Sozialministerium verklagt Temu – Experte: Nadelstich gegen Elefant

Das Sozialministerium hat über den Verein für Konsumenteninformation (VKI) beim Handelsgericht Wien eine Verbandsklage gegen den chinesischen Billiganbieter Temu eingebracht, berichtet der "Standard". Der Vorwurf lautet, dass Kunden zur Preisgabe persönlicher Daten und zu großzügigen Ausgaben verführt würden. Als juristischer Hebel für die Konsumentenschützer dient das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und der EU Digital Services Act.
Die Manipulation der Kundinnen und Kunden und deren Benachteiligung erfolge etwa über Glücksräder, Gewinnspiele, Highscore-Tabellen, Pop-ups, Zeitdruck sowie die versteckte Zustimmung zu Werbung und Datenverarbeitung. Dazu kämen Rabatte, die nach einem Blick ins Kleingedruckte keine sind, sowie konsumentenfeindliche Services. Für ein Konto bei Temu seien nicht mehr als drei Klicks nötig. Um es zu löschen, brauche es sieben Schritte und eine Wartefrist von einer Woche.
Königsberger-Ludwig: Wer trickst, verliert
"Wer trickst, verliert – das gilt auch für internationale Online-Ramschläden wie Temu", betonte dazu SP-Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig. Wer in Europa Geschäfte mache, müsse sich an europäische Spielregeln halten. "Auch große Plattformen stehen nicht über dem Gesetz", hielt sie gegenüber dem "Standard" fest.
Wifo-Experte Michael Böheim sieht die Möglichkeiten Österreichs aber sehr eingeschränkt. Er vergleicht die Klage mit Nadelstichen eines Akupunkteurs bei einem Elefanten. Rigoros gegen Temu vorgehen ließe sich nur über die Kontrolle der Importe, bei der asiatische Billigplattformen Mehrwertsteuer und Zollhürden zu umgehen versuchten. Europäische Händler müssten den Plattformen ferner mit eigenen Geschäftsmodellen Paroli bieten – "Das Kaufhaus Österreich war keines", so der Ökonom.
Amazon unangefochtener Marktführer
Rainer Will, Chef des Handelsverbands, sieht hingegen im Vorgehen des Sozialministeriums ein wichtiges Signal. Das Hauptproblem sei aber der seiner Meinung nach mangelhafte Vollzug von EU-Regularien. "Obwohl große Plattformen wie Temu und Shein nach ihrer Benennung als ‚Very Large Online Platforms‘ gemäß Digital Services Act der Aufsicht der EU-Kommission unterliegen, umgehen sie vielfach EU-Vorgaben – meist ohne Konsequenz", ärgert sich Will. Temu sei mit einem Bruttowarenwert von mehr als 340 Mio. Euro bereits der viertgrößte E-Commerce-Marktplatz in Österreich.
Unangefochtener Marktführer im österreichischen Onlinehandel ist Amazon mit 1,2 Mrd. Euro Eigenumsatz. Inklusive Verkäufen von externen Händlern über den Amazon-Marktplatz sind es geschätzt 4,3 Mrd. Euro. Damit entfallen 40 Prozent aller Online-Ausgaben der heimischen Konsumenten auf die US-Handelsplattform, geht aus dem "E-Commerce Report 2025" von Handelsverband und ECDB hervor. Zweitgrößter Onlinehändler hierzulande ist Zalando mit 387 Mio. Euro Umsatz.
(APA)
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