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Tibeter-Vertreterin spricht von "großer Verzweiflung" in China

"Unter der Decke brodelt viel mehr." Mit diesen Worten kommentierte die Obfrau der Tibeter Gemeinschaft Österreich (TGÖ), Tseten Zöchbauer, am Dienstag die Aussage eines Vertreters des Uiguren-Kongresses, dass er die mutmaßlichen uigurischen Attentäter eines Anschlags auf chinesische Polizisten am Montag in der Stadt Kashgar verstehen könne.

Die Tibeter seien selbst über die Gewaltanwendung von Tibetern im März erschrocken, meinte Zöchbauer bei einem Mediengespräch in Wien zum Thema Menschenrechtslage in China. “Das zeigt die große Verzweiflung.” Mitte März war es in Lhasa bei Protesten von Tibetern zu Ausschreitungen gegen die chinesische Herrschaft gekommen. Die Anwendung von Gewalt lehnten die Vertreter von tibetischen, uigurischen und Falun Dafa-Organisationen bei der Veranstaltung in Wien einstimmig ab.

Die Menschenrechtslage hat sich in China seit der Vergabe der Olympischen Spiele verschlechtert, stimmten die Vertreter der Minderheiten-Organisationen ebenfalls überein. Die Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation wolle man aber nicht aufgeben. Auch sei man nicht gegen China, sondern lehne die Vorgangsweise der chinesischen Regierung ab. Jeder hat “genug Bildung”, die Menschenrechtslage in China nicht ignorieren zu dürfen, so Zöchbauer, die auch Vizeobfrau der Gesellschaft für Bedrohte Völker in Österreich ist. “Jeder sollte ein Aktivist sein auf seine Art.”

“Warum hat China so Angst vor einer Gruppe, die nur friedliche Mittel gebraucht?”, meinte der Sprecher des Österreichischen Falun Dafa Vereins Yong Wang. Nach seinen Worten leben etwa 80 bis 100 Millionen Menschen, die die chinesische buddhistische Meditationspraxis Falun Gong (auch Falun Dafa genannt) betreiben, in China. 1.800 davon seien alleine im Juni verhaftet worden. Die Anzahl der Verhafteten steige mit dem Näherrücken der Olympischen Spiele. Wang sprach von einer “Säuberungsaktion” der chinesischen Regierung.

Die Menschenrechte der Uiguren würden von der chinesischen Regierung “jetzt noch härter unterdrückt”, meinte ein Vorstandsmitglied des Weltkongresses der Uiguren (WUC), Ümit Hamid. Uiguren würden verhaftet, unter anderem bis zum Ende der Olympischen Spiele mit Ausgangs- und Versammlungsverboten belegt oder würden einfach “verschwinden”. Ihre Muttersprache würde in Schulen abgeschafft, oder Mädchen für Arbeiten gegen geringen Lohn nach Zentralchina “verschleppt”. Außerdem würden Uiguren “in der Weltöffentlichkeit fast als terroristisches Volk abgestempelt”.

“Langsam bröckelt das System auch nach außen”, sagte Erich Leopold, Leiter des Arbeitskreises China bei der Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Anspielung auf den Aufschrei internationaler Journalisten gegen Internet-Zensur in China im Zuge der Berichterstattung über die Olympischen Spiele in Peking. Die chinesische Regierung verletze “stetig, konsequent und paranoid” die Menschenrechte in China, meinte der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. “Die chinesische Regierung kann nicht ein Land mit 1,3 Mrd. Menschen ewig unterdrücken, auch wenn viele wegsehen.” Die Einrichtung von Demonstrationszonen sei in einem Land, in dem Demonstrationen verboten seien, “lächerlich”.

Anlass des Mediengesprächs war die Buchpräsentation der Autobiografie von Gao Zhisheng, “Chinas Hoffnung” (2008) – eines der bekanntesten Menschenrechtsanwälte Chinas, der 2007 den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis erhalten hatte. In einem offenen Brief an den US-Kongress hatte Gao einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking gefordert. Gao befindet sich zur Zeit an einem unbekannten Ort in Haft. Laut Amnesty ist er auch von Folter bedroht.

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