Schinken und Melone auf 1.892m? Hüttenwirte schlagen Alarm wegen Touristen-Wahnsinn

Südtirol, mit seinen majestätischen Dolomiten, ist ein Sehnsuchtsort. Doch die Schönheit der Landschaft zieht nicht nur erfahrene Bergfexe an, sondern auch eine Flut von Besuchern, die das alpine Gelände unterschätzen. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Wanderer laut Experten nahezu verdoppelt. Die Sehnsucht nach Natur und Abstand lockte viele in die Berge, die zuvor kaum Kontakt mit alpiner Umgebung hatten. Das Ergebnis? Überfüllte Pfade, genervte Einheimische und eine steigende Zahl von Notfällen.
Ein drastisches Beispiel ist das kleine Südtiroler Dorf St. Magdalena, das mit rund 370 Einwohnern täglich über 1.000 internationale Fototouristen verkraften muss. Die Bewohner fühlen sich wie im Zoo – ein Gefühl, das sich vielerorts in den Alpen breit macht.
Wenn der Berg zum Laufsteg wird: Der Einfluss der sozialen Medien
Ein Haupttreiber dieser Entwicklung sind die sozialen Medien. Atemberaubende Fotos von Bergseen und Gipfeln verbreiten sich rasend schnell und erzeugen den Eindruck, dass diese Orte mühelos erreichbar seien. „Die Leute sehen Fotos von einem Ort, der ihnen gefällt, und denken, es sei einfach, dorthin zu gelangen“, erklärt Damiano Carrara, ein Delegierter des Italienischen Alpenvereins. Die Realität ist jedoch eine andere: Wandern in den Bergen ist nie einfach und erfordert Vorbereitung und Respekt.
Viele Touristen jagen nur dem „perfekten Bild“ hinterher und sind dabei völlig unzureichend ausgerüstet. Ein Bergbewohner berichtet fassungslos: „Sie kommen mit zwei Pfund schweren Rucksäcken, mit nacktem Oberkörper und ohne Pullover an und merken dann, dass es auf 2.300 Metern kalt ist. Ich habe einen von ihnen gefragt: ‚Wo sind deine langen Hosen?‘ ‚Zu Hause‘, antwortete er.“
Die Last der Hüttenwirte und die Sicherheit am Berg
Die Hüttenwirte stehen an vorderster Front dieser Entwicklung. Sie sind nicht nur Gastgeber, sondern oft auch Ersthelfer, Ratgeber und manchmal unfreiwillige Erzieher. Die Forderung nach „Schinken und Melone“ auf einer Berghütte ist dabei nur ein kurioses Beispiel für die fehlende Vorstellungskraft mancher Besucher. Heißt es doch: Ein Elektroboiler auf 1.892 Metern dient dem Abwasch und der Wäsche, nicht dem Wellness-Erlebnis.
Diese fehlende Einsicht und die Unterschätzung der alpinen Gefahren führen zu einem enormen Mehraufwand für die Hüttenbetreiber und die Bergrettung. Sie müssen sich um unerfahrene, verirrte oder unterkühlte Wanderer kümmern, anstatt ihre eigentlichen Aufgaben zu erfüllen. Der Erhalt der Berghütten ist ohnehin eine Herausforderung, da sie oft unter schwierigen Bedingungen betrieben werden müssen. Unerwartete Anforderungen und das Missachten grundlegender Regeln belasten sie zusätzlich.
"Hüttenknigge" und bewusster Tourismus
Der Alpenverein und engagierte Bergbewohner rufen zu mehr Bewusstsein und Respekt auf. Der sogenannte „Hüttenknigge“ soll Besuchern die wichtigsten Regeln für das Verhalten am Berg und in den Schutzhütten näherbringen. Dazu gehören:
- Vorbereitung ist alles: Informieren Sie sich über Wetter, Route und Schwierigkeitsgrad. Packen Sie die richtige Ausrüstung (Kleidung, Schuhe, Verpflegung, Erste-Hilfe-Set) ein.
- Respekt vor Natur und Mensch: Bleiben Sie auf den markierten Wegen, nehmen Sie Ihren Müll mit und verhalten Sie sich rücksichtsvoll gegenüber Tieren und anderen Wanderern.
- Anerkennung der Hüttenregeln: Eine Berghütte ist kein Hotel. Heiße Duschen sind Luxus, Essenswünsche sind an das Angebot angepasst. Nehmen Sie Rücksicht auf die knappen Ressourcen und die Arbeit der Hüttenwirte.
- Sicherheit zuerst: Schätzen Sie Ihre Fähigkeiten realistisch ein. Bei aufziehendem Schlechtwetter oder auf schwierigen Passagen ist Umkehren keine Schande, sondern vernünftig.
Der Berg ist kein Abenteuerspielplatz ohne Regeln, und er ist auch kein Hintergrund für das nächste Instagram-Bild um jeden Preis. Er ist ein empfindlicher Lebensraum und ein Ort, der Respekt und Wissen erfordert. Nur mit einem Umdenken der Touristen kann das Gleichgewicht zwischen Erlebnis und Erhalt der alpinen Regionen langfristig gewahrt werden.
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