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Steigende CoV-Zahlen für Anschober kein Grund zum Alarmismus

Die Lage ist für Anschober überschaubar
Die Lage ist für Anschober überschaubar ©APA/Archiv ©APA/Themenbild
Nach dem VfGH-Entscheid bildete sich in Österreich ein "Fleckerlteppich" beim Umgang mit den Corona-Regeln.
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Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist in Österreich bis Freitagvormittag im Tagesvergleich um 115 Fälle gestiegen. Im Vergleich zum März seien die jetzigen Zuwächse jedoch "kein Grund für Alarmismus", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei einer Pressekonferenz in Wien. Denn mit 99 wieder Genesenen beträgt der Anstieg bei aktiv Infizierten 16: "Das ist nicht viel".

115 Fälle seien zudem einmal deutlich weniger als die am Donnerstag gemeldeten 170. Das Ziel sei jetzt klar, nämlich zu verhindern, dass die Zuwächse überschwappen: "Eine exponentielle Kurve muss mit aller Kraft vermieden werden", sagte der Ressortchef, man müsse "eine Sinuskurve erreichen", also die Kurve der Anstiege wieder "runter drücken".

Frühe Identifizierung entscheidend

"Das entscheidende Kriterium ist die frühe Identifizierung", sagte Daniela Schmid, Leiterin der Abteilung Surveillance und Infektionsepidemiologie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Daher gelte es innerhalb von 24 Stunden nach Krankheitsbeginn den Abstrich zu haben, und dann weitere 24 Stunden bis zur Fallbestätigung einzuhalten, so Schmid zu Anschobers Plan, die 48 Stunden hier festzulegen.

Primär seien die Testungen bisher über die Gesundheitshotline 1450 in die Wege geleitet worden, es gelte nun anzudenken, das Setting besonders für den Herbst zu verändern. Anschober ergänzte, dass man bereits jetzt breiter aufgestellt sei, da neben 1450 nun auch ein Zugang zu Testungen über Hausärzte und mehr Testungen im Rahmen der Screenings erfolgen.

"Mäßiger Anstieg" seit Ende Juni

Aktuell sprach die Infektionsepidemiologin von einem "mäßigen Anstieg seit Ende Juni", die geschätzte Steigerungsrate der SARS-CoV-2-Infektionen in Österreich wurde von der AGES ebenfalls erhoben. Sie lag für den 21. Juli, basierend auf den vorangegangen 13 Tagen, bei einem Plus von 2,7 Prozent - vor rund einem Monat lag diese Steigerungsrate der Zahl der Fälle bei 2,5 Prozent. Was die Cluster betrifft, so wurden mit dem Datenstand vom gestrigen Donnerstag 9.297 von insgesamt 20.133 Fällen einem der 1.004 registrierten Cluster zugeordnet.

In Österreich sei der Anstieg zwar "stabiler", sagte Anschober zur derzeitigen Entwicklung, "insgesamt erfüllt uns diese Entwicklung natürlich mit Sorge." Angesichts der dramatischen Anstiege international gebe es "tatsächlich eine sehr, sehr dramatische Situation für die Weltgemeinschaft". Am Freitagvormittag gab es 103 Covid-19-Patienten in Spitalsbehandlung, ein Plus von einer Person. 17 Erkrankte waren auf Intensivstationen, auch dort sei eine leichte Zunahme zu erkennen, sagte Anschober. Die Zahl der an den Folgen des Coronavirus verstorben Menschen ist seit einer Woche bei 711 Opfern stabil.

Appell an die Bevölkerung

Die Strategie in Österreich stützt sich unter anderem auf Tests. Bisher wurden laut Anschober 883.000 Testungen durchgeführt, aktuell hob er "starke" Umfeld-Testungen und Screeningprogramme hervor. Außerdem kündigte der Gesundheitsminister "konsequentes Handeln" bei der Einreise aus Risikogebieten an, wo am Freitagnachmittag die entsprechende Verordnung veröffentlicht werden soll. Als dritten Punkt nannte Anschober die seit Mitternacht geltende Ausweitung der Maskenpflicht.

"Meine Bitte, mein Appell ist, dass wir uns in dieser Situation wieder alle gemeinsam ganz stark auf die Abwehr der Pandemie konzentrieren", richtete er der Bevölkerung aus. Neue Studien aus den USA würden aufzeigen, dass der Mund-Nasen-Schutz zuerst deutlich unterschätzt worden sei.

Rhinovirus massiv angestiegen

Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Wissenschafterin vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien, wies erneut auf die starke Zunahme der respiratorischen Viren insgesamt hin, die eigentlich verstärkt in kalten Jahreszeiten auftreten. Der Rhinovirus sei massiv angestiegen, ein Hinweis dafür, dass dies auch bei Corona der Fall sei. Und der Nachweis von Coronaviren wurde nun auch wieder im Rahmen des "Sentinel-Systems" festgestellt, bei dem rund 200 Ärzte in ganz Österreich stichprobenartig Nasen-Rachen-Sekret von Patienten entnehmen und auf Viren untersuchen. Wochenlang gab es keine Fälle, jetzt aber ein "erster Fall vergangene Woche, und drei diese Woche. Dies ist der zweite Hinweis, dass es mehr Fälle gibt. Eine Zunahme ist da, wir werden sehen, wie es in den nächsten Wochen weitergeht", schloss die Expertin

Angesichts der von der Wiener Polizei ausgesetzten Anzeigen und Organstrafmandate bezüglich der Corona-Beschränkungen gebe es "keinen Grund, die Strafen infrage zu stellen", sagte Gesundheitsminister Anschober in Wien. Doch auch in Anschobers Heimatbundesland Oberösterreich wird nach dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) nicht mehr gestraft.

"Fleckerlteppich" bei Corona-Regeln

Nach dem VfGH-Entscheid am Mittwoch bildete sich in Österreich ein "Fleckerlteppich" beim Umgang mit den Corona-Regeln. Die Vorgangsweisen der österreichischen Landespolizeidirektionen (LPDs) reichen von der Aussetzung in Wien bis zum Weitermachen wie bisher in Tirol, so das Ergebnis einer Erhebung der APA-Bundesländerbüros zum Agieren der LPDs in den jeweiligen Bundesländern am Freitag.

Das Innenministerium erachtet die Rechtslage bei den Corona-Schutzmaßnahmen nach dem VfGH-Erkenntnis zu den Ausgangsbeschränkungen derzeit jedenfalls für "unklar" Deshalb erteilte es den Landespolizeidirektionen am Donnerstag den Auftrag, mit den zuständigen Gesundheitsbehörden Rücksprache zu halten und die weitere rechtliche Vorgehensweise "in ihrem Wirkungsbereich zu klären".

Wien verzichet auf Anzeigen

In Wien hat sich die Landespolizeidirektion nach einer Besprechung mit MA15 darauf verständigt, auf Anzeigen und Organmandate bis zur Klärung zu verzichten. Die Wiener Magistratsdirektion kritisierte am Freitag gegenüber der APA diese Vorgehensweise jedoch. Es handle sich um eine bundesweite Frage, da es um bundesweite Gesetze und Verordnungen gehe. Die Wiener Polizei betonte, dass Gesetze bzw. Verordnungen und deren Inhalt die Verantwortlichkeit des Gesundheitsministeriums betreffen. Für die Vollziehung sind jedoch wieder die Gesundheitsbehörden der Länder zuständig, die Exekutive wirkt am Vollzug jedoch mit.

"Zurückhaltung" in Vorarlberg

Ganz im Westen, in Vorarlberg, heißt das Motto nach dem VfGH-Entscheid "Zurückhaltung" bei der Erstattung von Anzeigen und der Einhebung von Organmandaten, erst einmal werde nun "alles überprüft", wie es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner hieß. In Tirol gebe es vorerst keine Änderung der Vorgangsweise, das heißt, es wird im Fall des Falles nach wie vor gestraft, so ein Polizeisprecher. Es habe auch bis dato keine gegenteilige Anordnung der Gesundheitsbehörde gegeben, die in erster Linie zuständig sei. Zu Anzeigen bzw. Organmandaten komme es aber vor allem bei wiederholtem Zuwiderhandeln, sonst werde ermahnt.

"Grundsätzlich defensiv" ist die Strategie in der Stadt Salzburg, wie es aus dem Magistrat hieß. Die Landespolizeidirektion Salzburg war am Freitagnachmittag noch ohne Entscheidung über die weitere Vorgehensweise. Eine Sprecherin des Landes kündigte an, dass man in den nächsten Tagen beobachte, wie die neue Verordnung, die seit heute in Kraft ist, von der Bevölkerung eingehalten werde.

In Kärnten wird weiter gestraft

In Kärnten wird "im Ernstfall" weiter gestraft, jeweils auf Anweisung der Gesundheitsbehörden, hieß es beim Landespressedienst. Grundlage seien aufrechte Verordnungen. Prinzipiell gehe es aber nicht ums Strafen, sondern ums Aufklären. In der Steiermark wird wie bisher ermahnt und erst dann gestraft, bei schweren Verstößen bzw. bei Uneinsichtigkeit erfolgten Strafen und Anzeigen. Dies wurde mit dem Amt der steirischen Landesregierung im Einvernehmen festgelegt.

Die Polizei in Niederösterreich will Übertretungen durch Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung entgegenwirken. "In schwerwiegenden Fällen behalten wir uns dennoch Anzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörde vor", teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

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(APA)

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