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Sharon hat nichts mehr zu verlieren

Die zahlreichen Selbstmordanschläge von Ariel Sharon beschädigt, der seinen Wählern einst versprochen hatte, die Bürger vor Schaden zu bewahren.

Aber obwohl seine Beliebtheitswerte laut Umfragen gesunken sind, seine Position scheint auch nach zwei Jahren zweiter Intifada nicht bedroht. Politische Beobachter verweisen darauf, dass die Popularitätsrate des Likud-Chefs noch immer über 50 Prozent liegt. Und seine Drohung mit vorgezogenen Wahlen für den Fall, dass ihm Teile der Koalition der Nationalen Einheit die Zustimmung zum Haushalt verweigern sollten, sehen sie auch eher als Zeichen von Siegeszuversicht. „Dies ist keine leere Drohung“, sagt der Politikexperte Avraham Diskin von der Hebräischen Universität. Sharon wisse schließlich, dass er kaum etwas zu verlieren habe.

Die sozialdemokratische Arbeiterpartei sei für Sharon keine ernsthafte Gefahr, auch wenn der Bürgermeister von Haifa und frühere General Amram Mizna möglicherweise bei Wahlen deutlich besser abschneiden könnte als der derzeitige Parteichef Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer. Der Friedenstraum von Oslo sei erst einmal ausgeträumt, sagt Diskin. „Die Israelis verstehen jetzt, dass der Frieden nicht um die Ecke wohnt.“ Mizna könnte der Arbeiterpartei wohl bis zu fünf zusätzliche Mandate bringen, rechnet Hanan Crystal, politischer Beobachter bei Radio Israel. „Aber das würde nicht reichen, um den Likud zu schlagen. Mizna würde nur seine Partein vor dem völligen Zerfall bewahren.“

Andere Beobachter sehen die Möglichkeit, dass sich die Umfragewerte Sharons und damit auch seine Chancen für eine Wiederwahl bessern würden, wenn die Häufigkeit der Palästinenseranschläge nachließe. Die Sicherheitsfrage hat für die meisten Israelis bei allgemeinen Wahlen höchste Priorität, erst dann kämen Wirtschaftsthemen, sagt Shmuel Sander von der Bar-Ilan-Universität.

Sollte es vorgezogene Wahlen geben, würde die desolate Lage der zerstrittenen Sozialdemokratie einen strategischen Vorteil für Sharon bedeuten. Die ultrareligiöse orientalische Shas-Partei, mit 17 von 120 Abgeordnetensitzen drittstärkste Fraktion im Parlament, hat gegen die von Sharon geplanten Kürzungen im Sozialbereich protestiert. Diese werden von der Regierung mit den hohen Mehrausgaben für Militär und Sicherheit begründet. Angesichts der Devise „Sicherheit zuerst“ würden vorgezogene Wahlen der Shas-Partei aber kaum Stimmen bringen.

Die wahre Herausforderung für Sharon dürfte in seinem eigenen rechtsgerichteten Likud-Block liegen, wenn im Oktober die Wahlen zum Zentralkomitee anstehen. Derzeit wird das Leitungsgremium von dem früheren Regierungschef Benjamin Netanyahu kontrolliert. „Am 8. Oktober werden wir mehr oder weniger deutlich wissen, wer tatsächlich die Kontrolle hat“, sagt Crystal. Sollte Sharon diese Vorentscheidung verlieren, werde auch die Idee vorgezogener Wahlen vom Tisch sein. Sollte sich Sharon aber gegen Netanyahu durchsetzen können, dann werde er so gut wie sicher auch wieder Ministerpräsident. Reguläre Wahlen in Israel wären im Oktober 2003.

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