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Sölden, der Start und das Virus

Ski Weltcup-Auftakt unter strengen Corona-Sicherheitsvorkehrungen und ohne Zuschauer
Ski Weltcup-Auftakt unter strengen Corona-Sicherheitsvorkehrungen und ohne Zuschauer ©APA
Der Ski-Weltcup trifft zum ersten Mal auf die derzeitige Corona-Wirklichkeit: Beim Auftakt am kommenden Wochenende im Tiroler Sölden wird die sichere Durchführung der Veranstaltung wohl genauso im Mittelpunkt des Interesses stehen wie die sportlichen Höchstleistungen.

Dieses Jahr ist jedenfalls alles anders - und fungiert die "Wettkampfzone" quasi als hermetisch abgeriegelter Bereich.

Tausende begeisterte Wintersportfans entlang der Rennpiste - dieses Bild gehört heuer der Vergangenheit an. Zu den Rennen von Damen und Herren, die coronabedingt eine Woche früher als üblich über die Bühne gehen, sind keine Zuschauer zugelassen, der Rettenbachferner ist für den Tourismus gesperrt. Man ist notgedrungen unter sich.

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200 "spezielle Gäste"

Und logischerweise doch nicht ganz, denn: 200 "Spezielle Gäste" sind für den Auftakt vorgesehen. Sie bilden neben "Teams" (Sportler und Betreuer), "Staff" und "Medien" die vier "Blasen", die das Söldener Sicherheits- und Corona-Präventionskonzept vorsieht. Alle Beteiligten - auch die Rennläufer - werden in bunte Haupt- und Unterblasen (Schneeflocken) geteilt, um Kontakte untereinander zu vermeiden. Ohne negativen Coronatest kommt keiner in seine Blase.

Das Söldener Sicherheits- und Corona-Präventionskonzept wurde der Bezirkshauptmannschaft Imst als zuständiger Behörde zur Kenntnis übermittelt, hieß es seitens des Landes gegenüber der APA - Austria Presse Agentur. Eine Genehmigung durch die Bezirkshauptmannschaft sei dafür nicht notwendig gewesen. Denn eine Bewilligungspflicht sei nach der Covid-Maßnahmenverordnung nur dann vorgesehen, wenn mehr als 250 Personen einen "zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplatz" erhalten sollen. Beim Weltcup-Auftakt in Sölden sind aber nur jene erwähnten 200 Gäste vorgesehen. Zudem verwies man seitens der Behörden darauf, dass auch die Anzahl der Personen aus den Bereichen "Sportler", "Staff" und Medien auf ein "notwendiges Minimum" reduziert wurde.

Mobile Laborstation

"Vor dem Renn-Wochenende werden alle involvierten Personen dieser drei Bereiche einem Coronatest unterzogen", erklärten die Verantwortlichen. Ab dem 14. Oktober stehe dafür auch eine mobile Laborstation, der sogenannte "LAB-Truck", für schnelle Testauswertungen zur Verfügung. Die 200 Gäste wiederum sind jeweils namentlich erfasst und erhalten einen fix zugewiesenen Sitzplatz.

Blaulicht-Organisationen und Organisatoren würden jedenfalls wie jedes Jahr in Abstimmung mit den Behörden eng zusammenarbeiten, wurde betont. Heuer allerdings unter besonderen Vorzeichen und "unter strengen Regelungen und Hygiene- bzw. Sicherheitsvorgaben". Die neue Corona-Wirklichkeit bei den Rennen in Sölden. Jenem Ort, der wie Ischgl und andere im Frühjahr wochenlang - und länger als die übrigen Gemeinden in Tirol - unter Vollquarantäne stand.

Verhaltene Stimmung in Sölden

Wenige Tage vor dem Ski-Weltcup-Opening in dem Tiroler Tourismus-Hotspot Sölden ist die Stimmung in der Bevölkerung hinsichtlich des traditionellen Sport-Events eher verhalten. Gastronomen und Hoteliers geben sich hingegen pragmatisch und vorsichtig optimistisch.

Das Bild vor Ort in Sölden ist anders als das gewohnte im Vorfeld der Weltcuprennen. Bars und Clubs, die ansonsten spätestens zum Skiweltcup ihre Pforten aufmachen, bleiben laut Aufschriften geschlossen. Auf unbestimmte Zeit oder zumindest bis Ende Oktober. Auf der Straße trifft man nur wenige Menschen. Zumeist sind es Mitarbeiter von Hotels oder Restaurants. Einige Schüler warten ganz in der Nähe eines Hotels auf ihren Bus.

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Viele Sperren gar nicht auf

Unweit davon genießen zwei Touristen aus Berlin vor einer Bäckerei die spärlichen Sonnenstrahlen und zwei Tassen Kaffee. "Wir sind nicht wegen des Auftakts hier", geben sie zu Protokoll. "Wir bleiben nur noch eine Woche", fügt das Ehepaar hinzu. Wegen dem Skiweltcup-Opening länger zu bleiben, ist für die beiden kein Thema.

Ein junger Mann um die 20, der vor einem geöffneten Lokal steht, formuliert spitz, wie sich für ihn der durch die Corona-Schutzmaßnahmen stärk veränderte Weltcupauftakt anfühlt: "Für mich wirkt es so, als ob der Auftakt ausgefallen wäre". Das Ski-Weltcup-Wochenende sei ansonsten "immer das beste Wochenende für Gastronomie und Unternehmer". Jetzt würden viele angesichts von nicht zu den Rennen zugelassenen Zuschauern und fehlenden Touristen und Fans erst gar nicht aufsperren, meint er. Zumindest "schwierig" sei es derzeit, ergänzt eine in seiner Nähe stehende Frau um die 50 lakonisch.

Zweckoptimistische Gastronomen

Gastronomen und Hoteliers üben sich indes in Zweckoptimismus. "Es ist natürlich schon merklich, dass weniger Gäste da sind", führt ein Restaurantbetreiber aus. Man werde jetzt aber einfach "abwarten, wie viele Gäste im Rahmen des Auftakts kommen", gab der Gastronom die Hoffnung nicht auf.

In ähnlichem Zweckoptimismus üben sich die beiden Chefleute eines mittelgroßen Hotels. "Deutsche Gäste bleiben natürlich weitestgehend aus", meint die Chefin des Hauses in Anspielung auf die Reisewarnung für Tirol. Aber es sei dennoch "gut, dass es den Weltcup überhaupt gibt", betont der Hausherr. Wie früher werde es aber nicht, sind sich beide einig: "Früher hat zum Weltcup hin alles aufgesperrt, das ist heuer nicht so". Man hoffe aber zumindest auf Gäste aus Ländern, in denen keine Reisewarnung für Tirol besteht, so die beiden Hoteliers.

"Schmerzt" Tirols Touristiker sehr

Entscheidend sei heuer dagegen, dass sich möglichst viele Menschen die Skirennen vor dem Bildschirm zu Hause anschauen. "Die Medienleistung findet ja trotzdem statt", sagte Tourismusverband-Obmann (TVB) Oliver Schwarz im APA-Gespräch. Für gewöhnlich rechne man mit einem Werbewert von acht Mio. Euro und 20 Mio. Zuschauern bei 150 Stunden Sendezeit - die Erwartungen seien in diesem Jahr ebenso hoch, aber "die Fernsehzahlen kann man erst danach anschauen", räumte er ein.

Für Schwarz wie auch für Tirol Werbung-Geschäftsführer Florian Phleps "schmerzt" es sehr, den Saisonauftakt ohne Publikum abzuhalten. Phleps hielt diese Entscheidung der Veranstalter jedoch für gut - Sölden erfülle hier sogar "die Rolle eines Pioniers". "Diese Rennen werden als Vorbild für alle weiteren Weltcupstationen in diesem Jahr dienen", meinte er.

"Nachfrage gegen Null"

Doch nicht nur der Wettkampf unter den Profis steht laut den Touristikern in Sölden für gewöhnlich am Programm. Einerseits sei es in touristischer Sicht "die Initialzündung für den Winter", andererseits sei es auch für die Ski-Industrie ein Auftakt. "Die Veranstaltung vermittelt in der Regel Vorfreude auf Schnee und Sport, weckt die Lust auf Urlaub und stimuliert damit die Nachfrage", berichtete Phleps. Heuer sei dies im Besonderen durch die aufrechte Reisewarnung Deutschlands für Tirol mehr als gedämpft. "Die Nachfrage geht gegen Null, viele Stornierungen kommen leider herein", resümierte Schwarz.

Hoffen auf schöne TV-Bilder

Dabei kommen nach Sölden während der Wintersaison Gäste aus vielen Ländern der Welt. "17 Hauptmärkte" bediene man, sagte Schwarz. Beim Weltcup-Auftakt sei die Gästestruktur jedoch anders: Österreicher, Deutsche, Schweizer oder Italiener seien "weltcupaffiner" und wollen dieses Spektakel live miterleben - während in der restlichen Saison neben dem Hauptmarkt Deutschland viele Urlauber aus Skandinavien oder den Benelux-Staaten anreisen würden.

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In Sölden hofft man unterdessen auf ein gutes Wetter mit blauem Himmel. Damit zumindest die "schönen Bilder" die Sehnsucht nach dem Winter wecken.

(APA)

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