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"Steueroasen-Leak": Luxemburg hilft Konzernen mit Steuertricks

Medien: Luxemburg hilft Konzernen bei Vermeidung von Steuern
Medien: Luxemburg hilft Konzernen bei Vermeidung von Steuern ©dpa (Themenbild)
Geheime Dokumente zeigen, wie Luxemburg über Jahre Weltkonzerne wie Ikea, Amazon & Co. unterstützte, ihre Steuerlast in Milliardenhöhe kleinzu­rechnen. Aus Österreich soll unter anderem Benkos Signa dabei sein. Das alles passierte in der Ära Juncker. Wird der Fall für den neuen EU-Kommissionschef zum Stolperstein?

Deutsche und internationale Konzerne drücken mit Unterstützung Luxemburgs ihre Steuerlast in Milliardenhöhe. Das Großherzogtum soll über Jahre äußerst komplizierte Finanzkonstruktionen gebilligt haben.

“Luxemburg-Leak”: 28.000 geheime Dokumente ausgewertet

Die Berichte gehen auf die Auswertung von rund 28.000 Seiten geheimer Dokumente durch das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zurück, in dem sich Medien aus 26 Ländern zusammengeschlossen haben, darunter die “Süddeutsche Zeitung”, der NDR und der WDR in Deutschland sowie “Le Monde” in Paris, “The Guardian” in London und “Asahi Shimbun” in Japan. Nach Angaben des ICIJ waren an den sechsmonatigen Recherchen mehr als 80 Journalisten beteiligt.

Ikea, Amazon & Co. nutzen Luxemburg-Connection

Manche Unternehmen hätten dadurch legal auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt. In monatelangen Recherchen deckten sie auf, dass Top-Konzerne wie Ikea, Amazon, Pepsi oder Apple im großen Stil die Luxemburg-Connection nutzten.

Auch österreichische Firmen sparen Steuern

Über 1.000 Unternehmen werden von der ICIJ gelistet. Auch Unternehmen mit Österreich-Bezug tauchen auf. Darunter eine Gesellschaft vom Immokonzern Signa, die “3”-Mutter Hutchison, eine frühere BAWAG-Firma und zwei Luxemburger UniCredit-Adressen.

Rene Benkos Signa errichtete die luxemburgische IZD Holding, die laut “derstandard.at” 220 Mio. Euro in österreichische Immobilien investierte. Der Gewinn aus der Gesellschaft soll steuerfrei gewesen sein. Von Signa lag dazu zunächst keine Stellungnahme vor.

3 und Bank Austria verweisen auf die Konzernmutter

Beim “3”-Mutterkonzern Hutchison betonte der Pressesprecher in Österreich, Tom Tesch, dass “3” hierzulande Steuern zahle. “Es handelt sich dabei um ein Gruppenthema, mit dem wir lokal in Österreich nichts zu tun haben.”

Ähnlich reagierte man auch bei der Bank Austria, deren Mutterkonzern UniCredit ebenfalls auf der Liste steht. Gegenüber der APA verwies man auf die Zentrale in Mailand. Die Bank Austria habe mit der Listung der UniCredit nichts zu tun.

In den Dokumenten findet sich zudem ein früheres Konstrukt der BAWAG P.S.K., die Vindobona Finance Beta S.A. mit Sitz in Luxemburg. Diese Gesellschaft wurde laut BAWAG-Jahresbericht 2013 liquidiert. Sie war in faulen Kreditpaketen investiert.

Alle Deals der betroffenen Unternehmen wurden von dem Unternehmensberater Pricewaterhouse Coopers (PwC) unterstützt. In einem Statement betont PwC gegenüber der APA, dass “alle Beratungs- und Unterstützungsleistungen in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen und- vereinbarungen erbracht werden.”

Weniger als ein Prozent Steuern abgeführt

Die Behörden Luxemburgs hätten teils äußerst komplizierte Finanzstrukturen genehmigt, mit deren Hilfe manche Unternehmen auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt hätten, hieß es unter anderem in der “Süddeutsche Zeitung”. Demnach half die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers insgesamt 340 Firmen zwischen 2002 und 2010, von Luxemburg die Zustimmung zu Konstrukten zu erhalten, um ihre Steuerlast zu drücken.

Nachbarn “gigantische” Verluste beschert

Den Berichten zufolge legten die Konzerne den luxemburgischen Behörden vorab ihre Steuerpläne vor. Demnach wurden diese in sogenannten “rulings” fast immer genehmigt. Der US-Steuerexperte Richard Pomp sagte dem ICIJ, Luxemburg habe eine “sehr nutzerfreundliche Steuerbehörde”. Die “Süddeutsche Zeitung” schrieb von teils “absurden Steuervermeidungskonstruktionen mit Steuersätzen von bisweilen weniger als einem Prozent”, die den Nachbarn “gigantische” Verluste beschert hätten.

Laut den Ergebnissen des Rechercheverbands wurden etwa über Niederlassungen in Luxemburg firmeninterne Kredite vergeben, wodurch sich die Steuerlast in anderen Staaten dramatisch verringerte. Zudem seien Fondsgesellschaften gegründet worden, die so konstruiert gewesen seien, dass bei Immobilienprojekten in mehreren europäischen Ländern kaum Steuern angefallen seien. Viele der Firmen hätten jedoch nur eine marginale Präsenz in dem kleinen Großherzogtum unterhalten.

Die Steuertricksereien mit Tochterfirmen, Zinsen und Dividenden sind im Kern schon länger bekannt und umstritten, weshalb auch die EU-Kommission dagegen vorgeht.

Juncker gerät massiv unter Druck

Pikant ist, dass viele der Praktiken in die Zeit fielen, als der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Premierminister von Luxemburg war. Unter ihm stieg das kleine Herzogtum zum zweitgrößten Investment-Zentrum der Welt nach den USA auf. Juncker steht erst seit Anfang November an der Spitze der Kommission. Damit führt er nun die Behörde an, die gegen Luxemburg ermittelt.

SPD-Finanzexperte Carsten Schneider verlangte umgehend Aufklärung von Juncker, der auch zwei Jahrzehnte Finanzminister Luxemburgs war. Juncker müsse sagen, was er von den Handlungsweisen der Behörden seines Landes gewusst habe. Die Linkspartei warf Juncker Beihilfe zur Steuerhinterziehung großer Konzerne vor, die ihre Steuerlast teils fast auf Null gesenkt hätten.

Das sei skandalös, kritisierte Fraktionsvize Sahra Wagenknecht: “Das finde ich schon bemerkenswert, dass Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Beihilfe dafür, dass große Konzerne die Allgemeinheit in Europa in Milliarden- und Billionenhöhe schädigen können, (…) offensichtlich für höchste Ämter in Europa prädestiniert.”

Luxemburg hält Steuerpraktiken für rechtmäßig

Die luxemburgische Regierung hält die Steuerpraktiken im Großherzogtum für rechtmäßig, räumt aber ein politisches Problem durch günstige Steuervereinbarungen mit internationalen Konzernen ein. “Luxemburg hält sich an nationale Gesetze und internationale Gesetze”, sagte Regierungschef Xavier Bettel. “Wir sind absolut auf dem Weg zur Steuergerechtigkeit.” Die Enthüllungen über Vereinbarungen mit Unternehmen “werfen natürlich kein gutes Licht auf Luxemburg”, fügte er hinzu.

Finanzminister Pierre Gramegna verwies darauf, dass es ähnliche Praktiken in vielen anderen Ländern gebe. Die betroffenen deutschen Konzerne betonten nach Angaben der “Süddeutschen Zeitung”, dass sie stets legal arbeiteten. Die Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers, die den Firmen bei den Luxemburg-Geschäften half, habe betont, sie handele in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen.

Brüssel geht gegen Steuerkonstrukte vor

Die EU-Kommission bekräftigte ihr Vorgehen gegen fragwürdige Steuerkonstrukte: “Wir gehen gegen alle Mitgliedsstaaten gleichermaßen vor, die durch Steuermaßnahmen bestimmten Unternehmen ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gewähren.” Solche versteckten staatlichen Beihilfen sind nach EU-Recht verboten.

EU zu Sanktionen gegen Luxemburg bereit

So sei die Kommission auch zu einer Bestrafung Luxemburgs bereit, falls das Land mit seinen Steuerpraktiken EU-Regeln gebrochen hat.  Es liefen bereits Ermittlungen zu den Steuernachlässen für Unternehmen in Luxemburg, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas am Donnerstag in Brüssel. “Wenn die Entscheidung negativ ist, wird Luxemburg Korrekturen vornehmen müssen.”

Prüfverfahren gegen Irland, Niederlande und Luxemburg

Seit Sommer 2013 laufen vier Prüfverfahren gegen Irland, die Niederlande und Luxemburg. Dabei geht es um den Verdacht illegaler Steuervorteile für den Online-Händler Amazon und für die Finanztochter des Fiat-Autokonzerns (Fiat Finance and Trade) in Luxemburg. Zudem prüft Brüssel eine mögliche steuerliche Begünstigung für Apple in Irland und Starbucks in den Niederlanden.

Juncker behält seine Meinung lieber für sich

Juncker hatte am Mittwoch in Brüssel auf die Frage nach diesen Fällen bekräftigt: “Die Kommission wird ihre Arbeit machen. Ich werde mich in dieses Dossier nicht einmischen. (…) Ich habe eine Meinung dazu, aber ich werde diese für mich behalten.” Neue EU-Wettbewerbskommissarin ist die Dänin Margrethe Vestager. (dpa/APA/red)

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