Theater in der Josefstadt startete mit Sartre in die Saison

Das 1948 uraufgeführte Stück spielt in dem fiktiven osteuropäischen Land Illyrien, wo kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs die Rote Armee immer näher rückt. Die kommunistische Partei schickt sich an, die künftige Machtübernahme vorzubereiten, ist sich aber über die Strategie nicht einig. Die Fraktionskämpfe werden blutig ausgetragen. Wer nicht bereit ist, über Leichen zu gehen, um sein Ziel zu erreichen, hat hier nichts verloren. Politik ist ein schmutziges Geschäft, in dem Saubermänner nicht gewinnen können.
Pistole statt Revolver, Theorie statt Praxis
Viele Sätze, die hier zu hören sind, kommen einem angesichts einer sich immer stärker verbreitenden wölfischen Politik, in der die Mächtigen ihren Willen durchsetzen und demokratische Institutionen zu Marionetten degradieren, bekannt vor, müssten aber neu durchdacht und in ein heutiges Szenario eingebettet werden, um wirklich zu greifen. David Bösch, seit der Vorsaison Schauspieldirektor am Landestheater Linz, unternimmt jedoch nichts dergleichen. In dem zeitlos düsteren Bühnenbild von Patrick Bannwart wird gelegentlich für Gesangseinlagen zum Mikrofon gegriffen und fuchtelt man immer, wenn von einem Revolver die Rede ist, mit einer Pistole herum - doch mehr V-Effekte gibt es nicht. Der Rest ist Text und Spiel. Theorie statt Praxis.
Die Konfrontation der Strategien ist auch eine der Klassen und der Generationen. Nils Arztmann ist der junge Bürgerliche Hugo, der zum Klassenfeind übergelaufen ist und bereit ist, zum Mörder zu werden, wenn die Partei es befiehlt. Kaum ein Satz von ihm kommt ohne Pathos aus, statt Krawatte trägt er nun Ausrufezeichen. Dass ihm im Duell der Worte der alte Fuchs Hoederer, auf den der junge Heißsporn angesetzt ist, nicht nur ideologisch und rhetorisch überlegen ist, sondern auch in der Kategorie Menschenliebe einen klaren Punktesieg davonträgt, konstatiert auch Hugos Freundin Jessica.
Der Machtkampf als Schaukampf
Herauszuarbeiten, dass der Machtkampf der Parteilinien eigentlich ein Schaukampf zweier Gockel ist, war Sartre sicher ein diebisches Vergnügen. Johanna Mahaffy als schwärmerische Geliebte, die ausprobiert, wie weit sie gehen kann, und Günter Franzmeier als abgeklärt wirkender Parteisekretär mit menschlichen Schwächen lassen sich ganz ein auf diese ziemlich gestrig wirkende Dreieckskonstellation und verstehen, zu fesseln. Der Rest - wie Nanette Waidmann und Romans Schmelzer als grimmige Parteistrategen oder Alexander Absenger und Oliver Rosskopf als dumpfbackige Leibwächter - ist bloß Staffage.
Am Ende stehen zwei Morde zu Buche, einer aus Eifersucht, der andere aus Parteiräson. Und nur die Gewissenlosesten können mit einstimmen: "Non, je ne regrette rien." Der Schlussapplaus für die "schmutzigen Hände" hatte sich zwar nicht gerade gewaschen, konnte sich jedoch hören lassen. Im Theater in der Josefstadt, wo mancher in der Vorsaison eine Schmutzkübelkampagne gewittert hatte, gilt in dieser Spielzeit: Sauber bleiben!
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Die schmutzigen Hände" von Jean-Paul Sartre, Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel, Regie: David Bösch, Bühnenbild: Patrick Bannwart, Kostüme: Moana Stemberger. Mit Nils Arztmann, Günter Franzmeier, Johanna Mahaffy, Nanette Waidmann, Roman Schmelzer, Michael König, Alexander Absenger, Oliver Rosskopf. Theater in der Josefstadt, Nächste Vorstellungen: 5., 11., 15., 17., 20., 21., 23.9, )
(APA)
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