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Soziologe und Politiker Ralf Dahrendorf tot

Der deutsch-britische Soziologe und Politiker Lord Ralf Dahrendorf ist gestorben. Dies teilte am Donnerstag der Chefredakteur der "Badischen Zeitung", Thomas Hauser, mit. Er hatte mit der Witwe gesprochen.

Dahrendorf war als Berater für die Zeitung tätig. Seinen 80. Geburtstag Anfang Mai hatte er, von Krankheit schon gezeichnet, inmitten akademischer Freunde in Oxford verbracht. Dahrendorf war einer der bedeutendsten deutschen Gesellschaftswissenschaftler. 1993 wurde er zum Mitglied des britischen Oberhauses ernannt.

Der Soziologe und Politiker Lord Ralf Dahrendorf galt als ein Vordenker der Liberalen in ganz Europa und als unabhängiger Geist. Nach wissenschaftlicher Laufbahn und Habilitation (1957) an der Universität Saarbrücken forschte er zunächst in seiner Geburtsstadt Hamburg. Später gehörte er zu den Mitbegründern der Universität Konstanz. 1988 siedelte der am 1. Mai 1929 geborene Dahrendorf nach England um, seitdem besaß er auch die britische Staatsbürgerschaft. 1993 ernannte ihn Königin Elisabeth II. zum Baron mit Sitz im Oberhaus. Mit dem “Ritterschlag” würdigte sie seinen Beitrag zu den deutsch-britischen Beziehungen.

Mitglied des Oberhauses blieb Dahrendorf auf Lebenszeit. Vor einigen Jahren war er aber nach Köln gezogen, wollte näher bei seiner Familie sein. In seiner Kölner Wohnung starb er am Mittwochabend nach kurzer, schwerer Krankheit, seine Frau war in den letzten Stunden bei ihm, wie Dahrendorfs Sprecherin Birgit Hahn der Deutschen Presse- Agentur dpa sagte. Seinen letzten großen Auftritt hatte er im April 2009 in Düsseldorf, wo er als Vorsitzender der NRW-Zukunftskommission seinen Bericht übergab, gesundheitlich schon erkennbar angeschlagen.

Zum politischen Teil von Dahrendorfs Karriere gehörten in den sechziger und siebziger Jahren ein Posten im Bundesvorstand der FDP, das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt und die Mitgliedschaft in der Kommission der Europäischen Gemeinschaft (EG) in Brüssel. Aus der FPD trat er später aus. Dahrendorf war viele Jahre Rektor der London School of Economics (1974-1984). Von 1987 bis 1997 leitete er das St. Antony’s College in Oxford. Bis zuletzt hielt er eine Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Im Juli 2007 erhielt er den renommierten Prinz-von-Asturien-Preis im Bereich Sozialwissenschaften.

Zu den Publikationen Dahrendorfs in der jüngeren Vergangenheit gehören seine “Betrachtungen über die Revolution in Europa” (1990) und der als Summe seiner Sozialwissenschaft geltende Band “Der moderne soziale Konflikt” (dt.: 1992). Zu Beginn seiner Karriere sorgte er unter anderem mit seiner Habilitationsschrift “Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft” (1957) und “Gesellschaft und Demokratie in Deutschland” (1965) für Aufsehen. Dahrendorf erhielt im Lauf seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen, unter ihnen das Große Bundesverdienstkreuz. Er war zweimal verheiratet, zuletzt mit einer Amerikanerin. Aus der ersten, geschiedenen Ehe mit einer Engländerin stammen drei Töchter. 

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