AA

Tausende Zivilisten getötet

Das amerikanische Verteidigungsministerium sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt, es habe während des Afghanistan-Krieges Tausende von zivilen Todesopfern gegeben.

In einem Bericht der „New York Times“ vom Sonntag wird das Pentagon besonders dafür kritisiert, dass es in den meisten Fällen keine genauen Untersuchungen über den „Kollateral-Schaden“ geben wird. Nur einige wenige Vorfälle, bei denen Unschuldige getötet wurden, sollen vom Pentagon untersucht werden.

Das US-Verteidigungsministerium hat eine umfassende Aufklärung eines Vorfalls vom 24. Jänner angekündigt, was für das Pentagon unüblich ist. In der Nähe der Siedlung Hazar Qadam in der Provinz Oruzgan, rund 150 Kilometer nordöstlich von Kandahar, hat ein US-Kommando 21 Menschen getötet, die für Taliban- und El-Kaida-Kämpfer gehalten wurden. Vertreter der Interimsregierung in Kabul haben die Attacke als „tragischen Fehler“ bezeichnet und verteidigten die Amerikaner, die von einem lokalen Stammesführer falsche Informationen erhalten hätten. Neben der Untersuchung dieses Vorfalls haben die US-Militärs nur noch in wenigen Ausnahmefällen eine Untersuchung durchgeführt, beispielsweise die Bombardierung von Rotkreuz-Lagern in Kabul, wie die „New York Times“ weiter berichtete.

Der größte Teil von Angriffen mit zivilen Todesopfern würde nicht untersucht. Die UNO, Menschenrechtsorganisationen und Journalisten hätten Berichte mit glaubwürdigen Zahlen von Toten verfasst, die bei US-Luftangriffen ums Leben gekommen sein sollen. Dem Zeitungsbericht zufolge gebe es für die Amerikaner nur wenige Möglichkeiten, alle Vorfälle zu untersuchen. Dafür sprächen verschiedene Gründe wie die Bestattungstradition der Moslems, die Verstorbene so bald wie möglich bestatten müssten. Dadurch habe aber das Pentagon falsche, oder zumindest zu niedrige Zahlen, was die zivilen Opfer des Afghanistan-Krieges betrifft, geht aus dem Artikel der „New York Times“ weiter hervor. Die Verwendung von Modellrechnungen von Wissenschaftlern oder Berichte von Menschenrechtsorganisation lehnen die US-Militärs ab.

Die Zeitung berichtet über Professor Marc Herold von der Universität in New Hampshire, der als Grundlage seiner Rechnung verschiedene Nachrichtenberichte verwende und so auf über 3.750 zivile Todesopfer während des Afghanistan-Krieges vom 7. Oktober bis zum 6. Dezember 2001 komme. Carl Conetta, Vizevorsitzender des „Projekts zur alternativen Verteidigung“, benütze ein strengeres Verfahren bei der Auswahl der Medienberichte. Er errechne geschätzte 1000 bis 1300 zivile Tote.

Aber auch die verschiedenen Medienberichte seien oftmals auf Ungewissheit gestützt, heißt es in der „New York Times“. In der Provinz Nangarhar, bei der Ortschaft Karam, sollen bei einem Luftangriff am 11. Oktober 200 Zivilisten ums Leben gekommen sein. Die Zahlen stammten allerdings von den Taliban. Einige Überlebende sprechen dagegen von 50 Toten, einige von 100. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nannte die hohe Zahl der zivilen Opfer in diesem Fall „lächerlich“.

In Niazi Qala, einer Ortschaft in Paktia, sollen am 29. Dezember mehr als 100 Zivilisten getötet worden sein. Das Pentagon gab bekannt, bei dem Angriff wurde ein Munitionslager der Taliban getroffen. Die Dorfbewohner sollen Journalisten gegenüber gesagt haben, dass das Depot von Anti-Taliban-Kämpfern, den Verbündeten der USA im Afghanistan-Krieg, gehalten worden wäre. Der Grund für die zahlreichen Toten, darunter auch Frauen und Kinder, sei eine gerade stattfindende Hochzeit gewesen.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Tausende Zivilisten getötet