Künftig können die Euro-Staaten mehr Schulden machen, ohne automatisch fürchten zu müssen, als Defizitsünder angeprangert und sanktioniert zu werden. Bestimmte Faktoren sollen künftig bei der Bewertung eines Staatsdefizits mindernd berücksichtigt werden. Für Deutschland sind dies vor allem die Milliardenkosten für den so genannten Aufbau Ost im Zuge der deutschen Wiedervereinigung.
Einige Staaten – neben Deutschland vor allem Frankreich – bemühten sich seit Jahren darum, den Pakt flexibler zu machen; die anderen Euro-Partner, darunter Österreich mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser, wollten vor allem verhindern, dass praktisch alle defizitmindernden Ausgaben bei der Schuldenberechnung berücksichtigt werden.
Die nunmehr angebotene Formulierung sieht vor, dass Ausgaben für die Vereinigung Europas bei der Beurteilung von Defizitsündern berücksichtigt werden können, wenn diese einen negativen Effekt auf das Wachstum und die Haushaltslasten eines Mitgliedstaates haben. Die 3,0-Prozent-Grenze sei damit aber nicht in Frage gestellt oder untergraben worden, versicherte Juncker. Nach Ansicht von Diplomaten werden mit der nun gefundenen Kompromissformel auch die Lasten berücksichtigt, die die osteuropäischen EU-Neulinge beim Aufholprozess haben.
Als unstrittig galt zuletzt stets, dass die Haushalte in wirtschaftlich guten Zeiten stärker saniert werden sollen als bisher. Auch sollen die Länder bei der Rückführung ihrer Defizite mehr Spielraum erhalten. Als Frist werden in dem Juncker-Papier drei Jahre genannt, um ein zu hohes Defizit wieder unter die Drei-Prozent-Marke zu drücken. Bei anhaltender Wachstumsschwäche könnten zusätzlich Schritte wiederholt werden, bevor ein Strafverfahren mit Milliarden-Sanktionen eingeleitet wird.
Deutschland atmet auf
Der deutsche Finanzminister Hans Eichel begrüßte die Einigung. Es handle sich um eine gute politische Einigung. Die Kosten der deutschen Wiedervereinigung würden nun angemessen berücksichtigt. Es geht doch nicht darum, dass wir die Lizenz zum Schuldenmachen haben wollen, wehrte Eichel kritische Stimmen ab. Nach seiner Meinung kann der Pakt jetzt ökonomisch rationaler und wachstumsfreundlicher angewandt werden. Zudem ermögliche die Reform eine stärkere Einzelfallbetrachtung.
Wie zu erwarten eher kritisch kommentierte der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Einigung mit den Worten: Nicht das bestmögliche Ergebnis und keine Wunschreform. Das Paket stelle aber sicher, dass es kein Defizitspending geben werde, das ist sichergestellt, so Grasser in einer ersten Reaktion. Es werden keine Ausgabenpositionen aus der Defizitberechnung prinzipiell ausgeklammert, betonte Grasser. Es bleibe bei den drei Prozent als Defizitgrenze.
Grasser räumte ein, dass unter den neuen Regeln Defizitsündern bis zu fünf Jahre eingeräumt werden könnten, bis sie ihr Defizit wieder in Ordnung bringen, das sei aber ein worst case, ein schlimmster anzunehmender Fall. Die Regel sei, dass das Defizit binnen zweier Jahre wieder unter drei Prozent gebracht wird. Ich hoffe, wir halten uns an die Regel und nicht an die Ausnahme, so Grasser.
EU-Währungskommissar Joaquin Almunia sagte in einer ersten Reaktion auf die Einigung, er rechne damit, dass auch die EU-Kommission die Einigung der Finanzminister unterstützen werde.
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