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Skispringer Lukas Müller hat inkomplette Querschnittslähmung

Zukunft ungewiss
Zukunft ungewiss
Der am Mittwoch beim "Einfliegen" der Kulm-Skiflugschanze nach einem Sturz schwer verletzte Vorspringer Lukas Müller hat eine inkomplette Querschnittslähmung davongetragen. Der 23-jährige Kärntner habe eine Restsensibilität in den Beinen. Eine fixe Prognose, ob er wieder gehen wird können, sei derzeit nicht seriös, betonten die behandelnden Ärzte am Freitag bei einer Pressekonferenz im LKH Graz.


Laut Unfallchirurgie-Vorstand Franz-Josef Seibert sei Müller, der wegen einer Luxationsfraktur an der unteren Halswirbelsäule zwischen dem sechsten und siebenten Wirbel noch am Mittwoch zweieinhalb Stunden operiert worden war, wach, ansprechbar und habe die Diagnose “relativ gefasst” aufgenommen. “Jetzt ist seine Genesung absolut im Vordergrund. Daher steht Müller derzeit für Interviews nicht zur Verfügung”, sagte Gernot Brunner, ärztlicher Direktor des LKH Graz.

Der chirurgische Eingriff zur Stabilisierung der Wirbel ist laut Seibert gut und komplikationslos verlaufen. Donnerstagfrüh wurde der ÖSV-Springer problemlos von der künstlichen Beatmung genommen, der Schlauch wurde entfernt. Müllers untere Extremitäten und die Rumpfstabilität sind von der Lähmung beeinträchtigt, auch die Atemmuskulatur ist betroffen, aber er kann bereits selber atmen. Es gebe Fälle, bei denen nach langer Rehabilitation Rückbildungen möglich seien, doch laut Brunner wird man erst “in Monaten oder in einem Jahr sehen”, wie das Ganze ausgehe.

Müller gehe es laut seinen Ärzten den Umständen entsprechend gut, seine Beine kann er aber momentan nicht bewegen. Erste Mobilisierungsmaßnahmen wurden bereits getroffen und auch für eine Rehabilitation wurden schon Kontakte geknüpft, sagte Seibert. Der Patient sei sich seiner Situation bewusst. Aus intensivmedizinischer Sicht ist “heute nicht konkret abschätzbar”, welchen Verlauf die Folgen nehmen werden, erklärte der Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Anästhesiologie, Philipp Metnitz. Weil eine “Rückenmarkverletzung auf dieser Höhe und in diesem Umfang” über Tage hinweg auch die Organe beeinträchtige, bleibe Müller vorerst “zur Überwachung und Stabilisierung auf der Intensivstation”, sagte Metnitz.

Brunner schilderte eingangs den Ablauf der Rettungskette: “Schon am Unfallort gab es den dringenden Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung. Der Notarzt entschied daher, den Patienten in ein Traumazentrum bringen zu lassen.” Nach dem Eintreffen im LKH Graz wurde bei Müller eine umfassende Computertomografie durchgeführt, um Begleitverletzungen auszuschließen. Zu dem Zeitpunkt war er auch ansprechbar, sagte Seibert. Die Untersuchungen bestätigten schließlich den Verdacht einer schweren Verletzung an der Wirbelsäule. Schon am Unfallort hatte der Villacher seine Beine nicht bewegen können.

Im Vorjahr hatte der US-Amerikaner Nick Fairall bei einem Sturz in der Qualifikation zum Vierschanzen-Tournee-Finale in Bischofshofen einen Lendenwirbelbruch erlitten. Seither ist der 26-Jährige an den Beinen gelähmt. “Ich habe etwas Gefühl in den Beinen und kann sie etwas bewegen”, erklärte Fairall vor zehn Tagen bei seiner Rückkehr nach Bischofshofen, dass er hart an seiner Rehabilitation arbeite.

Müller ist nach der bei den Europaspielen von einem Bus überfahrenen Synchronschwimmerin Vanessa Sahinovic und der im Training verunglückten Stabhochspringerin Kira Grünberg der bereits dritte österreichische Sportler seit Juni des Vorjahres, der querschnittsgelähmt ist. “Alles Gute Lukas, ich denke an Dich. Egal, was kommt, nicht aufgeben!”, richtete Grünberg bereits auf Facebook eine Botschaft an Müller.

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ist der Sturz und die schwere Halswirbelverletzung von Lukas Müller sehr nahe gegangen. “Man gewöhnt sich nie an Unfälle”, erklärte der Verbandschef am Freitag und versprach dem 23-Jährigen, der eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt, Unterstützung. “Wir werden in jeder Form helfen”, sagte der Tiroler.

Ein noch für Freitag geplanter Besuch Schröcksnadels und Hubert Neupers im Spital wurde verschoben, weil er aus ärztlicher Sicht noch nicht sinnvoll schien. Der ÖSV-Chef will veranlassen, dass die Gründe des Unfalls – ob Materialproblem am Sprungschuh oder persönlicher Fehler – untersucht werden.

Thomas Morgenstern kam nach der Nachricht von der schweren Verletzung seines Freundes als Zuschauer zum Kulm. “Es ist eine emotionale Geschichte für mich, denn ich kenne Luki sehr gut und war ein Mitgrund, dass er zum Skispringen gekommen ist. Es hat mich sehr getroffen”, sagte der dreifache Olympiasieger in einem ORF-TV-Interview.

Morgenstern selbst war auf der “alten” Kulmschanze 2014 schwer gestürzt, aber dank gutem Verlauf schon drei Wochen nach einer Schädelverletzung mit Gehirnblutung auf eine Schanze zurückgekehrt. Der Sturz war aber der Grund, dass der Kärntner wenige Monate nach dem Gewinn von Olympia-Team-Silber im Herbst 2014 seine Karriere beendete. “Aber ich versuche, das Positive zu sehen”, sagte Morgenstern. “Der Kulm ist meine liebste Flugschanze, hier habe ich mit Bronze 2006 meine erste Einzelmedaille gewonnen.”

Müller gehört zwar keinem ÖSV-Kader mehr an, war aber auch als Vorspringer versichert. “Der ÖSV-Sport ist laut internationaler Wettkampfordnung zu einer Versicherung verpflichtet, wenn der Sportler an internationalen Wettkämpfen teilnimmt”, sagte Christian Scherer, der Leiter Leistungssport im ÖSV.

Demnach hat Müller eine vom ÖSV angebotene Versicherung angenommen. Über Ausmaß und Höhe der Leistungen sei aber noch keine konkrete Aussage möglich, sagte Scherer.

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