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Schuldendrama um Griechenland nimmt seinen Lauf – und die Zeit läuft davon

50 Prozent-Schuldenschnitt würde Österreich 4,5 Mrd. Euro kosten.
50 Prozent-Schuldenschnitt würde Österreich 4,5 Mrd. Euro kosten. ©AP
Griechenland läuft im Ringen um eine Lösung im Schuldenstreit die Zeit davon. Am 30. Juni endet das aktuelle Hilfsprogramm, bereits am Donnerstag findet dazu in Luxemburg die entscheidende Sitzung der Finanzminister der Euro-Länder statt. Allerdings hat sich die Lage nach dem Scheitern eines Vermittlungsversuchs alles andere als entspannt, man schiebt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Athen: "Wollen kein Geld mehr"

Es habe zwar einige Fortschritte gegeben, aber die Gespräche hätten nicht zum Erfolg geführt, teilte eine Sprecherin der EU-Kommission am Sonntagabend mit. Es blieben signifikante Unterschiede zwischen den Plänen der Regierung in Athen und den gemeinsamen Anforderungen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Die Vorschläge der griechischen Seite seien zudem unvollständig geblieben.

Deutschland: “Verantwortung liegt allein bei Athen”

Auch die deutsche Regierung sieht die Verantwortung nun allein in Athen. “Es liegt jetzt ausschließlich an der griechischen Seite, auf das “außergewöhnlich großzügige” Angebot der drei Institutionen einzugehen und entsprechende Zusagen zu machen”, sagte der Sprecher des Finanzministeriums am Montag in Berlin. Mit Blick auf das Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms Ende Juni sagte der Sprecher weiter, dass “die Zeit tatsächlich knapp wird”.

Deutsche Politiker verlieren Geduld mit Griechenland

Varoufakis anderer Meinung: “Geldgeber sind am Zug”

Ganz anders Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis: Er sieht die Geldgeber am Zug. “Heute ist ein schöner Tag. Die Sache ist kristallklar: Endlich sind wir an den Punkt gelangt, wo die Partner Entscheidungen treffen müssen”, sagte Varoufakis dem Sender der regierenden Linkspartei Syriza “Sto Kokkino” am Montag.

Athen habe den Gläubigern mehrere alternative Vorschläge für Sparmaßnahmen gemacht. Diese aber bestünden weiter auf Pensionskürzungen. Griechenland werde dem nie zustimmen, betonte Varoufakis. Griechenland habe den Institutionen gesagt, “bis hier und keinen Schritt weiter”, hieß es. Auch der griechische Premier Alexis Tsipras hob am Montag hervor, sein Land werde “geduldig” auf einen “realistischeren” Ansatz der Gläubiger warten.

EU-Kommission macht Angebot an Athen öffentlich

Diese Ansätze, die man Athen am Wochenende unterbreitet hat, hat die EU-Kommission am Montag öffentlich gemacht. Ihre Forderungen beinhalten demnach keine Forderung nach Kürzungen bei einzelnen Pensionen oder Löhnen, auch beim Primärüberschuss sei man Griechenland “ganz wesentlich” entgegengekommen So sei nicht nur das Ziel für 2015 mit nunmehr einem, statt vorher drei Prozent des BIP “erheblich verringert worden”, hieß es vonseiten der Kommission.

Dasselbe gelte auch für den 2016 angestrebten Wert von 4,5 Prozent: Dieser läge nun bei drei Prozent und sei zudem um zwei Jahre, auf 2018 nach hinten verschoben worden. Als neues Ziel für 2016 schlägt die EU nun zwei Prozent Primärüberschuss vor. Hierbei handle es sich bereits um “bedeutende Zugeständnisse”, so die Sprecherin. Nun sei Griechenland an der Reihe: “Das ist keine Einbahnstraße.”

Streit um Griechenland belastet Dax

Was das Pensionssystem betreffe, so sei dieses nicht nur “einer der teuersten Teile des griechischen Budgets”, sondern auch “eines der teuersten Pensionssysteme in Europa”, weshalb die Forderung nach einer Reform nur verständlich sei. Allerdings habe die EU-Kommission nie Kürzungen bei einzelnen Pensionen zur Bedingung gemacht, sondern sei auch offen für andere Einsparungsschritte, etwa ein späteres Pensionsantrittsalter. Hier gebe es noch zu wenig Bewegung von griechischer Seite. Auch sei es “nicht wahr”, dass die EU Lohnkürzungen verlange. Allerdings sei man der Meinung, dass “Einkommen im Einklang mit der Wirtschaftskraft wachsen sollen”.

Varoufakis will längere Laufzeiten und Schuldenerlass

Varoufakis pocht aber auch auf längere Laufzeiten zur Schuldentilgung und einen Schuldenerlass. In einem “Bild”-Interview sagte Varoufakis, das Land brauche eine Umschuldung. “Nur so können wir die Rückzahlung von so viel Schulden wie möglich garantieren und auch leisten.” Er würde auf weitere Hilfsgelder verzichten, wenn die Gläubiger von EZB, IWF und EU einen Schuldenschnitt anbieten würden. Auch der IWF wolle eine Umschuldung. Außerdem benötige Griechenland “eine Streckung der Laufzeiten”. Einen Grexit halt er für keine sinnvolle Lösung. “Aber alles ausschließen kann niemand, auch ich kann nicht ausschließen, dass ein Komet die Erde trifft.”

Schuldenschnitt: Österreich müsste 4,5 Mrd. Euro abschreiben

Bei einem möglichen Schuldenschnitt – von angenommen 50 Prozent – würde Österreich, das über verschiedene Töpfe und Instrumente an den Griechenlandhilfen beteiligt ist, sofort rund 4,5 Mrd. Euro abschreiben müssen. Basis für diese Berechnung am Rande der Volkswirtschaftlichen Tagung der Nationalbank in Wien ist ein Schuldenstand Griechenlands per Ende 2014 in Höhe von gut 318 Mrd. Euro.

Griechenland vor Staatspleite und Euro-Aus?

Die Regierung in Athen ringt seit Monaten mit den internationalen Geldgebern um Reformauflagen für die Freigabe weiterer Hilfen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. In gut zwei Wochen muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen, über die es nicht verfügt. Scheitern die Gespräche endgültig, drohen Griechenland die Staatspleite und ein Ausscheiden aus dem Euro. Am 30. Juni läuft das aktuelle Hilfsprogramm aus.

Juncker zuversichtlich, Hollande drängt auf Einigung

Die Zeit wird also immer knapper, es geht inzwischen offenbar schon um Stunden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der seitens der EU den Griechen versuchte, als eine Art Mediator immer wieder entgegenzukommen, ist am Wochenende aber eher verzweifelt. Auch am Sonntag gelang es ihm nicht, “die Kuh vom Eis zu holen”, wie er zuletzt gefordert hatte. Juncker bleibe aber überzeugt, dass bis Ende des Monats eine Lösung gefunden werden könne, wenn die griechische Regierung mehr Reformbemühungen und alle Seiten politischen Willen zeigten, hieß es seitens der Brüsseler Behörde.

Ungewöhnlich eindringlich hat Frankreichs Präsident Francois Hollande am Montag zur raschen Wiederaufnahme der Gespräche aufgerufen. “Lasst uns keine Zeit verlieren, lasst uns so schnell wie möglich die Verhandlungen wieder aufnehmen”, sagte Hollande. “Wir haben jetzt extrem kurze Fristen. Achtung, wir kommen in eine Zeit, die von Turbulenzen geprägt sein kann, wenn keine Einigung gefunden wird.” Hollande kündigte auch an, dass er vermutlich erneut mit Merkel und Tsipras sprechen werde.


Griechenland in der Schuldenkrise: Chronologie 2015

Das hoch verschuldete Griechenland wird seit 2010 mit internationaler Hilfe vor der Pleite bewahrt. Die seit einigen Monaten amtierende Links-Rechts-Regierung will jedoch die harten Sparauflagen abschütteln. Hilfsgelder in Höhe von 7,2 Milliarden Euro sind blockiert.

Jänner 2015

Die Linkspartei Syriza unter Alexis Tsipras gewinnt die Parlamentswahl. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung des vereinbarten Sparkurses.

Februar 2015

Finanzminister Yanis Varoufakis beantragt weitere Unterstützung. Im dritten Anlauf einigen sich die Euro-Finanzminister grundsätzlich auf eine Verlängerung der Finanzhilfen.

März 2015

Athen legt eine Liste mit Reformen vor, die pro Jahr 3 Mrd. Euro einbringen sollen. Die internationalen Geldgeber verlangen Nachbesserungen. Ein drittes Rettungspaket ist im Gespräch.

April 2015

Bei einem Treffen der Euro-Finanzminister im lettischen Riga ist die Stimmung gereizt. Trotz leichter Fortschritte gibt es weiter keine Einigung auf das Reformpaket. Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte es bereits Ende April vereinbart sein. Es werden Spekulationen über einen “Plan B”, der auch einen Euro-Austritt Griechenlands umfassen könnte, laut.

Mai 2015

Das Tauziehen um Reformen geht weiter. Die Finanznot in Athen wird immer größer. Die Regierung sucht nach Geld, um Kreditschulden beim Internationalen Währungsfonds bezahlen zu können.

3. Juni 2015

Nachdem Expertenverhandlungen keine Ergebnisse gebracht haben, lotet nun Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem Kompromisslinien aus. Eingebunden sind auch Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande.

4./5. Juni 2015

Der Internationale Währungsfonds (IWF) gewährt Griechenland einen Zahlungsaufschub bis Monatsende. Insgesamt sind knapp 1,6 Mrd. Euro fällig. Griechenland lehnt Vorschläge der Euro-Partner und des IWF zur Lösung der Schuldenkrise trotz weiterer Zugeständnisse ab.

10./11. Juni 2015

Neuerliche Krisentreffen auf Spitzenebene in Brüssel. Zuvor hatte Athen weitere Reformvorschläge vorgelegt.

12. Juni 2015

Athen hält eine Einigung bis zur Tagung der Eurogruppe am 18. Juni für möglich, die Euroländer erörtern bereits Notfallpläne.

(APA)

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