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SPÖ: Arbeitszeit-Antrag eine "Schweinerei" und "Verrat"

Die Einbringung des ÖVP-FPÖ-Initiativantrages zur Arbeitszeitflexibilisierung inklusive Ermöglichung des Zwölf-Stunden-Tages und der 60-Stunden Woche hat am Donnerstagabend zu heftigen Debatten im Parlament geführt. SP-Abgeordneter Josef Muchitsch sprach wörtlich von einer "Schweinerei" und einem "Verrat" an den Arbeitnehmern.
Neue Arbeitszeitregelung
Arbeitszeitflexibilisierung in der Praxis

Zuvor war seitens SP-Klubobmann Andreas Schieder während der Debatte zu Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsvorhaben der EU eine Stehpräsidiale beantragt worden, da er die Zuweisung des Initiativantrages an den Wirtschaftsausschuss für “falsch” erachtete, zuständig sei vielmehr der Sozialausschuss. Die Fraktionen konnten danach in der Präsidiale keinen Konsens erzielen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) entschied daraufhin, dass die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss aufrecht bleibt.

Diese Entscheidung ließ bei der SPÖ die Wogen hochgehen. Abgeordneter Hannes Jarolim sprach via Zwischenruf von “austrofaschistischen Anwandlungen des Präsidenten”, was er auf Nachfrage der zweiten Nationalratspräsidenten Doris Bures (SPÖ) sogar noch extra wiederholte. Dafür erteilte ihm diese einen Ordnungsruf. Später bekam Jarolim dann einen weiteren – “für ihr ständiges Zwischenrufen, wegen permanenter Störungen, die sie hier machen”, wie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) begründete.

“Verrat an 3,7 Millionen Beschäftigte”

Einen emotionalen Auftritt legte SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch hin: Er kritisierte unter anderem, dass der Entwurf es ermögliche, dass Arbeitszeiten inklusive Wegzeiten bis zu 14 Stunden betragen dürfen. Auch sehe das Papier vor, dass künftig die neunte und zehnte Überstunde nicht mehr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren sind, sondern nur mehr die elfte und zwölfte.

“Das ist ein Verrat an 3,7 Millionen Beschäftigten in diesem Land”, rief Muchitsch in Richtung FPÖ und ÖVP. Und wenn noch dazu “ein derartig wichtiges Gesetz” am zuständigen Ausschuss an den Wirtschaftsausschuss “vorbeigeschwindelt” werden solle – “mit kurzen Begutachtungsfristen”, dann sei das “eine Schweinerei”. Von Kitzmüller gefragt, ob er diesen Ausdruck zurücknehmen wolle oder sie ihm einen Ordnungsruf erteilen soll, sagte Muchitsch: “Ich bin seit 2006 in diesem Haus, ich habe keinen einzigen Ordnungsruf erhalten, nur diesen nehme ich sehr gerne an.”

Wöginger weist Kritik zurück

ÖVP-Klubobmann August Wöginger wies die Kritik daraufhin zurück: “Was da jetzt ausbricht auf dem linken Flügel, das habe ich die letzten 15 Jahre nicht erlebt. Der ÖGB-Kongress hat im Austria Center stattgefunden, das hat hier nichts verloren”, verbat er sich gewerkschaftliche Töne. Den Vorwurf, das Gesetz nicht begutachten lassen zu wollen, wies er zurück. “Wir können uns auf eine zweieinhalbwöchige Ausschussbegutachtung einigen”, bot er noch einmal an. Dadurch sei es jedenfalls möglich, die Materie “ordentlich zu begutachten” – und das Gesetz noch im Juli zu beschließen. “Es ist ein gutes Gesetz und es ist kein schlechtes Gesetz.”

NEOS verstehen “Hudlerei” nicht

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker hingegen verstand die “Hudlerei” von ÖVP und FPÖ nicht, auch wenn seine Fraktion grundsätzlich für eine Flexibilisierung eintrete. Eine derartig Materie solle man aber “normal als Regierungsvorlage” einbringen und eine sechswöchige Begutachtung ermöglichen. Er hätte sich erwartet, dass sich ÖVP und FPÖ “nicht zur billigen Durchwinkmaschinerie der Regierung machen”.

FP-Klubchef Walter Rosenkranz wies letzteren Vorwurf entschieden zurück. Zur Begutachtungszeit meinte er – mit Blick auf den bis heute gelaufenen ÖGB-Kongress, wenn der Gewerkschaftbund “mit dem sich selbst Abfeiern aufhören würde”, dann hätte die Opposition genug Zeit, das Gesetz zu begutachten. Schieder hingegen ortete in der kurzen Ausschuss-Begutachtungszeit ein “schlechtes Gewissen” der Regierungsfraktionen: “Weil man weiß, diese Vorlage muss man schnell durchs Haus bringen, weil sich sonst herausstellt, was darin versteckt ist und welche negativen Auswirkungen das haben kann.”

Rossmann reitet Angriff auf Sobotka

Einen Angriff auf Sobotka wegen dessen Entscheidung auf Zuweisung an den Wirtschaftsausschuss ritt Liste Pilz-Klubchef Bruno Rossmann: “Der Präsident hat sich nämlich entschieden – ich sage auf Wunsch der Regierung – den Wünschen der Regierung entgegen zu kommen und hat eine seriöse parlamentarische Behandlung blockiert.”

Christoph Varga (ORF) zum Zwölfstundentag

Christoph Varga von der ORF-Wirtschaftsredaktion erläutert, ob der Arbeitgeber künftig den Zwölfstundentages anordnen kann und wie sich die Regelung auf die Auszahlung von Überstunden auswirkt.

ÖGB-Chef Katzian kritisiert “Raubzug”

Der neu gewählte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian hat die Regierungspläne zur Arbeitszeitflexibilisierung am Donnerstagabend scharf kritisiert. Heute habe ein “Raubzug gegen die Gesundheit und Geldbörsen” der Arbeitnehmer begonnen, stellte Katzian in der “ZIB2” fest. Der ÖGB-Chef machte klar, dass die Regierung mit dem 12-Stunden-Tag eine rote Linie überschritten habe, Maßnahmen bis hin zum Streik sind daher möglich.

Wien. Der Gesetzesentwurf enthalte viele Punkte, die zunächst genau analysiert werden müssen. Katzian stößt sich etwa am Durchrechnungszeitraum für Überstunden. Dass Arbeitnehmer die elfte und zwölfte Stunde ablehnen können, bezeichnete er als “Fake”, denn aus Angst vor einem Jobverlust würde dies kein Arbeitnehmer tun. Moniert wurde auch, dass es keine Begutachtung im Parlament geben wird.

Katzian räumte ein, dass auch der “Plan A” von SPÖ-Chef Christian Kern Passagen zur Arbeitszeit enthalte. Dieser enthalte aber auch etwa die Selbstbestimmung beim Zeitausgleich. Die Behauptung, dass sich die nun von ÖVP und FPÖ vorgelegten Bestimmungen an einer vorhandenen Sozialpartnereinigung orientiere, wies Katzian scharf zurück: “Das ist eine maximale Nebelgranate”, denn diese Einigung habe es nicht gegeben. Es sei eine “Frechheit”, das zu unterstellen: “Da werden wir noch viel Spaß miteinander haben in nächster Zeit.”

Im ÖGB will man nach einer ersten Analyse des Initiativantrags am Freitag über die weitere Vorgangsweise beraten. Am ÖGB-Kongress, der am Donnerstag zu Ende ging, habe man aber rote Linien beschlossen und der 12-Stunden-Tag sei ganz klar eine solche. Die Regierung habe mit dem Gewerkschaftsbund nicht gesprochen, kritisierte Katzian weiter. Er will sowohl mit ihr als auch mit der Wirtschaftskammer darüber sprechen.

Sollten die Gespräche nicht fruchten, sei viel vorstellbar, meinte der ÖGB-Chef auf Streiks angesprochen. “Wer glaubt, irgendeine Gewerkschaft dieser Welt nimmt das einfach so zur Kenntnis, der ist am Holzweg.” Konkrete Pläne nannte er freilich nicht, die Aktionen sollen jedenfalls spürbar sein.

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