Südtirolersiedlung in Hard: 16 Wohnungen stehen trotz voller Warteliste leer

Hinter den Mauern der Siedlung am Südtirolerplatz wächst die Unruhe. Laut Anrainern stehen aktuell 16 der 64 Mietwohnungen leer – fast in jedem Block, wie es heißt. Relativ leicht erkennt man, welche Wohnungen nicht mehr bewohnt sind: Die Fensterläden bleiben hier geschlossen. Drei Bewohnerinnen erzählen, wie sie die Lage erleben.

Estera Dilyte: "Siedlung ist außergewöhnlich schön"
Estera Dilyte lebt mit ihren drei Kindern seit zwölf Jahren in der Südtirolersiedlung. Für sie zählt vor allem eines: "Es ist einfach sehr schön. Das Feeling von alten Häusern und für die Kinder: Wir haben den See nah." Sie schätzt auch die Vielfalt. "Gemischte Nachbarschaft, jüngere Leute, unterschiedliche Nationalitäten." Manchmal gebe es Streit, doch auch viele fröhliche Feste.

"Wir würden schon gerne länger hier leben"
Doch auch sie hört von Sanierungs- oder Abrissplänen wie in Bregenz. "Genau das Gleiche", meint sie darauf angesprochen. "Die, die noch hier wohnen, befürchten schon, dass wir eines Tages rausmüssen. Wir würden schon gerne länger hier leben." Für sie als Alleinerziehende spielen die Kosten eine große Rolle: "Das sind leistbare Wohnungen. Die Preise sind gut und die Wohnungen sind angenehm."
Video: So lebt es sich in der Siedlung
Es stünden "nicht nur ein paar" Wohnungen leer, merkt sie an. "Manche befürchten, dass es bald zu Ende geht für unsere sehr schöne Siedlung. Unsere Siedlung ist außergewöhnlich schön." Für sie stellt sich die Frage, ob die Häuser nicht unter Denkmalschutz gestellt werden können. "Dieses Feeling ist echt da", betont sie.

Simone Oberhauser: "Sie sollen endlich Klartext reden"
Dilytes Nachbarin Simone Oberhauser ist ebenfalls alleinerziehende Mutter und lebt seit zehn Jahren mit ihrem Sohn in der Siedlung. Sie hat ihren Mietvertrag gerade verlängert – allerdings nur auf drei Jahre. "Das erste Mal war es zehn Jahre, jetzt sind es drei." Sie verlängerte bis 2028. "Dann weiß kein Mensch, wie es weitergeht."
Unter den Bewohnern kursiert ein Gerücht: 2029 soll abgerissen werden. "Angeblich", sagt Oberhauser. "Es ist schade. Sie sollen einfach Klartext reden." Damit sind Gemeinde und Vogewosi gemeint, die zur Zukunft der Siedlung schweigen. Hard sei im Vergleich zu Bregenz "einfach untergegangen", ergänzt Dilyte. In Bregenz und Bludenz gebe es bereits Masterpläne. "Es ist auf Eis gelegt. Man hat das Gefühl, erst wird Bregenz abgehandelt – dann kommt Hard dran."

"Sie lassen lieber 16 Wohnungen leerstehen"
Auch sie ärgert sich über den vermuteten Vermietungsstopp. "Alle, die ausgezogen sind, müssen alles rausreißen – auch Küchen, die schon beim Einzug drinnen waren. Ich verstehe das einfach nicht." Es gebe viele Leute, die günstigen Wohnraum suchen. "Es wären so viele Leute froh – und sie lassen lieber 16 Wohnungen leerstehen."
Oberhauser und ihre Nachbarin sind sich einig: "Wir sind alleinerziehende Mütter. Ich kann keine Wohnung um 1200 Euro zahlen – auch mit Vollzeitjob nicht. Ich kann nicht die Hälfte vom Zahltag für eine Wohnung ausgeben." In der seit 1943 vermieteten Südtirolersiedlung zahle sie rund 400 Euro für eine Dreizimmerwohnung.

"Wenn sie renovieren würden, würden die Leute nichts sagen, wenn sie etwas mehr Miete zahlen müssten", meinen Dilyte und Oberhauser einhellig. "Aber zwischen 20 Prozent mehr und einer Neubauwohnung um 1200 Euro liegen Welten."
"Ich würde hier gar nicht wegziehen"
Trotz der unsicheren Zukunft liebt Simone Oberhauser das Leben in der Siedlung: "Mein Sohn ist hier quasi aufgewachsen, er ist 13 Jahre alt. Mit den Kindern ist es super." Die Stimmung in der Siedlung sei mit einem kleinen Dorf vergleichbar. "Ruhig, du bist gleich im Zentrum, gleich beim Strandbad. Besser geht’s gar nicht. Ich würde hier gar nicht wegziehen."

Lisa (80): "Abriss, das würde Millionen kosten"
Seit fast 50 Jahren lebt Lisa (Name auf Wunsch geändert) in der Südtirolersiedlung. Doch jetzt treibt die 80-Jährige die Sorge um die Zukunft um. "Der Abriss, das würde Millionen kosten, und dann sagt man immer, man muss sparen", sagt sie. Trotzdem habe sie das Gefühl, dass genau dieser Abriss vorbereitet werde: "Die Vogewosi will alles abreißen – am schönsten Platz", mutmaßt sie.

"Jetzt sind die Wohnungen unbenutzbar"
Die Seniorin erzählt von Wohnungen, die nun leer stehen. Etwa im Haus gegenüber, wo eine ältere Dame verstarb und ein Paar auszog. "Da hätte man sofort einziehen können. Aber alles hinausgeschmissen, alles vernichtet – jetzt sind die Wohnungen unbenutzbar." Selbst die recht neuen Küchen seien entfernt worden. Ihr Vorwurf: "Man vermietet nicht mehr, man lüftet auch nicht mehr", so ihrer Wahrnehmung. Die Wohnungen würden leerstehen, während andere, weniger gut situierte Leute froh um günstigen Wohnraum wären.
Es gebe in der Siedlung einen Kontrast. Es gebe die schönen Wohnungen, um die man sich sorge, und andere, die etwas heruntergekommen seien. Es sei niemand mehr hier, der für Ordnung sorge oder sich um die Häuser kümmere, so ihre Anmerkung.
Ihre eigene Wohnung hat sie über Jahrzehnte liebevoll eingerichtet und instand gehalten: ein neues Bad, Einrichtung und eine Küche. Dass solche Wohnungen später einfach stillgelegt werden, sei für sie unverständlich.

"Wir haben einen Luxus"
Sie schwärmt von der Siedlung: "Die Südtirolersiedlungen sind Augenweiden, mit ihren Erkern und Torbögen. Da sind Leute, die sehr dankbar sind, dass sie in so einer schönen Wohnung in so einer schönen Gegend wohnen können." Für sie ist klar: "Die Leute möchten nicht ausziehen – außer, man gibt uns wieder so eine Wohnung in dieser Größe und in dieser schönen Lage." Sie brauche keinen Balkon oder eine neue Wohnung, gibt sie zu verstehen. "Wir haben einen Luxus in der Wohnung", meint sie. Auch das Treppensteigen kümmert sie nicht. "Ich laufe jeden Tag bis in den obersten Stock, vielleicht vier-, fünfmal die Stiegen hoch." Das sei für sie gesund.

Doch die Sorge, umziehen zu müssen, bleibt: "Ich bin alt, ich kann nichts mehr machen. Aber für mich wäre ein Umzug eine schwere psychische Belastung. Wer hat schon Geld für eine neue Küche?"

Staudinger: "Quasi auf Eis gelegt"
Nach wie vor gibt es vonseiten der Vogewosi keine konkreten Pläne zur Entwicklung des Areals. Das bestätigt auch Bürgermeister Martin Staudinger im Gespräch mit VOL.AT. Bereits vor drei Jahren war die Siedlung Thema. Damals wurde über Bregenz und Bludenz gesprochen und auch über mögliche Pläne für Hard. "Da wurde es diskutiert", meint Staudinger gegenüber VOL.AT. Auch eine Informationsveranstaltung mit den Bewohnern habe es seitens der Vogewosi gegeben. "Dann hat die Vogewosi das quasi auf Eis gelegt." Offenbar sei das Vorhaben vorerst zurückgestellt worden, auch da es andere große Bauprojekte gebe.
"Einfach nur abreißen und neu bauen, das ist auch schade"
"Ich habe eine sehr persönliche Sichtweise", betont Staudinger. Seine Großeltern lebten in einer Wohnung am Südtirolerplatz. "Darum war ich hier auch oft als Kind. Es hat einen ganz besonderen Charme. Allein schon der Einfahrtbogen", gibt er zu verstehen. Das ganze Ensemble habe einen "historischen Wert", so der Bürgermeister. Man könne alte Bauwerke schön herrichten und erneuern. In Bludenz gebe es ein Projekt zur Modernisierung. Er sei gespannt, in welche Richtung es gehen werde. "Einfach nur abreißen und neu bauen, das ist auch schade. Die Vogewosi muss sich anschauen, was man aus dem Bestand machen kann."

"Es gibt auch Mischlösungen"
Zum Leerstand erklärt Martin Staudinger: "Es gibt Wohnungen mit Sanierungsbedarf." Die Vogewosi prüfe, ob sie wieder für Mieter instand gesetzt werden können. Sie nicht mehr zu vermieten, ist für ihn keine Lösung: "Ich kann nicht sagen, ich lasse die Hälfte jetzt fünf Jahre leer stehen." Der Bürgermeister sieht auch die Möglichkeit einer kombinierten Lösung: Einerseits könne man alte Bausubstanz erhalten, sanieren und Neues dazu bauen. "Es gibt auch Mischlösungen, wie Verdichtung. Architektonisch gibt es viele Möglichkeiten." Es gebe gute Beispiele. So habe man etwa in der über 120 Jahre alten Werksiedlung in Hard renoviert und thermisch saniert. Auch in Wien gebe es gut sanierte Altbauwohnungen.
"Das liegt auf Eis", erklärt Hans-Peter Lorenz
Die Vogewosi gibt zu verstehen, dass die Harder Südtirolersiedlung derzeit nicht aktiv bearbeitet wird. "Das liegt auf Eis", verdeutlicht Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz im Gespräch mit VOL.AT.
Ursprünglich sei geplant gewesen, Hard und Bregenz gemeinsam anzugehen. Passiert sei das aber nicht. In Hard unternehme man aktuell nichts Konkretes. Nur eines sei anders: "Wenn eine Wohnung gekündigt wird, also jemand auszieht, dann besetzen wir sie nicht nach", erklärt Lorenz. Damit bestätigen sich die Beobachtungen der Bewohner. "Die Zahl der 16 leer stehenden Wohnungen kann so stimmen", so der Geschäftsführer.

Wohnungen nicht nachbesetzt, Mietverträge befristet
Warum bleibt Wohnraum leer? Lorenz verdeutlicht, dass man dies bewusst mache: "Damit wir theoretisch auch mehr Manövriermasse haben, wenn wir weitermachen." Es sei einfacher, wenn nicht zu viele Bewohner gleichzeitig umquartiert werden müssten. Zudem seien die alten Wohnungen nur mit großem Aufwand wieder bewohnbar zu machen. Die dafür nötigen Mittel wolle man für künftige Sanierungen oder Neubauten zurücklegen.
Auch die befristeten Mietverträge sind Teil dieser Strategie, wie er bestätigt: "Man schaut sich das kurzfristig an." Drei Jahre seien dabei die Mindestbefristungsdauer. "Damit auch mehr Beweglichkeit da ist", so der Geschäftsführer. Ob nach drei Jahren neuerlich verlängert werde, sei offen.

Keine konkreten Pläne
Konkrete Pläne für die Harder Siedlung gibt es aktuell nicht, wie er betont. Alles sei aus aktueller Sicht offen – von einer Sanierung bis zu einem Umbau. "Dass man sich die Siedlung einmal angeschaut hat, das ist eine Tatsache. Aber jetzt im Moment ist es so, dass wir gar nichts Konkretes im Auge haben", gibt Hans-Peter Lorenz zu verstehen.
Das Projekt in Bregenz starte demnächst, in Hard warte man ab. Ob nach Bregenz tatsächlich Hard an der Reihe ist, sei völlig offen. Auch die Kommunikation gegenüber den Anrainern sei bewusst zurückhaltend. Vor rund zwei Jahren habe man informiert, dass sich in den nächsten Jahren etwas tun werde. "Aber es wurde völlig offen gelassen", so Lorenz. "Wenn wir etwas tun, werden die Leute informiert. Aber im Moment ist es hier nicht geplant."
(VOL.AT)
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