Der Streit in der Union über die Pkw-Maut eskaliert. CSU-Chef Horst Seehofer griff am Wochenende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) persönlich an und unterstellte ihm, mit Indiskretionen das Maut-Projekt zu sabotieren.
CSU sauer auf die Schwesterpartei CDU
Der bayerische Ministerpräsident forderte ein klares Maut-Bekenntnis von der Schwesterpartei: “Will jetzt die CDU oder will sie nicht?” Seehofer drohte indirekt mit einem Koalitionskrach, falls die Kritik aus der CDU nicht aufhöre. Nach den Wahlen in Brandenburg und Thüringen am Sonntag sei die “politische Schonzeit” vorbei, sagte er der “Bild”-Zeitung (Montag).
Seehofer legt sich mit Schäuble an
Zuvor war im “Spiegel” eine Stellungnahme aus Schäubles Haus bekannt geworden, in der vernichtende Kritik am Konzept von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt geäußert wird. Seehofer sieht darin offensichtlich den vorläufigen Höhepunkt eines Feldzuges aus Teilen der CDU gegen die Maut: “Das erhärtet eigentlich meine Vermutung, dass der Finanzminister ja alles tun möchte, um das zu verhindern”, sagte er am Sonntag der “Süddeutschen Zeitung”. Der als “Ausländermaut” bekannt gewordene Plan wird vor allem von der bayerischen CSU verfolgt.
Schäuble hat Zweifel an Rentabilität
Schäubles Haus zweifelt an der Höhe der Maut-Einnahmen, zudem hat das Innenministerium verfassungsrechtliche Bedenken. In der Expertise des Finanzministeriums wird die Befürchtung geäußert, dass “im Ergebnis erheblich weniger als 600 Millionen Euro pro Jahr für die Straßeninfrastrukturfinanzierung übrig bleiben”. Dobrindt habe die Kosten für die Einführung und den Betrieb des Mautsystems womöglich zu niedrig angesetzt.
Eine Sprecherin Schäubles sagte am Sonntag, eine erste Prüfung des Dobrindt-Konzeptes dauere an: “Alle in diesem Kontext angestellten Überlegungen sind naturgemäß vorläufig.”
Noch mehr Zweifler in der CDU
Im Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière (CDU) wird laut “Spiegel” die Gefahr gesehen, dass die Besitzer von Pkw, Kleinlastern und Lastwagen ungleich behandelt werden – was verfassungsrechtlich heikel sei. Dobrindt wies das zurück: “Mein Konzept ist grundgesetzkonform, und es ist europarechtskonform”, sagte der CSU-Politiker dem Berliner “Tagesspiegel” (Montag).
“Ausländermaut”
Die Maut, mit der ausländische Autofahrer zur Kasse gebeten werden sollen, ist ein erklärtes CSU-Projekt, Union und SPD haben sie im Koalitionsvertrag vereinbart. Deutsche Autobesitzer soll sie unter dem Strich nichts kosten, weil die Gebühr mit der Kfz-Steuer verrechnet wird. Ob das europarechtlich so geht, ist umstritten.
Große CDU-Landesverbände wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen die Pkw-Maut nicht auf Straßen in Grenznähe haben, weil dann Touristen aus Nachbarländern fernbleiben könnten. Rot-grüne Länder sowie Kommunen schlagen eine Ausweitung der bestehenden Lkw-Maut auf alle Lastwagen ab 3,5 Tonnen vor, um trotzdem mehr Geld einzunehmen. Dazu meinte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: “Lkw sind zu 95 Prozent für den Verschleiß unserer Autobahnen und Straßen verantwortlich.”
CSU tritt als dritte Koalitionspartei auf
Die CSU habe bisher alle Vorhaben der schwarz-roten Koalition mitgetragen, vom Mindestlohn bis zur Rente mit 63, betonte Seehofer. “Und wir haben keines dieser Projekte vorher zerredet. Eine solche Unterstützung erwarten wir auch bei der Maut.” Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte der Deutschen Presse-Agentur, sie erwarte, dass sich alle Beteiligten bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs fair und konstruktiv verhielten. “Fest steht: Die Maut wird kommen, und sie wird die vorgegebenen Kriterien erfüllen.”
Seehofer schloss Kompromisse bei der laufenden Ausgestaltung der Pkw-Maut durch Dobrindt erneut nicht aus, sagte aber: “Das von Alexander Dobrindt vorgelegte Modell ist das beste, das ich kenne.” Im Gespräch ist nach Angaben aus Koalitionskreisen, Landstraßen auszunehmen. Der Verkehrsminister wollte die Vignette aber für alle Straßen. Pläne Schäubles, langfristig Autobahnen von privaten Investoren gegen Maut-Gebühren betreiben zu lassen, lehnte Seehofer ab. Das würde die Bürger zusätzlich belasten: “Das wollen wir nicht.” (red/APA/dpa)
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