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„Wie kriegt er jetzt noch Luft?"

Kinder gehen mit Trauer anders um.
Kinder gehen mit Trauer anders um. ©APA
Wenn etwas Schlimmes passiert brauchen Kinder Normalität – und Erwachsene, die ihren Fragen mit Offenheit begegnen.
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Max ist traurig, nachdem sein Hamster gestorben ist. „Sollen wir ihn beerdigen?“, fragt seine Mutter. Max antwortet: „Nein, schmeiß ihn auf den Biomüll, da hat er was zu fressen.“ Mit diesem Beispiel veranschaulichte die Innsbrucker Psychologin und Professorin Barbara Juen, dass kleine Kinder ein anderes Verständnis von Tod haben als Erwachsene. Die Leiterin des Kriseninterventionsteams Tirol zeigte in der Reihe „Wertvolle Kinder“ – diesmal im voll besetzten Medienhaus – anhand zahlreicher Fälle aus der Praxis, wie Kinder auf traumatische Situationen, also Tod oder schwere Verletzungen, reagieren.

Wie verstehen Kinder den Tod?

„Das Verstehen des Todes ist sehr altersabhängig“, so Juen. Kindern im Vorschulalter müsse die Endgültigkeit des Todes immer wieder erklärt werden. „Wie kriegt er jetzt noch Luft“ oder „Wie kann er aufs Klo gehen?“ sind typische Fragen von kleinen Kindern nach einer Beerdigung. Wichtig sei dabei, auf die Frage der Kinder, wann die oder der Verstorbene wiederkomme, nicht zu antworten: „Er kommt nicht wieder.“ Ebenso wenig wie „Er kommt später“ oder „Er ist auf Urlaub gefahren“, sondern: „Der Papa kann nicht wiederkommen“. Schulkinder hingegen wissen bereits, dass Tote nicht wiederkehren. Bei ihnen steht die Angst davor, dass noch jemand oder sie selbst sterben könnten, im Vordergrund, bei Jugendlichen hingegen die Frage: „Hätte ich oder jemand das schlimme Ereignis verhindern oder vorhersehen können?“

Du darfst mich alles fragen

Generell müssten Erwachsene offen für die Fragen der Kinder sein. „Kinder brauchen zwar Schutz, aber auch kindgerechte Erklärungen“, konstatierte Juen und rät: „Lassen Sie sich von den Fragen leiten und trauen Sie sich, die Wahrheit zu sagen.“ Von größter Bedeutung sei die Botschaft: „Du darfst mich alles fragen, was und wann du willst.“ Dabei sollen Erwachsene keine Scheinsicherheit geben und nichts beteuern, was sie nicht wissen.

Du darfst mit deinen Freunden spielen

Kinder und Jugendliche unterscheide von Erwachsenen zudem, dass sie negative Emotionen wesentlich weniger lange aushalten könnten. „Sie switchen aus der Emotion raus, wenn man sie lässt.“ Unbedingt solle man seinen Kindern Ablenkung und die Möglichkeit, aus der Trauer herauszugehen, zugestehen. Und Alltagsroutinen so gut wie möglich aufrechterhalten, denn: „Wenn die Alltagsstruktur auseinanderfällt, zerbricht für Kinder die ganze Welt“.

Unser Alltag bleibt aufrecht

„Schulkinder schämen sich oft, sie wollen nicht anders sein als die anderen“, erläuterte die Expertin. Ihre Freunde brauchen sie nicht als Gesprächspartner, um über das Erlebte zu reden, sehr wohl aber, um sich abzulenken.“ Darüber hinaus helfe Kindern Normalität, Spiel und Bewegung, aber auch Grenzen und vor allem: Zuwendung und Hoffnung.

Vortrag in der Vokithek nachhören!

In unserer Vokithek können Sie den gesamten Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Barbara Juen mit vielen Beispielen aus der Praxis der Krisenintervention nachhören.

Unter dem Titel „Für immer anders“ geht es im nächsten Wertvolle-Kinder-Vortrag darum, wie Eltern trotz der eigenen Trauer und Betroffenheit nach Krankheit, Verletzung oder Tod ihren Kindern gute Begleiter sein können.

Zur Autorin:

Die ehemalige Journalistin Christine Flatz-Pisch ist selbst Mutter von zwei Kindern und beim Vorarlberger Kinderdorf für PR und Medien zuständig. Sie studierte zudem an der Fern-Universität Hagen Soziologie und Psychologie.

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