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Tag der deutschen Einheit

Wo sonst nur sinnbildlich die Macht vom Volke ausgeht, drängen sich am 3. Oktober Tausende Menschen zwischen Reichstag, Brandenburger Tor und Bundesrat.

Das Berliner Regierungsviertel in der Hand des Volkes. Wo sonst nur sinnbildlich die Macht vom Volke ausgeht, drängen sich am Tag der Deutschen Einheit Hunderttausende Menschen bei Sonnenschein und flanieren zwischen Reichstag, Brandenburger Tor, Bundesrat und Unter den Linden. Die politischen Spitzen der Republik versammeln sich derweil im nahe gelegenen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zum Festakt und begehen den Tag mit politischem Ernst.

Im Mittelpunkt der Feiern steht das Brandenburger Tor, das in aller Welt als Zeichen der deutsch-deutschen Vereinigung bekannt ist. Auch geographisch ist der Bau an diesem Donnerstag Zentrum der Feier – von allen Richtungen strömen die Menschenmassen über Ländermeile und Bürgerfest zur Mitte der Stadt. Die spektakuläre Enthüllung des Berliner Wahrzeichens soll am Abend das Fest krönen – tagelang schon ist der „Striptease“ am Tor geprobt worden, bei dem ein riesiger Reißverschluss die Stoffhülle um das Denkmal öffnet.

Zwei Jahre lang ist der mehr als 200 Jahre alte Sandsteinbau aufwändig saniert worden und für die Berliner wie für sehnsüchtige Touristen hinter riesigen Planen mit Werbeaufdruck versteckt worden. Ehrengast zur Verhüllung soll am Abend der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sein – eine ganz unkomplizierte Freundschaftsgeste in einer Zeit, in der das deutsch-amerikanische Verhältnis als eher schwierig gilt.

Schon beim Festakt erweist zuvor Bundespräsident Johannes Rau den USA eine Reverenz: Besonders den Vereinigten Staaten dankte er für deren Einsatz bei der Wiedervereinigung. Schon vorher hat US-Präsident George W. Bush mit einem ungewöhnlich ausführlichen Brief zu dem Feiertag diplomatisches Tauwetter eingeleitet.

In der Stadt treffen sich Menschen aus Ost und West – und vollziehen so ein wenig, was die Politiker zuvor im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gefordert haben. Staatsoberhaupt Rau und Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) mahnten, die Menschen sollten aufeinander zugehen und dabei ihre Unterschiede respektieren. „Ein bisschen mehr Neugier aufeinander könnte uns nicht schaden“, sagt Wowereit.

Volksnah und neugierig zeigt sich am Nachmittag auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der mit seiner Frau Doris über die Festmeile streift. Er wird von Autogrammjägern um seine Unterschrift gebeten, und gibt dem Wunsch in Hemdsärmeln unter den Passanten geduldig nach. Oppositionsführerin Angela Merkel (CDU) hat schon am Morgen den Applaus von Zaungästen am Gendarmenmarkt genossen.

Eine Vielzahl an Politikern bleibt den Feiern allerdings fern. Der größere Teil der Ministerpräsidenten hat abgesagt, darunter auch Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU). Ebenfalls leer bleiben viele Plätze in den Sitzreihen, die für Bundestagsabgeordnete und Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses vorgesehen waren.

Derweil kämpfen Berliner und auswärtige Besucher sich durch das dichte Getümmel auf der „Ländermeile“ westlich des Brandenburger Tores. Alle 16 Bundesländer informieren in Zelten über ihre Region, spielen heimatliche Musik, zapfen entsprechendes Bier und bieten Spezialitäten von der bayerischen Weißwurst bis zum Hamburger Backfisch an. Vor dem Bundesrat warten die Neugierigen in einer hundert Meter langen Schlange auf Einlass zum „Tag der offenen Tür“. „Eine Stunde Anstehen lohnt sich schon“, sagt ein älterer Herr aus Brandenburg. „So oft kommt man ja hier nicht rein.“

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