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Schriftsteller Kurt Vonnegut gestorben

Der deutschstämmige US-Schriftsteller Kurt Vonnegut ist am Mittwochabend 84-jährig in New York gestorben. Er starb an den Folgen einer Kopfverletzung.

Diese hatte er sich vor Wochen bei einem Sturz zugezogen, berichtete die „New York Times“. Vonneguts Bestseller „Schlachthof 5“ wurde zur Bibel der Vietnamkriegsgegner. Außer Romanen schrieb der Kultautor Essays, Theaterstücke und Kurzgeschichten.

Pazifistischer Zyniker mit Massenwirkung

Als habe er geahnt, dass seine Zeit abläuft, zog Kurt Vonnegut im letzten Jahr noch einmal alle Register. In „Mann ohne Land“ attackierte der Kultschriftsteller das Weiße Haus, den Irak-Krieg und die Umweltzerstörung so massiv, als wolle er seine Worte nie verhallen lassen. Jetzt ist Vonneguts Stunde gekommen. Der deutschstämmige Amerikaner erlag am Mittwochabend (Ortszeit) in New York den Folgen einer bei einem Sturz erlittenen Hirnverletzung, berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf einen guten Freund.

„Das allerletzte, was ich jemals wollte, war am Leben zu sein, wenn die drei mächtigsten Menschen auf dem Planeten Bush, Dick und Colin heißen“, begehrte der deutschstämmige Amerikaner in seinem letzten Buch von 2006 auf. Mit seinem Bestseller „Schlachthof 5“ hatte Vonnegut schon in den 60er Jahren die Erinnerung an eines der düstersten Kapitel in der Geschichte Amerikas wachgerufen. „Schlachthof 5“ wurde zur Bibel der Vietnamkriegsgegner.

Kaum ein anderes Buch, von Salingers „Der Fänger im Roggen“ und Kerouacs „On the Road“ einmal abgesehen, hat große Teile der amerikanischen Jugend derartig fasziniert. „Als ich Vonneguts ’Slaughterhouse-Five’ las“, erinnert sich die Literaturkritikerin der „New York Times“, Valerie Sayers, „kam es mir vor, als rutsche der Boden unter meinen Füßen weg.“ Teilnehmer der Massenproteste gegen den Vietnamkrieg hatten die Taschenbuchausgabe bei sich. So mancher der Wehrdienstverweigerer, die damals noch schwer bestraft wurden, kannte ganze Passagen auswendig.

“Schlachthof 5” gar nicht über Vietnam

Dabei geht es in „Schlachthof 5“ gar nicht um Vietnam. Vonnegut, der Ende 1944 als Infantrist der US Army in den Ardennen in deutsche Gefangenschaft geriet, hat in dem Buch die Bombardierung der Dresdener Zivilbevölkerung durch die amerikanische und die britische Luftwaffe verarbeitet. Als Kriegsgefangener im Herkunftsland seiner Vorfahren war er bei der Bergung der Leichen aus zerbombten Häusern eingesetzt. Was er in dem 1969 erschienen Werk schilderte, wurde als Botschaft gegen jeden Krieg verstanden und auf den gerade in Vietnam tobenden angewandt.

Das allein erklärt nicht die Massenwirkung, die Vonnegut vor allem unter Studenten und halbwüchsigen Schülern erreichte. Was die Jugend neben seiner konsequent pazifistischen Haltung ansprach, war der außergewöhnliche, an die Pop Art erinnernde Stil. Er findet sich in allen seiner 14 Romane wieder, vom Erstling „Das höllische System“ (1951) über „Hokus Pokus“ (1990) bis zu „Zeitbeben“ (1997).

Vonnegut hat immer wieder Zitate und halb ausgearbeitete Sätze, rein erzählerische Elemente, Dokumentenauszüge, Liedzeilen, harmlose wie geschmacklose Witze sowie viele Sex-Szenen gemischt – und dann mit seinem atemberaubenden Zynismus gewürzt.

Dank des Dresden-Buches, sagte er einmal, gehöre er zu denen, die an der Bombardierung der Stadt gut verdient hätten. Wenn man von 135.000 Toten ausginge, müssten es wohl „fünf bis zehn Dollar pro Kopf“ gewesen sein. Schockieren, um auf den alltäglichen Wahnsinn aufmerksam zu machen – diese Methode hat der Autor perfektioniert. Mit seinem eigentümlichen Stil wurde er zu einem Sonderfall der Literatur.

Akademische Kritiker lobten Vonneguts Experimente als bahnbrechend, dennoch erreichte er ein Massenpublikum, vor allem unter der Jugend. Wohl deshalb erschienen seine Werke – in Umkehrung gängiger Marktregeln – meist zunächst als Taschenbuch und erst danach als teure Leinenausgabe. Dabei ist der Schriftsteller so vielen irgendwie auf die Füße getreten.

Feministinnen zum Beispiel rümpften die Nase über Sätze wie diesen: „Keine schöne Frau kann die Erwartungen, die wegen ihres Aussehens in sie gesetzt wurden, über einen annehmbaren Zeitraum hinweg rechtfertigen.“ So richtig gehasst wurde er von Vertretern der Nixon-Regierung, gegen deren Napalm-Krieg der Autor die akademische Jugend mit flammenden Reden aufstachelte.

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