Hobby-Gitarrist Richard Freitag rockt mit seinem Zimmerkollegen Severin Freund die Schanzen der Welt und lässt die deutschen Skisprung-Fans von einer neuen Erfolgsära träumen. Der Coup von Harrachov, wo Triumphator Freitag und der drittplatzierte Freund dem Deutschen Skiverband (DSV) das beste Weltcupergebnis seit knapp zehn Jahren bescherten, könnte den Beginn eines dauerhaften Höhenflugs markieren und löste in der Heimat einen Run auf die Tickets für die Vierschanzentournee aus. „Bei uns steht das Telefon nicht mehr still“, berichtete Tournee-Geschäftsführer Stefan Huber.
Schuster mit Masterplan
Zwei deutsche Skispringer hatten letztmals am 13. März 2002 auf dem Podium gestanden. Damals waren Martin Schmitt und Sven Hannawald in Falun hinter dem Finnen Matti Hautamäki auf die Plätze zwei und drei gekommen. Danach folgte der schleichende Absturz der beiden Schanzen-Helden und eine jahrelange Durststrecke, in der die DSV-Springer über gelegentliche Achtungserfolge nicht hinauskamen. Nun schicken sich der 20-jährige Freitag und der drei Jahre ältere Freund an, dem deutschen Skisprung zu altem Glanz zu verhelfen. Einen Bärenanteil am Erfolg der DSV-Springer hat Bundestrainer Werner Schuster. Der seit 2008 im Amt befindliche Kleinwalsertaler erntet nun die Früchte seiner Arbeit und darf für die Deutschen getrost als Glücksfall bezeichnet werden. Auch Freitag, der im Sommer mit Bravour sein Abitur bestanden hat und vom 1. Januar an bei der Bundeswehr beschäftigt sein wird, weiß die Zusammenarbeit zu schätzen. „Werner ist ein unglaublich engagierter Trainer. Er hat einen Masterplan im Kopf, wo die Reise mit dem deutschen Skisprung hingehen soll.“
Behutsamer Aufbau
Und zwar an die Spitze. Bis zu den Olympischen Winterspielen 2014 will Schuster die seit Jahren dominierenden Österreicher als Nummer eins ablösen. Mit Freitag und Freund sind die Chancen gestiegen, dieses Ziel zu erreichen. „Das sind zwei Top-Sportler“, lobte TV-Experte Dieter Thoma. Schuster bleibt sich allerdings auch in der Stunde des Erfolgs treu. „Man darf jetzt nicht alles schönreden. Wir müssen schauen, dass wir jetzt auch unsere Sorgenkinder langsam auf ein höheres Niveau bekommen“, warnte er vor übertriebener Euphorie. Und auch seine beiden Vorzeigespringer geben sich trotz ihres Höhenflugs bodenständig. „Wir sind gut unterwegs und wollen auf unserem Weg bleiben“, sagte Freund, „aber dafür müssen wir hart arbeiten.“ Nachdem Freund im Vorjahr mit zwei Weltcupsiegen den Durchbruch schaffte, ist nun Freitag durchgestartet. Der Sachse, der für Nickelhütte Aue springt, in Oberwiesenthal trainiert und bei den Eltern in Erlabrunn wohnt, darf als gemachtes Talent bezeichnet werden. Zunächst wurde er im C-Kader unter Falko Kriesmayer und im B-Kader vom Tiroler Stefan Horngacher ganz in Ruhe geformt, ehe ihn Schuster in der Vorsaison ins A-Team holte. „Wir haben ihn behutsam herangeführt und ihn dann zur WM ausgepackt. Davor hatten wir die Ruhe, die man im Verband nicht immer hatte, um den Jungen reifen zu lassen. Er hat von dem System sicher profitiert“, erzählt Schuster.
(VN)
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