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Sri Lanka: Furcht vor neuer Gewalt

Die Ermordung des srilankischen Außenministers Lakshman Kadirgamar hat die Angst vor neuer Gewalt zwischen den rivalisierenden Volksgruppen in dem asiatischen Inselstaat geschürt.

Ein Sprecher des Militärs verdächtigte am Samstag die Tamilen-Rebellen im Norden des Landes, hinter der Tat zu stecken. Die Rebellen, die seit 1972 für einen unabhängigen Tamilenstaat kämpfen, bestritten jede Verantwortung und verdächtigen seinerseits das Militär. Die Regierung in Colombo verhängte den Ausnahmezustand und leitete eine Großfahndung nach den Todesschützen ein.

Der 73-jährige Politiker war am Freitagabend vor seinem Haus in der Hauptstadt Colombo von unbekannten Scharfschützen niedergeschossen worden. Der Verdacht falle deutlich auf die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), da Kadirgamar in den vergangenen Wochen Drohungen von der Rebellenorganisation erhalten habe, sagte Militärsprecher Daya Ratnayake. Außerdem seien vor zwei Wochen zwei LTTE-Mitglieder festgenommen worden, die den Minister ausspioniert haben sollen.

Die LTTE nannte die Beschuldigung aus Colombo „hastig“. Rebellenchef R.S. Tamilselvan deutete an, die Täter könnten in den Reihen der Streitkräfte selbst zu finden sein. Dort gebe es Gruppen, „die an einem geheimen Plan zur Sabotierung des Waffenstillstands arbeiten.“

Der Waffenstillstand war im Februar 2002 unter norwegischer Vermittlung ausgehandelt worden. Die anschließend begonnenen Friedensgespräche stecken aber seit zwei Jahren in der Sackgasse. In den vergangenen Monaten war es wieder verstärkt zu Gewalt zwischen den beiden Volksgruppen gekommen. Die Tamilen leben im Norden und Nordosten der Insel und stellen 13 Prozent der Bevölkerung. 74 Prozent der Srilanker sind Singhalesen. Die Tamilen fühlen sich von den Singhalesen diskriminiert. Seit 1972 kämpft die LTTE für einen unabhängigen Tamilenstaat. In dem Konflikt wurden mehr als 60.000 Menschen getötet.

Der Außenminister war am Freitagabend von einem offiziellen Termin nach Hause gekommen und in seinen Swimming-Pool gestiegen. Dort wurde er von zwei Kugeln in Brust und Kopf getroffen. Trotz einer Notoperation verstarb er im Krankenhaus. Die Polizei durchsuchte in Colombo zahlreiche Häuser nach Spuren der Attentäter. Straßensperren wurden errichtet, Hubschrauber kreisten über der Hauptstadt.

Nahe des Anwesens des Ministers wurden ein Gewehr und Patronen gefunden. Auf der Toilette des Nachbarhauses wurde zudem ein Gewehrstativ entdeckt. Die Polizei nahm nach Angaben der den Rebellen nahestehenden Internetseite TamilNet die zwei tamilischen Besitzer des Hauses gegenüber der Residenz des Ministers fest.

Präsidentin Chandrika Kumaratunga verhängte nach dem Mord an Kadirgamar den Ausnahmezustand. Dieser ermächtigt die Polizei, Verdächtige ohne richterlichen Beschluss für längere Zeit festzuhalten. Touristen in Sri Lanka sind nach Angaben des Reiseveranstalters Thomas Cook davon nicht beeinträchtigt.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete das Attentat als „verbrecherisch und sinnlos“. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sprach von einem „brutalen und sinnlosen Akt“. Es sei die eindeutige Absicht der Mörder gewesen, den inneren Konflikt in Sri Lanka neu anzufachen. Die Suche nach Frieden in Sri Lanka müsse trotz der Ermordung von Kadirgamar fortgesetzt werden.

US-Außenministerin Condoleezza Rice sprach von einer „brutalen terroristischen Tat“. Der norwegische Chef-Vermittler Eric Solheim bezeichnete den Anschlag als „großen Rückschlag für den Friedensprozess“ in Sri Lanka. Es sei klar, dass sich der Verdacht auf die Befreiungstiger richte.

Kadirgamar war ein enger Vertrauter von Kumaratunga. Er hatte das Amt des Außenministers von 1994 bis 2001 und dann wieder ab 2004 inne. Der Minister war ein christlicher Tamile, der sich gegen die LTTE gestellt hatte. Er nahm für sich in Anspruch, in Staaten wie den USA und Großbritannien dafür gesorgt zu haben, dass die Befreiungstiger keine Unterstützung mehr erhielten. Mit rund einhundert Leibwächtern war er der stärkstbewachte srilankische Politiker.

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