Hatte Lanthimos für den 2015 erschienenen “Lobster” noch ein eigenes, dystopisches Universum entworfen, ist “The Killing of a Sacred Deer” nun ein hochfokussiertes Kammerspiel. In dessen Zentrum stehen der Chirurg Steven (nach “Lobster” erneut Colin Farrell in der Hauptrolle) und seine Familie, die sich wie bei der antiken Tragödie einem unlösbaren Dilemma gegenüber sehen.
The Killing of a Sacred Deer – Die Handlung
So starb vor Jahren auf Stevens Operationstisch der Vater des Teenagers Martin (Nachwuchsschauspieler Barry Keoghan), mit dem sich der Chirurg – wohl auch aus Schuldgefühlen – angefreundet hat. Aus dem scheinbar brüderlichen Verhältnis wird jedoch alsbald ein Machtspiel in Thrillerqualität, als Stevens Kinder aus unerklärlichen Gründen mit einem Male gelähmt sind, was auch Mutter Anna (Nicole Kidman) droht. Wenn er nicht als Ausgleich für den Tod des Vaters eines seiner eigenen Familienmitglieder opfert, sind alle dem Untergang geweiht, so Martins lakonische Erklärung.
Lanthimos greift hier in Tradition des Iphigenie- oder Abraham-Mythos auf ein archaisches Sujet der abendländischen Kultur zurück, das er in die Istzeit transponiert. Was als mitleidsloses Drama inszeniert werden könnte, federt der 44-Jährige jedoch durch pechschwarzen Humor ab, der subkutan das gesamte Werk durchzieht. Wenn man der Theorie folgt, dass Witz durch das Brechen von Erwartungshaltungen entsteht, wird der Zuschauer hier permanent mit subtil variierten Szenen von scheinbar Bekanntem konfrontiert. Lanthimos erschafft eine eigene Welt mit Figuren, die sich der darin herrschenden Logik gemäß verhalten.
The Killing of a Sacred Deer – Die Kritik
Der Filmemacher, der auch bei “Killing of a Sacred Deer” für das Drehbuch mitverantwortlich zeichnet, ist dabei ein Meister der leicht gebrochenen Dialoge, von Gesprächen, die nur um mikroskopische Dimensionen verschoben sind und dadurch im Stile von David Lynch ein Unwohlsein verbreiten, eine gefühlte Künstlichkeit, die der Betrachter spürt, ohne mit dem Finger darauf zeigen zu können. Der plakative Einsatz eines Querschnitts der abendländischen Musik von Bach über Gubaidulina bis Ligeti tut sein Übriges, um das Geschehen einem Naturalismus zu entheben.
Die Kamera wiederum ist meist in Bewegung, aber so elegant geführt, dass sie ein Gleiten durch den Fortgang der Geschichte in berührend schönen Bildern ermöglicht, was die verschobene Welt der Figuren nur umso deutlicher zutage treten lässt. Aufgelöst wird dieser Kosmos am Ende nicht, sondern bleibt als Parabel, als Mythos von antiker Dimension in sich bestehen – und entfaltet dabei eine Wucht, die im Kino in dieser Intensität selten zu finden ist.
(APA)
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