Pitts, dessen Familie 1978 emigrierte und der heute vorwiegend in Paris lebt, hat einen ruhigen Film voller Fragen geschaffen, in dem eine einzige Handlung eindeutig und unmissverständlich ist: Die vom Regisseur mit eindrucksvollem Understatement selbst gespielte Hauptfigur Ali nimmt von einem Hügel aus mit dem Gewehr ein Polizeiauto ins Visier und erschießt zwei Polizisten.
Die Vorgeschichte der Wahnsinnstat lässt manchen Spielraum für Interpretationen offen. Der Haftentlassene Ali versucht sein kleines Glück an der Seite seiner Frau Sara und seiner kleinen Tochter Saba zu schützen, obwohl er nur nachts arbeiten darf und es ihn immer wieder unruhig in die Wälder treibt. Ob der Jäger als Krimineller oder als politischer Häftling inhaftiert war, bleibt im Dunkeln. Eines Tages wartet er vergeblich auf Frau und Kind und wendet sich schließlich an die Polizei.
In düsteren Bildern zeigt Rafi Pitts labyrinthische Gänge in Angst einflößenden Amtsgebäuden. Die feindseligen Beamten, von denen Ali Aufklärung und Hilfe begehrt, haben kein Interesse an einer objektiven Wahrheitsfindung, könnten genauso Folterer sein, Schergen der Macht, denen man besser weiträumig aus dem Weg geht. Stück für Stück enthüllt sich die Tragödie: Alis Frau ist in einem Schusswechsel der Polizei mit Demonstranten ums Leben gekommen, auch die Tochter wird später tot aufgefunden. Ali verliert jeden Halt im Leben.
Mit der Verzweiflungstat, die Ali selbst zum Gejagten macht, ändert der Film seinen Charakter. Er verlagert sich aus der Stadt Teheran in die Natur, der Psychothriller nimmt Tempo auf, wird zum Krimi. Ali liefert der Polizei eine wilde Verfolgungsjagd, die nach einem Unfall im Wald endet, im Kampf Mann gegen Mann. Zwei Polizeibeamte nehmen ihn fest, verlaufen sich jedoch mit ihrem Gefangenen. Als einer der Polizisten vorschlägt, man möge den Verhafteten liquidieren, um schneller voranzukommen, ändern sich die Kräfteverhältnisse zwischen den drei Männern auf überraschende Weise.
Pitts hat seinen vieldeutigen Film unter großen Schwierigkeiten im Iran drehen können, zu einer Zeit, als die regimekritischen Proteste Erfolg versprachen. Heute scheint Präsident Mahmoud Ahmadinejad wieder sicher im Sattel zu sitzen. Rafi Pitts hofft darauf, dass der von Tunesien und Ägypten ausgehende Demokratisierungsdruck auch vor seiner Heimat nicht Halt machen wird. Am 11. Februar wird er mithelfen, die Aufmerksamkeit der Welt auf seinen im Iran inhaftierten Kollegen Jafar Panahi zu lenken: Jemand, der nicht zur Waffe, sondern nur zu seiner Filmkamera gegriffen hat, und die Rache des Regimes dennoch mit unbarmherziger Härte zu spüren bekam.
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