Sozialhilfe - Verwirrung um "Integrationsphase" für alle

Aus dem Sozialministerium hieß es zunächst zur APA, dass die vorgesehene "Integrationsphase" nicht nur für Zuwanderer, sondern für alle Anwärter gelten soll. Dies sei schon aus Gründen der Gleichbehandlung nötig.
Verwunderung bei ÖVP und NEOS
Bei ÖVP und NEOS dürften diese Aussagen für Irritationen gesorgt haben, wie es in Verhandlerkreisen hieß. Eine Einigung oder einen Fahrplan konnte jedenfalls im Ministerrat am Mittwoch nicht vorgelegt werden. Im Pressefoyer nach der Regierungssitzung begründete dies SPÖ-Klubchef Philip Kucher damit, dass es sich um ein Mammutprojekt handle, das mehrere Ministerien und Länder betreffe.
Seitens der unter anderem für Integration zuständigen Ministerin Plakolm wurde klargestellt, dass die geplante Integrationsphase entgegen der Angaben aus dem Sozialressort nicht für Österreicher gelten werde. Sie unterstrich, dass es z.B. für Asylberechtigte in den ersten drei Jahren keine Sozialhilfe, sondern ein Integrationsgeld geben werde. Dessen Höhe werde sich auch an der Bereitschaft, an den vorgegebenen Sprach-, Werte- und Orientierungskursen entsprechend mitzuwirken, bemessen, wiederholte sie die bereits kommunizierten Pläne.
Ein klares Dementi kam auch seitens des dritten Koalitionspartners: Angaben, wonach es solch eine Phase auch für Österreicher geben soll, hätten nichts mit der Realität zu tun, versicherte NEOS-Klubobmann Yannick Shetty. Gleichzeitig meinte er, wenn gestritten werde, dann hinter verschlossenen Türen. Auch die Vertreter der anderen beiden Koalitionspartner wollten nichts dramatisieren.
Pläne bereits im Regierungsprogramm grob verankert
Die Pläne der Regierung für die "Sozialhilfe NEU" wurden bereits im Regierungsprogramm grob skizziert, ohne allzu konkret zu werden. Die dort festgehaltene Einführung einer "Integrationsphase" zielt freilich dennoch auf Zuwanderer ab - vorwiegend auf Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte - und soll die Integration fördern.
Entwurf soll bereits vorliegen
Der "Standard" berichtete unterdessen am Nachmittag von einem ihm vorliegenden "fertigen Entwurf" für die "Sozialhilfe NEU". Eine Bestätigung gab es dafür auf APA-Anfrage aus den Regierungskabinetten nicht.
Vorgesehen ist laut Standard in dem Entwurf der schon im Regierungsprogramm vorgesehene Plan der bundesweiten Vereinheitlichung, ebenso die schon angekündigte geplante Betreuung arbeitsfähiger Bezieherinnen und Bezieher über das Arbeitsmarktservice (AMS). Auch Sanktionen sollen vereinheitlicht werden, sofern Betroffene nicht ausreichend an ihrer Arbeitsmarktintegration mitwirken. Nicht arbeitsfähige Menschen sollen hingegen wie schon angekündigt weiterhin von den Ländern betreut werden. Auch für die "finanziellen Aspekte" der "Sozialhilfe NEU" sollen die Länder verantwortlich sein.
Zur geplanten Einführung eines verpflichtenden Integrationsprogramms in Verbindung mit einer "Integrationsbeihilfe" heißt es laut Standard im Entwurf, dass durch "Integrationspflichten die Eigenverantwortung der Betroffenen gestärkt" werden solle. "Entlang verfassungs- und europarechtlicher Möglichkeiten" werde eine "bis zu dreijährige Integrationsphase" eingeführt. In dieser Zeit würden "jedenfalls weniger Leistungen im Vergleich zur vollen Höhe zur Verfügung stehen".
Deutscherwerb zentral
In Zusammenwirkung mit dem verpflichtenden Integrationsprogramm "ab Tag eins" würden der Deutscherwerb sowie die "Wertevermittlung konsequent eingefordert", zitiert der Standard weiters aus dem Entwurf. Konkretes zu Konsequenzen findet sich nicht darin: "Wird den Verpflichtungen nicht nachgekommen, schaffen zeitnahe Leistungskürzungen Verbindlichkeit", heißt es laut dem Bericht lediglich.
Vorgesehen sind demnach auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut und Verbesserung der "Chancengerechtigkeit" aller Kinder und Jugendlichen - ein Punkt, den vor allem die SPÖ stets einforderte (Stichwort "Kindergrundsicherung").
"2-Säulen-Zukunftssicherung"
Im Entwurf ist laut "Standard" von der "Einführung einer 2-Säulen-Zukunftssicherung" die Rede. Kinderarmut soll damit bis 2030 halbiert werden. Die "erste Säule" soll der Ausbau von Sachleistungen und "kindgerechter sozialer Infrastruktur" sein. Bei der "zweiten Säule" gehe es um die Weiterentwicklung und Optimierung bestehender "Transferleistungen", etwa die "Anpassung bei der Altersstaffel der Familienbeihilfe" und die Erhöhung der "Take-up-Rate von Familien- und Sozialleistungen". Geld- und Sachleistungen sollen nun von Bund, Ländern und Gemeinden erhoben und auf Überschneidungen und Zielgenauigkeit überprüft werden.
Zum Zeitplan heißt es, dass laufende Gespräche "umgehend fortgesetzt" würden. Im Oktober soll es dann zu einer Auftaktsitzung mit Ländervertretern und den Sozialsprechern der Regierungsparteien kommen. Ziel sei, dass die Reform am 1. Jänner 2027 in Kraft trete.
Kritik von FPÖ und Grünen
Kritik kam von der Opposition. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sah die Koalition "völlig funktionsunfähig", da sie sich nicht einigen könne. Ähnlich klang Grünen-Sozialsprecher Markus Koza. Der Nicht-Beschluss zeige einmal mehr, dass diese Regierung zwar Weltmeister im Ankündigen, aber Schlusslicht bei der Umsetzung sei.
Caritas gegen einseitige Kürzungen nur für Zuwanderer
Die Caritas sprach sich in einer Aussendung gegen ein "Hick-Hack auf dem Rücken der Ärmsten" aus. "Unser Appell lautet: Anstatt Schnellschüssen und Teilreformen brauchen wir eine bundesweite Regelung, die den Sozialhilfe-Fleckerlteppich beendet und das letzte soziale Netz in Österreich sichert", sagte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler.
Den Aussagen Plakolms, wonach die geplante Integrationsphase nicht für Österreicher und Österreicherinnen gelten werde, hielt Tödtling-Musenbichler ein von der Caritas beauftragtes Rechtsgutachten entgegen. In diesem werde deutlich, dass rechtlich gleichgestellte Personen in der Sozialhilfe nicht ungleich behandelt werden dürften. "Entsprechend wären Kürzungen, die z.B. nur asylberechtigte Personen treffen sollen, rechtlich nicht haltbar", so Tödtling-Musenbichler.
"Der geplante Integrationsbeitrag - laut Regierungsprogramm um 250 Euro weniger als die Sozialhilfe - trifft junge Erwachsene ohne Jobchancen, Asylberechtigte, die während ihres Verfahrens de facto nicht arbeiten können, subsidiär Schutzberechtigte und Auslandsösterreicher und Auslandsösterreicherinnen. Damit werden Menschen fürs Nicht-Arbeiten in der Vergangenheit bestraft, obwohl sie nie arbeiten durften oder konnten".
VfGH kippte Staffelung der Kindersätze 2019
Für Kinder gelten aktuell je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) waren ursprünglich Höchstsätze für Kinder vorgesehen: Als Grundlage diente der Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz (2025: 1.273,99 Euro). Für das erste Kind betrug der Höchstsatz laut dem damaligen Gesetz 25 Prozent der Ausgleichszulage, für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind 5 Prozent. Diese Regelung wurde im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt, da diese als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet wurde.
Die Kinderrichtsätze werden daher aktuell von den Ländern selbst festgelegt, es gibt keine Vorgabe des Bundes mehr.
(APA)
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