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Showdown im "Gas-Thriller"

Der "Gas-Thriller" um Europas wichtigsten Energielieferanten Russland steuert auf einen Showdown zu. In dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland mit all seinen Ungereimtheiten kommen an diesem Samstag in Moskau diejenigen zusammen, die den Gasstrom nach Westen wieder in Gang bringen können.

Der Totalstopp russischer Gaslieferungen seit eineinhalb Wochen zehrt nämlich zunehmend an den Reserven der EU.

Österreich wird keinen Vertreter zum Gasgipfel nach Moskau senden. Es sei abgesprochen, dass die EU durch die tschechische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission die Interessen der Mitgliedsländer wahrnehmen werde, hieß es dazu am Freitag im Wirtschaftsministerium.

Der russische Regierungschef Wladimir Putin verkürzte am Freitag wegen der wachsenden Dramatik sogar seinen Besuch in Deutschland. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel drängt Russland seit Tagen zu einem Ende des Gasstreits. Bei seinem Berlin-Besuch verhandelte Putin mit Vertretern von E.ON Ruhrgas, des italienischen ENI-Konzerns und von Gaz de France wegen der Bildung eines Konsortiums, das das Problem lösen soll.

Russlands “oberster Gas-Manager” Putin wird nun mit der ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko erstmals seit Monaten wieder direkt verhandeln, nachdem sich beide Seiten zuletzt nur noch beschimpft und gegenseitig die Schuld am Streit gegeben hatten. Die Fronten in dem Konflikt sind so verhärtet, dass der russische Präsident Dmitri Medwedew mit Krisengipfel und EU-Hilfe den Durchbruch im “Gas-Krieg” erreichen will.

Die entscheidende Phase sei erreicht, schrieb die Moskauer Zeitung “Kommersant”. Auch Timoschenko wolle mit Putin “alle Probleme klären”, hieß es in Kiew. Die Schlacht sei schicksalhaft für Timoschenko und die finanziell extrem klamme Ukraine. “Am Wochenende bekommen wir entweder Gas und Waffenstillstand oder einen Krieg von allen und mit allen”, kommentierte die Kiewer Zeitung “Sehodnja”.

Eine Lösung sehen viele Experten nur noch im raschen Abschluss neuer Gasverträge zwischen den Streithähnen. Das könnte so aussehen: Die Ukraine würde – wie von Putin vorgeschlagen und von westlichen Energieversorgern unterstützt – das sogenannte technische Gas von einem internationalen Konsortium erwerben, um die Transitpipelines nach Westen zu betreiben. Zudem wird wohl die Ukraine künftig deutlich mehr als die bisherigen 179,5 Dollar (135,3 Euro) je 1.000 Kubikmeter Gas für Lieferungen aus Russland zahlen müssen. Für Russland dürften dann die Transitgebühren für die Durchleitung des Gases nach Westen steigen.

Für die Ukraine werden die Verhandlungen nicht leicht. Zum einen steht das Land laut Wirtschaftsexperten vor dem Bankrott und kann deshalb keine Marktpreise für russisches Gas zahlen. Zum anderen ist die prowestliche Führung in Kiew mit Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko innenpolitisch so zerrissen, dass eine einheitliche Verhandlungslinie fehlt. Juschtschenko machte seine Ablehnung des Gipfels in Moskau deutlich, indem er kurzerhand ein Gegentreffen für Freitag in Kiew einberief – ohne Russland.

Der Gasstreit mit Russland ist in der Ukraine für die einstigen Verbündeten der Orangenen Revolution längst ein Kampf ums politische Überleben geworden. Juschtschenko, der laut Umfragen mit 2,9 Prozent Zustimmung zu Europas unbeliebtesten Präsidenten gehören dürfte, bremste laut Medien Timoschenko auch im Gasstreit immer wieder aus. Er fürchtet vor allem, dass das marode ukrainische Pipelinenetz im Zuge des Gasstreits unter Moskaus Kontrolle fallen könnte.

Doch angesichts der zunehmend schlimmeren Wirtschaftslage findet der in die NATO und EU strebende Juschtschenko zuhause kaum noch Gehör. Die Inflationsrate stieg Ende 2008 auf den Rekordwert von über 20 Prozent. Ein Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) verhinderte zuletzt den Bankrott des Landes. Und nun klagen die Ukrainer auch noch über Mangel an heißem Wasser, Heizgas oder über steigende Energiepreise. Dabei hatten sich Timoschenko und Putin noch im Oktober in einem Memorandum auf einen schrittweisen Übergang zu “marktüblichen Preisen” innerhalb von drei Jahren verständigt.

Sollte Russland aber wie angekündigt nun in einem einzigen Schritt einen Sprung auf mehr als 400 Dollar je 1.000 Kubikmeter Gas durchsetzen, droht der hoch verschuldeten früheren Sowjetrepublik der baldige Ruin. Bereits jetzt stehen ehrgeizige Vorhaben wie die Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2012 zusammen mit Polen auf der Kippe. Die Opposition um Viktor Janukowitsch und seine im russischsprachigen Osten der Ukraine verankerte Partei der Regionen sieht nur noch einen Ausweg: Vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen. Ein durchaus wahrscheinlicher Sieg Janukowitschs wäre dabei ganz im Sinne Moskaus.

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