboren, in Wien aufgewachsen und heute in Berlin lebend, legt den Erzählband “Der schaudernde Fächer” vor.
Neuerscheinungen von Hackl und Henisch
“Dieses Buch gehört meiner Mutter”, nennt Erich Hackl sein am 23. Oktober bei Diogenes erscheinendes neues Buch, das ein Bauernleben im Mühlviertel behandelt: “So weit ich zurückdenken kann, hat meine Mutter von der Welt ihrer Kindheit und Jugend erzählt”, meint Hackl. “Ich bin nun, nach ihrem Tod, darangegangen, mich dieser Welt zu versichern, sie mit ihrem Blick und in ihren Worten wahrzunehmen, und deshalb gehört dieses Buch meiner Mutter.” Ende September bringt der Kindler Verlag einen neuen Krimi des Wieners Stefan Slupetzky: “Polivka hat einen Traum”.
Am 27. August feiert Peter Henisch seinen 70. Geburtstag. Einen Tag davor erscheint bei Deuticke Henischs ungewöhnliche Liebesgeschichte “Mortimer & Miss Molly”, kurz danach im Sonderzahl Verlag der Sammelband “Außenseiter aus Passion” mit Henischs Texten zu Politik, Literatur und Gesellschaft. Als Vorbote zu Alois Brandstetters 75. Geburtstag am 5. Dezember erscheint bei Residenz im September “Kummer ade!”, ein “Roman über einen humoristischen Kriminalfall” in Klagenfurt.
Große Bachmann-Biographie im Herbst
Zum 40. Todestag von Ingeborg Bachmann im Oktober bringt Andrea Stoll bei C. Bertelsmann im September eine große Bachmann-Biografie heraus (“Der dunkle Glanz der Freiheit”) und versucht die Frage zu beantworten: “Was bedeutete damals eine freie Autorenexistenz für eine Frau, und welchen Preis musste Ingeborg Bachmann dafür zahlen?” Und bei Piper beschäftigt sich Ingeborg Gleichauf mit “Ingeborg Bachmann und Max Frisch”.
Weitere Sommer-Literatur-Highlights
Karl-Markus Gauß erzählt in “Das Erste, was ich sah” (ab Ende Juli bei Zsolnay) “von den ersten sinnlichen Eindrücken eines kleinen Jungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als der Krieg, der gerade erst vergangen ist, immer präsent war”. Ende September erscheint Robert Menasses 2009 in Darmstadt uraufgeführtes Stück “Doktor Hoechst. Ein Faust-Spiel” als Buch, Ruth Klüger bringt unter dem Titel “Zerreißproben” Gedichte samt eigener Kommentierung.
“Glück ist was für Augenblicke” heißen die Erinnerungen von Christine Nöstlinger, die Doris Priesching für den Residenz Verlag aufgezeichnet hat. Zu Leben und Werk von Gerhard Roth legt Uwe Schütte im Oktober den Band “Unterwelten” vor. Barbara Frischmuth bringt im Juli unter dem Titel “Bindungen” Erzählungen, Julian Schutting im August den Prosaband “Blickrichtungen”. Vom Grazer Roman Marchel erscheint der Erzählband “Wir waren da”(“Ein Buch voll von Zauber und Gefahr der Kindheit”), von Erika Pluhar der autobiografische Roman “Die öffentliche Frau”. Ilija Trojanow liefert mit “Der überflüssige Mensch” einen “Essay zur Würde des Menschen im Spätkapitalismus” und Ende August bei Hanser gemeinsam mit Fotograf Christian Muhrbeck einen Reisebericht aus Bulgarien: “Wo Orpheus begraben liegt”.
Vom Roman-Debüt bis zum Opus Magnum
Von dem in Korneuburg geborenen und nach Südamerika ausgewanderten German Kratochwil, dessen Romandebüt “Scherbengericht” im Vorjahr überraschend für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, erscheint im Picus Verlag “Rio Puro”: “ein packender Roman über die Gier und die Sehnsucht nach dem Paradies – mit bizarren Gestalten in der Naturgewalt Patagoniens”. Egyd Gstättner legt den Künstlerroman “Das Geisterschiff” vor, René Freund bringt in “Stadt, Land und danke für das Boot” “die besten Satiren aus meinem Leben”. Thomas Sautner hat einen “literarischen Reise- und Heimatbegleiter” geschrieben: “Waldviertel steinweich”.
Im Wieser Verlag erscheint Ende August ein 900-seitiges Opus Magnum von Wilhelm Pevny: “Die Erschaffung der Gefühle” ist ein fünfteiliger Romanzyklus “im Graubereich zwischen Leben und Tod”: “Durch die multidimensionale Sicht eines Benommenen versucht der Autor der Realität näher zu kommen als durch die beschränkte Sicht, die wir bei nüchternem Verstand gewöhnlich als realistisch bezeichnen”, heißt es dazu. Außerdem bringt der Verlag Franzobels Stück “Die Weibspassion” über die vor 75 Jahren zur Heiligen erklärte Hemma von Gurk. Das existentielle “Hemma-Spiel” soll in der Regie von Manfred Lukas-Luderer im Oktober im Dom von Gurk, im Klagenfurter Dom sowie in Slowenien aufgeführt werden.
Lese-Tipps für jeden Geschmack
Die in der Schweiz lebende Steirerin Melitta Breznik bringt bei Luchterhand im September ihren neuen Roman “Der Sommer hat lange auf sich warten lassen” über drei Menschen, denen sich die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts tief in ihre Biografien eingeschrieben haben. Angekündigt ist “die seelische Kartographie einer Gesellschaft vom 2. Weltkrieg bis in unsere Jetztzeit”. Im Oktober kommt der Essayband “Die Welt, die Rätsel bleibt” von Anna Mitgutsch, die für “Die Grenzen der Sprache. Unruhe bewahren” soeben für den “Tractatus”-Preis nominiert wurde.
Im Czernin Verlag bringt Manfred Rebhandl im September den dritten Rock Rockenschaub-Krimi “In der Hölle ist für alle Platz”. “Zweier” heißt der Mittelteil einer Trilogie von Dirk Stermann, zwischen “Eier” und “Dreier”. Claudia Erdheim erzählt in dem historischen Roman “Paoli” über die Freundschaft dreier Frauen im Wien des 19. Jahrhunderts. Im Löcker Verlag erscheint u.a. unter dem Titel “Mich piekst ein Ameisenbär” ein Band von kreuz und quer über dem Globus angesiedelten “Weltgeschichten” von Manfred Chobot. Der Otto Müller Verlag kündigt u.a. den ersten Gedichtband von Elisabeth Reichart (“In der Mondsichel und anderen Herzgegenden”) und einen Band mit “Geschichten von Schande und Scham” von Leopold Federmair (“Das rote Sofa”) an.
Bei Droschl kommen u.a. der vierte Roman von Thomas Stangl (“Regeln des Tanzes”), Erinnerungen der Wienerin Ilse Helbich (“Vineta”), die am 22. Oktober ihren 90. Geburtstag feiert, sowie der dritte Band von Andreas Unterwegers autobiografischer Trilogie (“Das kostbarste aller Geschenke”) heraus, ein “Vaterbuch” ohne Babyanekdoten. Bereits erschienen ist der zweite Band der Werkausgabe von Elfriede Gerstl (“Behüte behütet”). Jung & Jung kündigt den Roman “Mittwoch” von Wolf Wondratschek an, sowie “zartbittere Humoresken” von Günter Brus (“Essigsaure Tonerde”).
Autobiographien, Erzählungen und Gedichte
Im Haymon Verlag erscheint zu seinem 90. Geburtstag am 29. Oktober “Die allerletzte Autobiografie” der “Mutter der Pille”, Carl Djerassi: “Der Schattensammler”. Außerdem ist u.a. ein Erzählband von Christoph W. Bauer (“In einer Bar unter dem Meer”) angekündigt. “Es wird Tote geben”, heißt der neue Krimi von Georg Haderer rund um seinen Polizeimajor Schäfer.
Der Luftschacht Verlag bringt u.a. den Roman “Shooting Stars” des Lienzers Martin Mandler und den Gedichtband “Wer stahl dem Wal sein Abendmahl?”, mit dem der Niederösterreicher Michael Roher auf den Spuren von Christian Morgenstern und Joachim Ringelnatz wandelt. Bei Braumüller kommt u.a. der Roman “Aufstand” des in Wien lebenden Filmemachers Fabian Eder.
Im Amalthea Verlag erscheint wenige Wochen nach seinem “Jedermann”-Debüt ein Buch über Cornelius Obonya. “Kommen Sie bitte weiter vor” wurde von Haide Tenner aufgezeichnet. Die Lebenswege der Sängerin Angelika Kirchschlager hat dagegen Achim Schneyder festgehalten (“Ich erfinde mich jeden Tag neu”). Florian Scheuba fragt in einem Sammelband seiner “Standard”-Kolumnen: “Geht’s?”
Schau zu Comics von Nicolas Mahler
Besonders reiche Ernte dürfte im Herbst nach einem langen Literatursommer der gefeierte österreichische Comiczeichner Nicolas Mahler einfahren. In der noblen Insel-Bücherei erscheint im September zu der im November startenden Ausstellung “Nicolas Mahler. Wer alles liest, hat nichts begriffen” im Karikaturmuseum Krems ein gezeichneter Gedichtband von ihm – visuelle Poesie ohne Worte, “lebensphilosophische Bild-Gedichte über die Absurdität des Seins”.
Im Dezember kommt dann Mahlers dritte Graphic Novel bei Suhrkamp: Nach Thomas Bernhards “Alte Meister” und “Alice in Sussex” gibt es nun eine ganz spezielle Version von Robert Musils “Der Mann ohne Eigenschaften”. Zu Musils Jahrhundertroman erscheint außerdem Ende Juli bei Hanser eine neue Studie von Inka Mülder-Bach.
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