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Südafrika vor Augen, Mexiko im Herzen

Marc Schneider und seine Verflechtungen mit den WM-Ländern Südafrika, Niederlande, Südkorea und Mexiko.

Nur zaghaft geben die Regenwolken den Blick auf das Rheintal frei, als wir uns im ehemaligen Pfarrhaus von Dafins treffen. Das kleine Alpendorf, 900 m oberhalb von Röthis, ist für Marc Schneider zur Heimat geworden. Hier lebt der gelernte Textildesigner mit seiner Frau Maria und seinen drei Söhnen und fühlt sich wohl. Kaum vorstellbar, dass in ihm die Sehnsucht lodert nach der weiten Welt und Sonne und Meer. Erst die Lebensgeschichte des 49-jährigen Fußballfans gibt einen Einblick und verrät Ungeahntes. Sein Vater, der ebenfalls in der Textilbrache tätig war, stammt aus Altach und war mit einer Holländerin verheiratet. Schneider selbst erblickte in Südkorea das Licht der Welt, aufgewachsen ist er aber in Mexiko City. “Ich war drei Jahre alt, als wir nach Mexiko gezogen sind“, erzählt er. Erst als 15-Jähriger kam er nach Österreich, nach Altach, wo er eine Lehre bei der Firma Rueff absolvierte. Und er erinnert sich: “Für mich war es eine total fremde Welt. Es war fast komisch in Altach. Alle Leute haben gegrüßt, alle waren freundlich. Das habe ich so nicht gekannt.“

Als Fußballprofi in Kapstadt

Was aber überall gleich funktioniert und was ihm bis heute geblieben ist, ist die Liebe zum Fußball. “Fußball war für mich als Bub immer das Wichtigste. Dafür habe ich schon mal die Schule geschwänzt.“ In Mexiko City spielte er im Nachwuchs von Rublos, später für Altach – ehe er 1984 seinen ersten Profivertrag unterschrieb. Für Hellenic FC, eine Mannschaft auf Südafrika. Und das kam so: “Die Firma Benedikt Mäser suchte Arbeiter für eine Niederlassung in Kapstadt.“ Keine Frage: Schneider folgte seiner Sehnsucht und flog in das WM-Gastgeberland von 2010. Kaum angekommen, machte er sich auf die Suche nach einem Fußballklub. So kam es, dass er bei Hellenic Cape Town zum Probetraining auftauchte und einen Halbprofivertrag unterschrieb. “Ich musste ja arbeiten“, schmunzelt er heute, wenn er daran zurückdenkt. Gut 1200 Rand (damals ca. 25.000 Schilling) verdiente er bei dem Verein aus Kapstadt. Zwei Jahre spielte er für den Klub, der von griechischen Einwanderern gegründet wurde und für den auch ehemalige englische Stars wie Gordon Banks und Bobby Moore kickten. “An der Stelle des alten Hellenic-Stadions wurde das neue WM-Stadion errichtet.“ Für die VN kramte er in den Erinnerungen an das Land. Etwa an die Apartheid. “Damals mussten schwarze Arbeiter die Stadt zu einer gewissen Zeit verlassen. Dabei war Kapstadt schon immer liberaler als der Rest des Landes.“ An die Meisterschaftsspiele in den Townships. “Um in Soweto gegen die Orlando Pirates zu spielen, haben wir eine Sondergenehmigung gebraucht. Ansonsten wären wir nicht in das Ghetto hineingelassen worden. Aber es war andererseits auch immer etwas Besonderes, vor 50.000 Fans zu spielen.“ Einmal, nach einem 2:1-Sieg, sei es “ziemlich unruhig“ geworden. “Wir wurden dann in der Umkleidekabine zurückgehalten.“ Später, auf dem Weg zum Bus, seien aber noch massenweise Fans, mit Steinen bewaffnet, herumgestanden. “Da spürst du die Angst in dir. Wir wussten ja nicht, ob die Situation explodiert.“ “In Johannesburg waren wir am Tag des Spiels in einen Autounfall verwickelt. Unser Glück war, dass zufälligerweise ein Rettungsauto in der Nähe war. Sie haben uns ins Spital gebracht. Dort wurden wir vor der Behandlung aber gefragt, ob wir denn versichert seien. Zwei von uns haben am Abend dann gespielt, die anderen beiden nicht.“ Oder an die Kriminalität. “Anlässlich eines Fußballturniers bat ich einen Kollegen, auf meine Tasche aufzupassen. Für zwei Minuten war er nachlässig und die Tasche mit all den Wertsachen weg.“ Auch die Bankomatkarte hatte sich in der Tasche befunden. Und obwohl Schneider sie sogleich sperren ließ, war sein Konto schon geplündert.

Der Liebe wegen ins Ländle

Drei Jahre verbrachte Schneider in Südafrika, davon spielte er zwei Saisonen in der Profiliga. Die Liebe zu seiner heutigen Frau brachte ihn zurück nach Vorarlberg. Dass er nach seiner Rückkehr (1986) für den SCR Altach die Schuhe schnürte, war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Seine Mitspieler von damals hießen Gerhard Knauder, Peter Zajicek, Georg Bertolli oder Rade Plakalovic. Mit der in Südafrika nun laufenden WM-Endrunde ist Schneider von der Vergangenheit eingeholt worden. “Holland, Südkorea, Mexiko, Südafrika – all meine Länder sind dabei. Wenn ich die Spiele sehe, überkommt mich die Sehnsucht“, verrät Schneider und gesteht: “Mein Herz schlägt für Mexiko.“ Verständlich: Mit dem Land seiner Jugendzeit verbinden ihn viele Bubenstreiche. Damals, als er Fußball-Comics zeichnete und an seine Schulkollegen verkaufte. Eine Leidenschaft, die ihm bis heute – neben dem Fußball – geblieben ist. Viele selbstgemalte Bilder zieren das Haus in Dafins. Sie drücken seine Sehnsucht nach Meer und Wärme aus und zeigen seine Liebe zum Fußball.

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