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Sterbehilfe-Prozess - Staatsanwältin plädierte auf Mord

Im fortgesetzten Salzburger "Sterbehilfeprozess" wird heute, Mittwoch, ein Urteil erwartet. Am Vormittag wurden die Plädoyers gehalten, auch der Angeklagte, der pensionierte Lungenfacharzt Helmut Wihan (68), der einer 70-jährigen Frau aus dem Salzburger Flachgau auf deren Wunsch am 13. Juni 2006 drei tödliche Injektionen verabreicht haben soll, kam noch einmal zu Wort.

Die Staatsanwältin plädierte auf Mord, der Verteidiger auf Tötung auf Verlangen. Er ersuchte das Schwurgericht um eine bedingte Strafe. Wihan bedankte sich bei allen Prozessbeteiligten “für das ausgesprochen faire Verfahren”.

Staatsanwältin Elvira Gonschorowski-Zehetner hielt an der Mordanklage fest. Sie berief sich in ihrer Argumentation auf das psychiatrische Gutachten des Grazer Universitätsprofessors Peter Hofmann: Die Frau aus Obertrum “litt über Jahrzehnte hindurch an einer Depression. Dabei handelt es sich nicht um Gemütsschwankungen, sondern um eine Krankheit. Typisch für das Krankheitsbild ist der Wunsch zu sterben. Hofmann sagt, aufgrund dieser Erkrankung konnte sie keinen freien Sterbewillen bilden.”

Dass die 70-Jährige krank im Sinne einer Depression gewesen sei und deshalb das Leben nicht mehr lebenswert empfunden habe, “hat Wihan gewusst”, so Gonschorowski-Zehetner. Auch dass es ihr immer wieder bessergegangen sei, wenn der Angeklagte, andere Freunde oder Verwandte sich mit ihr getroffen und sie dabei aufgeheitert hätten. “Im Juni 2006 war sie subjektiv unglücklich, man hat ihr das seelische Rückgrat gebrochen, weil der Sohn sie erst zwei Wochen nach ihrem Geburtstag besuchen wollte”, zitierte die Staatsanwältin Aussagen aus dem Beweisverfahren. “Da befand sie sich nicht in einer stabilen Phase.” Doch bisher hätten sie nahestehende Menschen immer wieder davon herausgeholen können.

Der Angeklagte hat im Prozess gemeint, er hätte alle Mittel ausgeschöpft, um die langjährige Freundin von der Tat abzuhalten. Diese Ansicht vertrat die Staatsanwältin nicht. “Das Mindeste wäre gewesen, einen Allgemein-Mediziner zu rufen. Man kann Personen einweisen und einer Behandlung zuführen. Depressionen sind behandelbar. All das hat Wihan unterlassen.” Im Bewusstsein, dass die Frau an einer Depression leide, habe er ihren Tod durch eine Mischintoxikation von Tramadol und Methadon herbeigeführt. “Ist das ein Helfen? Ich glaube es ist etwas anderes: Die Frau konnte keinen Sterbewillen bilden, Wihan wusste davon und war bereit, sie zu töten.”

Das Beweisverfahren habe eindeutig die Schuld des Angeklagten ergeben, meinte Privatbeteiligtenvertreter Kurt Jelinek. Es gehe nicht um das Lebenswerk des Arztes, sondern um die Sterbehilfe. Dazu müsse man eine Kommission und Gutachten herbeiführen und die Familie einbinden. Letztendlich werde dem Sterbewilligen ein Getränk gegeben, das er selbst nehme. Wihan, der einen ärztlichen Eid geleistet hatte, habe eigenmächtig gehandelt. “Er spielte Gott.”

Ein Motiv, das Wihan nach eigenen Angaben fehlte, will der Rechtsvertreter des Sohnes der Verstorbenen aber sehr wohl erkannt haben: “Seine finanzielle Situation war schlecht. Er hatte einen Hausumbau, keine Einnahmen und aufgrund eines Verkehrsunfalls mit einem geborgten Porsche eine Rechnung über 19.000 Euro erhalten.” Nach der Tat habe der Arzt ein Kuvert mit 27.000 Euro von der Verstorbenen mitgenommen und es dann im Garten versteckt, bis er es schließlich der Polizei übergab, so der Rechtsanwalt.

Jelinek warf dem Angeklagten vor, mehrmals gelogen zu haben. Seine Angaben, er hätte die Injektion in den Arm gespritzt, stimmten laut gerichtsmedizinischem Gutachten nicht. Die Spritzen seien in den Unterschenkel, das Sprunggelenk und den Fuß gesetzt worden. Es habe sich auch nicht um Morphium, sondern um Tramadol und Methadon gehandelt. Und die Rufdatenauswertung habe ergeben, dass nicht nur die Flachgauerin Wihan, sondern er selbst die Frau immer wieder angerufen habe. “Wenn er kein Motiv hatte, hätte er sie umstimmen müssen.” Der Anwalt forderte ein Teilschmerzensgeld in der Höhe von 5.000 Euro.

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