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Sonntagsöffnung: Gewerkschaft empört über Mahrer-Vorstoß

Uneinigkeit über Sonntagsöffnung auch in der WKÖ.
Uneinigkeit über Sonntagsöffnung auch in der WKÖ. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Der Wirtschaftskammerpräsident fordert nach dem Lockdown eine Sonntagsöffnung und längere Handelsöffnungszeiten. Die Gewerkschaft zeigte sich am Donnerstag empört.
Mahrer für Sonntagsöffnung nach Lockdown

"Wir sind mehr als überrascht und verärgert. Mit uns wurde nicht einmal das Gespräch gesucht", sagte Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, am Donnerstag zur APA. Auch WKÖ-intern gibt es Widerstand.

Gewerkschaft verärgert über "Hauruckaktion"

Mahrers Vorstoß sei eine Hauruckaktion und der Sozialpartnerschaft unwürdig, zumal es um hunderttausende Handelsangestellte gehe, die in der Coronazeit sehr belastet gewesen seien, so die Spitzengewerkschafterin. "Wir haben die Handelsangestellten dutzendfach zur Sonntagsöffnung befragt." Diese werde mit großer Mehrheit abgelehnt.

Zu einer Verlängerung der Öffnungszeiten sagte Teiber: "Schon jetzt können Geschäfte bis 21 Uhr offenhalten. Wie lang denn noch?" Auch Handelsangestellte "sind Menschen, haben eine Familie".

Das Argument, die heimischen Handelsbetriebe gegen den US-Giganten Amazon zu stärken, lässt Teiber nicht gelten. Die Gewerkschaft sei zu jeder Allianz für eine faire Besteuerung des Online-Riesen bereit. "So etwas bringt was, nicht zwei Sonntage." Für den Handel sinnvoller wäre es außerdem, die Gewerkschaftsforderung nach dem Coronatausender aufzugreifen. "Da gab es die Idee, diesen in Gutscheine umzuwandeln", sagte Teiber. Dies könnte man kommendes Jahr umsetzen, was dem Handel auch mittelfristig helfen würde. Denn: "Natürlich fehlt den Haushalten Geld."

Ablehnende Stimmen zur Sonntagsöffnung vor Weihnachten

Teiber verwies darauf, dass es selbst in der Wirtschaftskammer in einzelnen Bundesländern skeptische bis ablehnende Stimmen zur Sonntagsöffnung vor Weihnachten gebe. Peter Buchmüller, Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg und selbst Händler, ist beispielsweise gegen den Mahrer-Vorstoß. "Das wäre für den Handel nicht gut, speziell für kleine und mittlere Betriebe", sagte er der "Kleinen Zeitung". Buchmüller gab zu bedenken, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen 100-prozentigen Zuschlag bekommen müssten. "Die Frage ist, für wen das dann ein Geschäft ist - nur für die Großen", so der Salzburger WKÖ-Chef.

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik betonte gegenüber der APA in einem schriftlichen Statement: "Die Öffnung an den zwei verbleibenden Sonntagen vor Weihnachten ist einer von mehreren Vorschlägen. Weitere Maßnahmen, an die die WKÖ denkt, sind etwa eine Verlängerung der Öffnungszeiten oder aber das Einrichten von Personenleitsystemen." Hier brauche es pragmatische Lösungen, damit die Österreicher einkaufen gehen können, ohne sich anzustellen. "Ziel muss es sein, Kundenströme zu entzerren."

Im Hinblick auf eine mögliche Sonntagsöffnung vor Weihnachten sei klar, dass es "sozialpartnerschaftliche Gespräche braucht, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen", sagte Trefelik. Beschäftigte, die am Sonntag arbeiten, sollten danach frei haben, so der WKÖ-Handelsobmann. Ein weiterer Vorschlag: "Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die während des Lockdowns nicht gearbeitet haben, könnten für diese beiden Sonntage eingesetzt werden."

Dritter Lockdown müsse unbedingt verhindert werden

Die Lager der österreichischen Händler seien voll, die Ware für das Weihnachtsgeschäft sei bestellt, so der Handelsobmann. "Würde man nicht gewährleisten können, dass man in Österreich einkauft - egal ob digital oder im Geschäft - würden extrem viele Arbeitsplätze verloren gehen", so Trefelik. Ein dritter Lockdown müsse unbedingt vermieden werden, Massentests seien eine gute Maßnahme.

Von den NEOS gab es Zuspruch: "Wir sind immer auf die Sonntagsöffnung bedacht, sind schon vor Corona dafür eingetreten", sagten Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn am Rande einer Pressekonferenz. "Das würde jedenfalls für eine Entflechtung sorgen und wäre ein probates Mittel, wenn auf sieben Tage ausgeweitet wird."

Handelsverband: Personalkosten am Sonntag hoch

Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer ist mit seiner Forderung nach einer Sonntagsöffnung in der Vorweihnachtszeit nicht nur bei der Gewerkschaft und sogar kammerintern auf Ablehnung oder zumindest Skepsis gestoßen, sondern auch beim Handelsverband. Eine Sonntagsöffnung sei grundsätzlich zu begrüßen, müsse aber unbedingt auf Freiwilligkeit seitens der Händler basieren. Denn die Personalkosten am Sonntag seien hoch.

Es sei zu beachten, "dass die Personalkosten im Handel unter der Woche nach 18:30 Uhr, am Samstag ab 13:00 Uhr und am Sonntag generell aufgrund von Zuschlägen um ein Vielfaches höher sind", so Handelsverbandsgeschäftsführer Rainer Will am Donnerstag zur APA. Das sei gerade für viele kleinere Betriebe, die seit mehr als neun Monaten massiv unter der Coronakrise litten, "nicht leicht zu heben".

Überdies könne nicht jeder Händler von Umsatzzuwächsen ausgehen, in manchen Bereichen würde lediglich eine Umsatzumverteilung stattfinden. "Es darf daher keinesfalls zu einer Offenhaltepflicht kommen", so Will. "Da auch die 600.000 Beschäftigten im heimischen Handel im Coronajahr 2020 bereits belastet waren, empfehlen wir eine Sonntagsarbeit im Dezember nur auf freiwilliger Basis."

ÖVP-Arbeitnehmer: Geschmacklose Entgleisung Mahrers

Die Spitze der Arbeiterkammer und auch die Arbeitnehmervertreter des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB in Wien sind am Donnerstag auch noch in die breite Front gegen eine Sonntagsöffnung nach dem Lockdown eingestiegen. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP-Wirtschaftsbund) war dahingehend vorgeprescht. Seine Parteikollegen vom ÖAAB sprachen gar von einer "geschmacklosen Entgleisung" Mahrers.

"Ich sehe keinerlei Sinn darin, Geschäfte an Sonntagen aufzusperren, das bringt mehr Probleme für ArbeitnehmerInnen, ihre Familien und kleine Betriebe, als es der Wirtschaft insgesamt helfen kann", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl (SPÖ). Sie argumentierte mit Kinderbetreuungspflichten, die auch Alleinerziehende treffen, Gesundheitsaspekten, einer Wettbewerbsverzerrung in Richtung großer Ketten und wohl auch notwendig werdenden Zulieferer-Arbeiten an Sonntagen.

"Das Corona-Virus und den Lockdown als Hintertür zum arbeitsrechtlichen Raubbau zu missbrauchen, halte ich für schändlich", so der Chef der Wiener FCG ÖAAB AK-Fraktion, Fritz Pöltl, in einer Aussendung. Er sprach von einer "geschmacklosen Entgleisung" Mahrers. Für den Wiener FCG-Vorsitzenden Thomas Rasch ist der Vorstoß "ein unlauterer Versuch, auf dem Rücken der Handelsangestellten brutale Gewinnmaximierung zu betreiben". Zahlreiche Studien würden belegen, dass eine Sonntagsöffnung zu keiner Umsatzsteigerung führen.

Auch der Wiener FCG GPA-djp-Vorsitzende Peter Gattinger verurteilte den Vorstoß Mahrers. Die Beschäftigten seien im Weihnachtsgeschäft ohnehin schwer belastet. Und unisono meint die Wiener FCG-Führung: "Eine Politik gegen die Handelsangestellten und deren Familien werden wir nicht tolerieren."

(APA/Red)

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