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Tägliche Bewegungseinheit "trifft genau die Kinder, die es brauchen"

©Roland Paulitsch
Conny Berchtold begleitet die tägliche Bewegungseinheit seit Jahren. Für ihn steht fest: Kein anderes Bildungsprojekt erreicht Kinder so nachhaltig wie dieses. In Vorarlberg ist es längst Alltag, mit bemerkenswertem Erfolg.

"In meinen 25 Jahren, in denen ich das jetzt schon mache, ist das das einzige Projekt, das das Übel wirklich an der Wurzel packt", sagt Conny Berchtold. Als Fachinspektor für Bewegungserziehung und Sport bei der Bildungsdirektion Vorarlberg hat er viele Initiativen und Programme kommen und gehen sehen. Doch bei der täglichen Bewegungseinheit spürt er: Hier passiert etwas Substanzielles.

"Bei uns wird die tägliche Bewegungseinheit sehr gut angenommen. Alle Schulen und Kindergärten, die dabei sind, sind begeistert", erzählt Berchtold. Während andere Bundesländer in der Pilotphase steckengeblieben sind, hat sich das Modell in Vorarlberg flächendeckend etabliert. Aktuell nehmen 57 Kindergärten und 61 Volksschulen in Vorarlberg teil, Tendenz steigend.

Eine Stunde pro Woche kommt ein externer Bewegungscoach vorbei. ©Roland Paulitsch

Kein neues Projekt, aber eines mit Zukunft

Entstanden ist die tägliche Bewegungseinheit nicht über Nacht. Sie ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung: von den gekürzten Turnstunden 2003 über "Kinder gesund bewegen" ab 2009 bis zur heutigen Form, die seit 2022 aktiv läuft. In Vorarlberg wurde das Projekt von Beginn an ernst genommen. Schon in der Pilotphase nahm das Land zwei Regionen ins Programm auf, eine davon aus eigener Finanzierung.

Seitdem ist viel passiert. Die Bewegungseinheit wurde weiterentwickelt, gestärkt und professionalisiert. "Allerdings ist die Entwicklung vor dem heurigen Schuljahr etwas eingeschlafen", räumt Berchtold ein. Grund dafür war die fehlende Planungssicherheit beim Bund. Ohne klare Finanzierung konnten die Dachverbände ASVÖ, ASKÖ und Sportunion, die die Bewegungscoaches stellen, nicht vorausplanen.

Conny Berchtold ist überzeugt von der täglichen Bewegungseinheit. ©BVS

Rückhalt statt Rückschritt

Doch die Zeiten der Unsicherheit scheinen überwunden. Im September kündigte das Sportministerium an, das Projekt weiter auszubauen. "Durch diese Rückenstärkung des Bundes können wieder Schulen und Kindergärten angeworben werden", sagt Berchtold. Das ist nicht nur ein organisatorischer Schritt, sondern ein Signal: Das Projekt ist politisch gewollt und das braucht es, um langfristig Wirkung zu entfalten.

Das Land Vorarlberg investiert rund 500.000 Euro pro Schuljahr. Eine Summe, die gut angelegt ist, wenn man den Einfluss bedenkt, den tägliche Bewegung auf Kinder hat. Denn es geht nicht nur um Fitness.

Den Ursprung hat die tägliche Bewegungseinheit in der Kürzung der Turnstunden 2003. ©Roland Paulitsch

Was tägliche Bewegung bewirkt

Bewegung fördert Konzentration, baut Stress ab, stärkt das Sozialverhalten und wirkt sich positiv auf die gesamte Entwicklung von Kindern aus. Empfohlen werden mindestens drei Stunden Bewegung täglich im Kindergartenalter und mindestens 60 Minuten für Schulkinder. Doch wie soll das gehen, im eng getakteten Alltag?

Genau hier setzt die tägliche Bewegungseinheit an. Sie basiert auf einem Drei-Säulen-Modell:

  • Bewegungskultur: Bewegung wird als selbstverständlicher Teil des Alltags verstanden
  • Bewegungseinheiten: Vier fixe Einheiten pro Woche – drei von Lehrpersonen, eine von einem Bewegungscoach
  • Bewegungsvielfalt: Unterschiedliche Formate machen Lust auf mehr

Eine fünfte Einheit ergibt sich durch "bewegtes Lernen" oder aktive Pausen. So wird Bewegung nicht extra obendrauf gepackt, sondern klug integriert.

Die Bewegungseinheiten werden in den Alltag integriert.

Nicht überall gleich leicht

Trotz aller Erfolge zeigt sich auch: Nicht überall greift das Konzept gleich gut. "Im städtischen Raum wird es wenig angenommen, da fehlt der Platz für die Bewegungsräume", so Berchtold.

Was aber bleibt, ist das Engagement der Beteiligten. "Die Bewegungscoaches sind mit sehr viel Engagement dabei, und das hilft auch den Lehrpersonen. Die können sich Übungen abschauen und werden eigentlich dauerhaft geschult", erklärt der Fachinspektor.

Kein Zusatzprogramm, sondern Grundbildung

Entscheidend ist: Die Bewegungseinheit ist nicht freiwillig, kein "Add-on" am Nachmittag. Sie ist Teil des regulären Bildungsplans und erreicht damit auch jene Kinder, die sonst keine Berührungspunkte mit Sport hätten. Gerade das macht den Unterschied. Denn was bringt das beste Projekt, wenn es nur jene erreicht, die sich ohnehin genug bewegen?

Die Einheiten mit den Bewegungscoaches sind nicht nur für die Kinder vorteilhaft. ©Roland Paulitsch

Vorarlberg geht vor und bleibt dran

Vorarlberg hat ein Modell etabliert, das wirkt, weil es gewollt, finanziert und strukturell verankert ist. Die tägliche Bewegungseinheit ist kein Projekt mehr, sondern Realität. Und sie ist ein Versprechen: an gesunde Entwicklung, an Bildung mit Tiefgang und an Kinder, denen man zutraut, sich zu entfalten.

(VOL.AT)

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