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Spanien stürzt nach S&P-Warnschuss tiefer in die Krise

Immer mehr Menschen geraten in Spanien in den Krisenstrudel.
Immer mehr Menschen geraten in Spanien in den Krisenstrudel. ©AP
Nach der Herabstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor's steuert Spaniens Wirtschaft immer rasanter auf den Abgrund zu.

“Spanien befindet sich in einer Krise enormen Ausmaßes”, sagte Außenminister Jose Manuel Garcia-Margallo am Freitag in einem Radiointerview. S&P senkte die Kreditwürdigkeit des Landes auf eine Bonitätsnote, die nur noch wenige Stufen vom gefürchteten Ramschstatus entfernt ist. Die Märkte reagierten prompt mit steigenden Renditen auf spanische Anleihen, so dass der hoch verschuldete Staat für frisches Geld noch tiefer in die Tasche greifen muss. Damit zieht sich die Schlinge immer fester um das von einer Rezession geplagte Land, in dem fast jeder Vierte ohne Arbeit ist.

S&P sieht Euro-Zone gefordert

S&P forderte die Länder der Euro-Zone am Donnerstagabend auf, die Bewältigung der Schuldenkrise engagierter anzugehen. Sollten auf europäischer Ebene keine durchschlagenden Maßnahmen ergriffen werden, könne sich die Lage in Spanien noch verschärfen. Schon jetzt gebe es erhebliche Risiken für das Wirtschaftswachstum und den Haushalt, erklärten die Bonitätswächter von S&P. Es sei möglich, dass das südeuropäische Land dem Bankensektor erneut unter die Arme greifen müsse. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass durch die nunmehr angeschobene Arbeitsmarktreformen in absehbarer Zeit unter dem Strich neue Jobs geschaffen werden könnten.

Nur wenige Stunden nach der S&P-Mitteilung veröffentlichte das Statistikamt in Madrid Zahlen zum Arbeitsmarkt, die Öl ins Feuer gossen. So stieg die Arbeitslosenquote im ersten Quartal 2012 überraschend deutlich auf 24,4 Prozent von 22,9 Prozent im letzten Vierteljahr 2011. Sie liegt damit so hoch wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr, ist mit Abstand die höchste in der Europäischen Union (EU) und eine der höchsten weltweit. Besonders hart trifft es die Jugendlichen in Spanien, von denen jeder Zweite keine Arbeit hat.

“Zahlen sind furchtbar”

“Die Zahlen sind für jeden furchtbar und furchtbar für die Regierung”, sagte Außenminister Garcia-Margallo. Am Vorabend hatte die Madrider Regierung noch vehement die Herabstufung von S&P kritisiert. Die Ratingagentur habe nicht ausreichend die angekündigten Reformen berücksichtigt, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. “Sie werden einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage in Spanien haben.” Die Mitte-Rechts-Regierung hofft, dass die im ersten Vierteljahr eingeleiteten Arbeitsmarktreformen im kommenden Jahr Wirkung zeigen. Sie erleichtern es Unternehmen, Mitarbeiter einzustellen – aber auch sie zu entlassen. Von letzterem haben viele Firmen zuletzt rege Gebrauch gemacht.

Die deutsche Regierung betonte, sie habe Vertrauen in die Entschlossenheit Spaniens zur Bewältigung der Krise. Die bisherigen Reformschritte verdienten internationale Anerkennung und Respekt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

Die Herabstufung durch S&P war die erste, seit Ministerpräsident Mariano Rajoy im Dezember die Regierungsgeschäfte übernahm. Die Ratingagentur setzte den Ausblick auf negativ und senkte die Bewertung um zwei Stufen auf BBB-plus von zuvor A. Damit befindet sich Spanien auf demselben Niveau wie Italien. Die anderen beiden großen Ratingagenturen, Fitch und Moody’s, haben ebenfalls einen negativen Ausblick. Sie bescheinigen Spanien aber weiter eine hohe Kapazität, die Schulden zurückzuzahlen und bewerten sie mit A und A3.

Italien droht in den Sog der Krise zu geraten

Spanien gilt seit längerem an den Finanzmärkten als Wackelkandidat. Der Refinanzierungsbedarf der Bankenbranche hat zuletzt Sorgen geschürt, das Land müsse auf Hilfsgelder seiner internationalen Partner zurückgreifen. Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben die angeschlagenen Geldhäuser aber ausreichend Kapital, um die Rezession zu überstehen. Zuletzt zeigte sich die Regierung in Madrid zuversichtlich, ihr Sparziel für dieses Jahr zu erfüllen. Mit Hilfe eines strikten Sparkurses von mehr als 27 Mrd. Euro will Spanien einen Fehlbetrag von 5,3 Prozent nach Brüssel melden. Im vergangenen Jahr waren es noch 8,5 Prozent.

Die drastischen Sparbemühungen sollen dazu führen, dass die Finanzmärkte wieder Vertrauen in das hoch verschuldete Land fassen. Zwar kann Spanien noch erfolgreich den Kapitalmarkt anzapfen, muss die Anleger aber zunehmend mit höheren Zinsen locken. Am Freitag stiegen die Renditen für zehnjährige Anleihen zunächst wieder über die psychologisch wichtige Marke sechs Prozent, gingen später aber auf 5,97 Prozent zurück. Der Schritt der Bonitätswächter sei schließlich keine allzu große Überraschung, hieß es an den Märkten.

Dennoch geriet Italien im Sog Spaniens an den Finanzmärkten wieder stärker unter Druck. Das Land musste am Freitag bei der Platzierung von Staatsanleihen Investoren so hohe Zinsen zahlen wie seit Jänner nicht mehr. Für zehnjährige Papiere stieg die Durchschnittsrendite auf 5,84 Prozent und lag damit höher als bei einer ähnlichen Auktion im März. Die Herunterstufung durch S&P brachte auch die europäischen Aktienmärkte kurzzeitig ins Straucheln. So rutschte der Dax zu Handelsbeginn auf 1,3 Prozent ab, erholte sich später aber wieder.

(APA)

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