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Sudan im Chaos: Was hinter dem blutigen Bürgerkrieg steckt

Seit 2019 herrscht im Sudan ein blutiger Bürgerkrieg.
Seit 2019 herrscht im Sudan ein blutiger Bürgerkrieg. APA/AFP/Satellite image ©2025 Vantor/HANDOUT
Seit April 2023 tobt im Sudan ein brutaler Bürgerkrieg zwischen Militär und Milizen. Mehr als 150.000 Menschen sind bereits gestorben – die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Krise der Welt.

Die Ursprünge des Kriegs reichen zurück ins Jahr 2019: Damals stürzte das Militär nach Massenprotesten Langzeitdiktator Omar al-Baschir. Eine zivile Regierung sollte den Weg in die Demokratie ebnen – doch stattdessen kam es 2021 zu einem weiteren Putsch.

Zwei Männer traten daraufhin ins Zentrum der Macht: General Abdel Fattah al-Burhan, der Armeechef, und sein damaliger Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo, besser bekannt als "Hemedti", Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF).

Was als Zweckbündnis begann, endete im offenen Krieg. Streitpunkt: die geplante Eingliederung der 100.000 RSF-Kämpfer in die reguläre Armee. Wer danach das Sagen haben sollte, blieb unklar – und keiner wollte Macht oder Einfluss verlieren.

Am 15. April 2023 brachen erstmals Kämpfe aus. Seither hat sich der Konflikt zu einem flächendeckenden Bürgerkrieg ausgeweitet.

Wer kämpft gegen wen?

Die RSF hat ihre Wurzeln in den berüchtigten Dschandschawid-Milizen, die Anfang der 2000er-Jahre in Darfur wegen Völkermord und ethnischer Säuberung unter internationalem Druck standen. Hemedti formte daraus eine schlagkräftige Truppe, die nicht nur im Sudan, sondern auch in Konflikten in Libyen und Jemen mitmischte – und über eigene Goldminen verfügt.

Die reguläre Armee, angeführt von General Burhan, hat ihre Machtbasis vor allem im Norden und Osten Sudans. Unterstützt wird sie mutmaßlich von Ägypten. Die RSF wiederum soll Hilfe von den Vereinigten Arabischen Emiraten und vom libyschen Warlord Khalifa Haftar erhalten – beide weisen diese Vorwürfe zurück.

Die Kämpfe: Zerstörung, Hunger, Vertreibung

In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde die Hauptstadt Khartum zum Sinnbild des Krieges: einmal unter Kontrolle der RSF, dann zurückerobert von der Armee – übrig blieb eine ausgebrannte Ruinenlandschaft.

Provisorische Unterkünfte, errichtet von vertriebenen Sudanesen, die aus El-Fasher geflohen sind, nachdem die Stadt in die Hände der Rapid Support Forces (RSF) gefallen war, bilden das Lager Um Yanqur. ©APA/AFP

Besonders heftig sind die Kämpfe in der westlichen Region Darfur. Im Oktober 2025 fiel auch die letzte große Stadt El-Faschir an die RSF. Zuvor hatte sie das Gebiet 18 Monate lang belagert – mit katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung: Hunderte Tote, zerstörte Spitäler, blockierte Hilfslieferungen. Selbst das Flüchtlingslager Zamzam, Zufluchtsort für viele Hungernde, wurde niedergewalzt.

Mehr als 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht, so die UNO. Über 24 Millionen sind akut von Hunger bedroht.

Völkermord? Was Menschenrechtsorganisationen berichten

Die Vorwürfe wiegen schwer: Laut Human Rights Watch gibt es Hinweise, dass die RSF gezielt Angehörige der ethnischen Massalit und anderer nicht-arabischer Gruppen vertreibt oder tötet – insbesondere in der Stadt El Geneina.

Im März 2024 dokumentierte UNICEF sexuelle Gewalt gegen Kleinkinder. Die USA haben im Jänner 2025 offiziell festgestellt, dass es sich um einen Völkermord handelt: "Systematische Ermordung von Männern und Jungen aufgrund ihrer Ethnie" sowie "gezielte Vergewaltigungen" durch die RSF, so US-Außenminister Antony Blinken.

Die Vereinten Nationen hingegen sprachen bisher "nur" von Kriegsverbrechen – auf beiden Seiten.

Sudans Armee verklagte daraufhin die Vereinigten Arabischen Emirate vor dem Internationalen Gerichtshof. Sie warf ihnen vor, die RSF zu finanzieren und auszurüsten. Doch das Gericht erklärte sich für nicht zuständig.

Eine geteilte Nation?

Nach dem Fall von El-Faschir kontrolliert die RSF nahezu ganz Darfur und große Teile von Kordofan. General Burhan hält sich in Port Sudan auf – einer Hafenstadt am Roten Meer, die als provisorischer Regierungssitz dient.

Das Land droht erneut zu zerfallen: Bereits 2011 hatte sich der Südsudan abgespalten – und nahm den Großteil der sudanesischen Ölfelder mit.

Nun könnte es zur nächsten Teilung kommen. Die RSF hat bereits eine Gegenregierung ausgerufen.

Friedensgespräche? Kaum Hoffnung

Zwar gab es Vermittlungsversuche – etwa durch Saudi-Arabien oder die Afrikanische Union – doch echte Fortschritte blieben aus. Beide Seiten wollen nicht nachgeben. Vor allem die Armee soll bisher kaum Interesse an einem dauerhaften Waffenstillstand gezeigt haben.

Kritik kommt auch vom Leiter der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus: "In Afrika gibt es Konflikte, die genauso tragisch sind wie anderswo – aber die Welt schaut weg", sagte er im BBC-Interview. Er sprach offen von Rassismus in der internationalen Reaktion.

Ein Land am Abgrund

Sudan, mit rund 46 Millionen Einwohnern, war schon vor dem Krieg eines der ärmsten Länder der Welt. Das Durchschnittseinkommen lag 2022 bei nur 750 Dollar pro Kopf. Der Krieg hat die Wirtschaft nahezu vollständig zum Erliegen gebracht.

Inzwischen spricht das World Food Programme von der "größten humanitären Katastrophe weltweit". Viele Helfer mussten ihre Arbeit einstellen, nachdem die USA und andere Staaten ihre Hilfszahlungen gekürzt haben. Das internationale Engagement ist – trotz der dramatischen Lage – erschreckend gering.

Was bleibt, ist ein Land im Zerfall – zerrissen von Machtgier, ethnischen Spannungen und einem Konflikt, der viel zu lange ignoriert wurde.

(VOL.AT)

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