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Studenten demonstrieren in Wien: Hahn kontert Studenten

Uni-Minister Hahn ortet Ruf nach „eierlegender Wollmilchsau“ und fordert Einschnitte
Studentendemo in Wien
10.000 bei Studenten-Demo in Wien

Als Student hätte er “wahrscheinlich” auch einmal ins besetzte Audimax der Universität Wien geschaut, gesteht Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) im “VN”-Interview, aber nur aus „Neugierde“. Die Forderungen der Studenten gehen Hahn zu weit: “Wenn die Forderung lautet, dass alles frei und ausfinanziert sein muss, dass es keinen Leistungsstress geben darf, dann kommt mir das vor wie eine eierlegende Wollmilchsau.” Als Antwort auf die Probleme an den Universitäten verlangt Hahn vielmehr Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren. Die Studenten selbst setzten ihre Proteste gestern fort. In Wien und Salzburg kam es zu Demonstrationszügen. Zurückhaltender sind noch die Studierenden in Innsbruck. An einer Demonstration durch die Wiener Innenstadt beteiligten sich am Abend mehr als 10.000 Personen, die Veranstalter sprachen sogar von 50.000. Weiter besetzt bleibt der Audimax an der Universität in Wien. Auch in Linz, Graz und Salzburg sind mittlerweile mehrere Hörsäle besetzt.

Johannes Hahn im “VN”-Interview:

VN:

Herr Minister, würden Sie als Student auch an der Audimax-Besetzung teilnehmen? Johannes Hahn: Wahrscheinlich hätte ich hingeschaut. Aber im Zweifelsfall würde ich studieren.

VN:

Warum hätten Sie hingeschaut? Aus Interesse? Aus Neugierde, ja.

VN:

Haben Sie Verständnis für diese Form des Protests und die Botschaften der Studenten? Teile der Kritik im Sinne eines Befundes der Situation an den Universitäten kann ich nachvollziehen. Aber das ist ja der Grund dafür, dass ich vor zwei Monaten eine Diskussion über einen österreichischen Hochschulplan initiiert habe.

VN:

Und mit den Lösungsvorschlägen der Studierenden . . . . . . bin ich, sofern sie überhaupt erkennbar sind, nicht einverstanden.

VN:

Vor allem geht es um die schlechten Studienbedingungen. Das ist doch schon ein uraltes Problem! Das Problem haben sie vor allem in den Ländern, in denen es freie und ungehinderte Zugänge zu den Universitäten gibt. Außerdem gibt es eine Konzentration auf populäre Fächer; das ist Mode-Erscheinungen unterworfen: 60 Prozent der Erst-Semestrigen belegen lediglich zehn Prozent der Studienrichtungen. Dort ist es dann in der Tat so, dass man räumlich und personell gar nicht schnell genug reagieren kann. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob das vernünftig wäre. Der Rektor der TU Wien (Technische Universität) hat vor Kurzem gesagt, selbst wenn man ihm das Geld dafür gibt, hält er es nicht für sinnvoll, wenn pro Jahr 1000 Architektur-Studenten beginnen. Diese Diskussion muss man führen.

VN:

Wird zu wenig Geld investiert? Wir haben in den letzten Jahren rund 1,7 Milliarden Euro in Neubauten investiert. Also da ist einiges passiert. Es liegt auch an der Autonomie der Universitäten, wie sie mit dem Geld umgehen – das ja allein für die nächsten drei Jahre um 17 Prozent gesteigert wurde.

VN:

Als Philosoph werden Sie doch nicht bestreiten, dass ein Land nie genug Geisteswissenschaftler haben kann? Nein, das bestreite ich nicht. Aber was da (bei den Audimax-Protesten; Anm.) sehr stark mitschwingt, ist eine allgemeine Gesellschaftskritik; das kommt ja nicht von ungefähr, nachdem ATTAC dort Vorträge hält. Und wenn die Forderung lautet, dass alles frei und ausfinanziert sein muss, dass es keinen Leis­tungsstress geben darf, dann kommt mir das wie eine eierlegende Wollmilchsau vor.

VN:

Sie wollen, dass die Studiengebühren wieder eingeführt werden. Werden die Studienbedingungen damit wirklich besser? Die Studienbeiträge sind in diesem Zusammenhang nicht so sehr das Thema. Das ist vielmehr die Frage der Zugangsbedingungen und – als ultima ratio (äußerstes Mittel) – eine Beschränkung der Studienplätze. Die Studienbeiträge spielen auf einer anderen Ebene. Wobei ich die finanziellen Vorbehalte dagegen nie verstanden habe, weil aufgrund der Verdoppelung der Stipendien zuletzt ohnehin schon jeder Fünfte nichts mehr zahlen musste. Aber eine Diskussion über die Beiträge ist müßig, weil die SPÖ hier sozusagen auf der Bremse steht. Fakt ist nur, dass uns die OECD jedes Jahr ihre Analysen präsentiert und uns jedes Jahr wieder Zugangsbedingungen und Studienbeiträge empfiehlt.

VN:

Sie werden nun zum Jahreswechsel als EU-Kommissar nach Brüssel wechseln. Wer Ihnen als Wissenschaftsminister nachfolgen sollte, verraten Sie nicht. Könnten Sie zumindest die Voraussetzungen nennen, die ein Kandidat erfüllen muss? Nein, erstens entscheidet das der Finanzminister (ÖVP-Chef Pröll). Und zweitens teile ich ihm meine Einschätzung nur unter vier Augen mit, aber nicht öffentlich.

VN:

Tut es Ihnen bei der Entscheidung für Sie als Kommissar nicht auch ein bisschen weh, dass man auf Sie gekommen ist, weil die SPÖ Molterer unter allen Umständen verhindern wollte? Fakt ist, dass Faymann Kommissionspräsident Barroso schon sehr früh Molterer und mich genannt hat, weil es offensichtlich irgendwelche Hinweise gegeben hat, dass Forschung und Entwicklung ein mögliches Dossier ist.

VN:

Die ÖVP hat immer Molterer als Wunschkandidat bezeichnet. Gehen Sie davon aus, Forschungskommissar zu werden? Willi Molterer wäre ein hervorragender Kommissar gewesen, er hätte eine Reihe von Dossiers sehr gut abdecken können. Jetzt wird es am Bundeskanzler und seinen Gesprächen mit dem Kommissionspräsidenten liegen, welche Möglichkeiten sich für Österreich auftun.

VN:

Sie könnten auch Agrar-Kommissar werden? Nein, die Entscheidung für meine Position war natürlich ein Hinweis für bzw. gegen bestimmte Dossiers.

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