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Statt „Kohle“ viel Sinn

©VN/Matt
Warum wählen Menschen geistliche Berufe? Bruder Hans erzählt.

Als Kapuziner ist Hans Pruckner ein Vorarlberger auf Zeit. Mag sein, dass ihn sein Provinzial dereinst woanders braucht. Dann wird er die Koffer packen. So wie er vor vier Jahren aus Gera in der ehemaligen DDR nach Feldkirch berufen wurde: persönlich mittellos, zum Gehorsam verpflichtet und ohne Aussicht auf Partnerschaft oder Familie. Das hat er ja versprochen: Armut, Keuschheit, Gehorsam. Am 15. Mai betet die katholische Kirche weltweit um geistliche Berufe. Darum also, dass mehr Menschen so einen Weg einschlagen. Aber warum sollten sie das?

„Da ist was dran“

„Kohle machen“ war nie sein Ding. Deshalb stört es Franz Pruckner auch nicht, dass er etwa kein Auto besitzt. Der gebürtige Amstettner ging bei den Benediktinern im Stift Seitenstetten ins Gymnasium. Der „Vierkanter Gottes“ ist ein Ausbund barocker Prachtentfaltung. Hier erlebt Pruckner seine Jahre der Rebellion. Wie sich’s gehört. „Alles hinterfragt“ hat er. Aber mit 17, 18 Jahren entdeckt er für sich, „dass da was dran ist am Glauben“. Jeden Donnerstag gönnen sich manche Schüler in der Kirche eine halbe Stunde Stille. Freiwillig. Er geht auch hin. „Ich hatte keine Ahnung von Meditation.“ Hans Pruckner ist „einfach da gesessen, und es hat mir gefallen“. Er hat dann in Salzburg Theologie studiert, bei Kapuzinern gewohnt und ist bei ihnen in den Orden eingetreten. Er wurde nicht Priester. Das hat er auch nicht vor. Pruckner ist Religionslehrer. Als Kapuziner lebt er dort, wo der Orden ihn braucht. Das war bislang in Irding und Wien. „Die glücklichste Zeit als Kapuziner habe ich in Gera verbracht.“ Im thüringischen Gera spielt Kirche kaum eine Rolle. „Von 80 Menschen ist einer Katholik.“ Bruder Hans Pruckner hat zwei Jahre lang mit einem anderen Kapuziner in einer Sozialwohnung gelebt. Neben Alkoholikern, gescheiterten Existenzen. Er hat dort Religion unterrichtet. Vor allem aber brachte er die kranke Nachbarin regelmäßig ins Spital, für einen gehbehinderten Mann erledigte er die Einkäufe. Er hat mit den Jungs Fußball gespielt und der alkoholkranken Mutter im oberen Stock beigestanden. Ein Mitbruder, „der einige Menschen buchstäblich aus dem Dreck gezogen hat“, hat ihm einmal gesagt: Hier ist es ganz egal, was du bist. Hier zählt nur der Mensch. Heute sagt Hans Pruckner: „Ich bin so dankbar, dass ich all diesen Menschen begegnet bin.“ Selbst der Alkoholikerin, die als Schlampe verschrien war, „bin ich als Mensch begegnet. Auch sie hat eine Würde.“

„Jeder hat priesterliche Würde“

Seit vier Jahren lebt Pruckner in Feldkirch, unterrichtet Religion am Gymnasium. Dass Kirche für viele seiner Schüler keine Bedeutung hat, „akzeptiere ich“. Hans Pruckner erzählt ihnen einfach seine Sicht des Lebens. Als Vorschlag, gewissermaßen. Zu Weihnachten hat Pruckner in Amstetten einen Arbeiterpriester predigen gehört. „Der hat die Probleme, die es in der Kirche gibt, nicht schöngeredet.“ Aber er hat auch erzählt, wie wichtig es ihm ist, wenn er im Krankenhaus schwer belasteten Menschen sagen kann: „Du bist o.k., wie du bist. Da können die Menschen wieder aufatmen.“ Auf diese Weise hat in Pruckners Augen Kirche einen Sinn. „Seit 2000 Jahren gibt sie weiter, dass Gott Mensch geworden ist.“ Und jeder Christ besitzt priesterliche Würde. Wenn er anderen hilft, „ist das ein priesterlicher Dienst“. Dass ihm die Gelübde mitunter schwer fallen, will Hans Pruckner gar nicht verhehlen. „Aber das, was ich in Gera erlebt habe, wäre mit einer Familie undenkbar.“ Er hat sich für einen geistlichen Beruf entschieden, „weil ich so viel Sinn darin finde“.

ZUR PERSON

Bruder Hans Pruckner lebt als Kapuziner im Feldkircher Kloster und unterrichtet Religion Geboren: 15. Jänner 1969 Ausbildung: Theologiestudium in Salzburg Laufbahn: seit 1998 Kapuziner

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