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Schumachers letzte Runde

Rekord-Champion, Super-Star, Werbe-Ikone, Multi-Millionär, Idol für Millionen: Michael Schumacher ist nicht nur ener der erfolgreichsten deutschen Sportprofis. Auch weltweit stehen nur wenige auf einer Stufe mit dem Rennfahrer.

Am Sonntag beendet der siebenfache Formel-1-Weltmeister seine Karriere. Im Grand Prix von Brasilien wird der 37-Jährige seine letzte Runde drehen. “Ich habe nicht mehr die Energie und Kraft gesehen, um in Zukunft vorne mitzufahren”, hatte er am 10. September in Monza zu seinem denkwürdigen Rücktritt gesagt. “Ich habe mich selbst in Frage gestellt. Deswegen habe ich diese Entscheidung getroffen.”

Nach dem Saisonfinale in Sao Paulo, seinem 250. Grand Prix, zieht Schumacher den Schlussstrich unter über 30 Jahre Motorsport. “Es war eine ganz, ganz außergewöhnliche Zeit für mich”, räumte der künftige Renn-Pensionist ein. “Ich habe jeden Moment geliebt. Es freut mich, dass ich so viel habe bewegen können im Motorsport.” Sieben WM-Titel, 91 Grand-Prix-Siege, 68 Pole Positions, 73 schnellste Rennrunden, 13 Saisonsiege und so weiter – die Rekordliste des Rekordsammlers der Königsklasse des Motorspors ist lang. Kein Rennfahrer in der 57-jährigen Grand-Prix-Geschichte kommt an Schumacher heran. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone adelte ihn sogar als “Super-Super-Superstar”.

Dabei konnten selbst Experten nicht mit dieser kometenhaften Karriere rechnen. Als vierjähriger Knirps machte Schumacher auf der Kartbahn in Kerpen, die sein Vater Rolf und seine am Osterwochenende 2003 gestorbene Mutter Elisabeth betrieben, seine ersten Versuche auf vier Rädern. Mit 14 bestritt das am 3. Jänner 1969 in Hürth-Hermühlheim geborene Ausnahmetalent sein erstes Rennen und holte nur ein Jahr später seinen ersten Titel als deutscher Junioren-Kartmeister. Dank finanzieller Unterstützung verschiedener Gönner schaffte Schumacher den Sprung in diverse Formel-Nachwuchsklassen. Auf Anhieb überzeugte der gelernte Kfz-Mechaniker durch Siege und Titel.

Entscheidend für seinen Werdegang war die Begegnung mit Willi Weber in der Formel 3. Der erkannte 1989 das außergewöhnliche Talent und nahm den damals 20-Jährigen als Manager gleich für zehn Jahre unter Vertrag. “Ich fahre, den Rest macht Willi”, beschrieb Schumacher das enge Verhältnis zu dem Geschäftsmann und späteren Freund, den er auch nach einigen Affären nicht fallen ließ. Weber verhandelte geschickt die hohen Gagen für “Schumi” aus. Auf 35 Millionen Euro jährlich wurde zuletzt das Ferrari-Salär des Ausnahmefahrers geschätzt. Dazu kommt etwa dieselbe Summe durch Werbung. Schumachers Vermögen wird mittlerweile auf rund 250 Millionen Euro geschätzt.

Den Sprung in die Formel 1 verdankte Schumacher neben seinem Talent vor allem Mercedes. Dank einer Bürgschaft des Stuttgarter Konzerns bekam der damalige Mercedes-Junior im August 1991 ein Cockpit bei Jordan-Ford. Mit Platz sieben im Qualifying sorgte der Formel-1-Frischling in Spa-Francorchamps gleich für Furore, auch wenn er im Rennen nach wenigen hundert Metern wegen eines Kupplungsdefektes ausrollte. Deutschland verfügte nach jahrelanger Flaute endlich wieder über einen viel versprechenden Grand-Prix-Piloten. In Spa, das Schumacher liebevoll als sein “Wohnzimmer” bezeichnet, folgte nach dem Blitztransfer zu Benetton gleich nach seinem ersten WM-Lauf auch der erste Sieg am 30. August 1992. Der erste WM-Titel eines Deutschen 1994 war überschattet von Disqualifikationen und Rennsperren. Der Begriff “Schummel-Schumi” trübte den Glanz. Drei Jahre später zog er sich wegen seines “Rammstoßes” gegen den Kanadier Jacques Villeneuve beim WM-Finale in Jerez den zweifelhaften Ruf eines “Renn-Rambos” zu.

Nach dem zweiten WM-Gewinn 1995 folgte der Wechsel zu Ferrari. Mit der Mythos-Marke aus Maranello wurde Schumacher nach mühseliger Aufbauarbeit zum “Jahrhundert-Piloten”. Auch ein Schien- und Wadenbeinbruch bei seinem einzigen schweren Rennunfall beim britischen Grand Prix am 11. Juli 1999 wegen eines Bremsdefektes konnte den Weg an die Spitze nicht stoppen. Sein Titel mit der Scuderia im Jahr 2000 erlöste die Ferraristi, die 21 Jahre lang auf diesen Triumph hatten warten müssen. Mit fünf Fahrertiteln in Folge setzte Schumacher einen weiteren Meilenstein. Siegeswille, Perfektion, Dominanz, aber auch Rücksichtslosigkeit auf der Piste haben Schumacher den Ruf des Renn-Roboters und “Klons im Cockpit” eingebracht. Das Klischee des emotionslosen Retorten-Rennfahrers trifft Schumacher. Allerdings trägt er durch seine Distanz, die er aufbaut, um einen Rest an Privatsphäre zu behalten, selbst dazu bei. “Ich bin kein Mensch, der gerne Emotionen zeigt, außer bei denen, die mich gut kennen”, sagte er. “Ansonsten kontrolliere ich mich, so gut es geht, was den Leuten vielleicht nicht das richtige Bild davon gibt, wer ich bin.”

Damit kann Schumacher leben. Zu oft hat der stets im Brennpunkt stehende Super-Star teilweise schmerzlich erfahren müssen, wie sein Vertrauen zu angeblichen Freunden missbraucht oder sein Privatbereich ignoriert wurden. “In gewissem Maß lässt sich der goldene Käfig bei mir nicht vermeiden, weil ich nicht ganz so in die Öffentlichkeit gehen und mich am Stammtisch amüsieren kann”, klagte der Rheinländer einmal. So sind Schumachers scheinbare Arroganz und Kälte meist reiner Selbstschutz. Der Umzug des Jung-Millionärs in die Steueroase Monte Carlo Anfang der 90er Jahre hatte sicher finanzielle Gründe, geschah aber auch deshalb, um in der Anonymität des Treffpunkts der Stars und Sternchen untertauchen zu können. In Kerpen waren “Schumi”-Fans nicht einmal mehr davor zurückgeschreckt, auf die Terrasse des deutschen Sporthelden vorzudringen, um ihr Idol beim Grillen aus nächster Nähe zu bestaunen.

Ende 1996 wechselte Schumacher vom Spielerparadies an der Cote d’Azur ins beschauliche Vufflens-le-Chateaux am Genfer See. Schumacher genießt mit seiner “Traumfrau” Corinna, mit der er seit elf Jahren glücklich verheiratet ist, sowie den gemeinsamen Kindern Gina Maria (9) und Mick (7) die Ruhe. “Ich bin ein normaler Vater, spiele mit meinen Kindern und mache, worauf sie Lust haben”, sagt der Familienmensch. So oft der Hobby-Kicker Zeit hat, trainiert und spielt er – ohne Rummel und Sonderstellung: früher beim Schweizer Amateurklub FC Echichens, jetzt mit Journalisten und seinem Ferrari-Team. Zu Schumachers Prinzipien zählen Treue und Solidarität. 1998, als Ferrari knapp den Titel verpasst hatte, rettete er Teamchef Jean Todt vor dem Rausschmiss. Die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft. Nicht viel Worte verliert Schumacher über sein soziales Engagement: Sei es als UNESCO-Sonderbotschafter, für Stiftungen im Kampf gegen Krebs oder die Spende über zehn Millionen Dollar für die Tsunami-Opfer.

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