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Schiffe versenken vor Libyen? Wie die EU Schlepper bekämpfen will

Treffen der Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel.
Treffen der Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. ©EPA
Die EU will mit Militäreinsätzen gegen Schlepperbanden die Zahl der Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer verringern. An diesem Montag sollen die Planungen bei einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister vorangebracht werden.
EU-Treffen zu Anti-Schlepper-Mission

Wie könnte der Einsatz ablaufen? Wann starten wo welche Schiffe?

Zunächst einmal will die EU versuchen, sich mit Satelliten, Aufklärungsschiffen, Flugzeugen oder Drohnen ein möglichst genaues Bild von der Lage an der libyschen Küste zu verschaffen. Dabei könnten auch Mobiltelefone und andere Kommunikationsmittel der Schlepper abgehört werden. Im nächsten Schritt will die EU dann die von Menschenschmugglern genutzten Boote beschlagnahmen oder sogar zerstören. Damit würde ihr Geschäftsmodell angegriffen.

Wo will die EU zugreifen?

Militäreinsätze könnte es gegen Schiffe geben, die auf hoher See fahren, aber auch gegen solche, die direkt an der Küste Libyens unterwegs sind, dort ankern oder in Häfen liegen. Über das Bürgerkriegsland werden nach Schätzungen der EU 80 Prozent des illegalen Menschenschmuggels im Mittelmeer organisiert. Im Idealfall werden Schiffe angegriffen, bevor sie Migranten an Bord genommen haben.

Ist für die Militäreinsätze in libyschen Hoheitsgewässern ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen notwendig?

Nicht unbedingt. Theoretisch würde es ausreichen, wenn der libysche Staat dem Einsatz zustimmt. Das Problem: In dem nordafrikanischen Land gibt es momentan keinen kompetenten Ansprechpartner. Seit Langzeit-Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, rivalisieren islamistische Milizen und moderate Kräfte um Macht und Einfluss. Die international anerkannte Regierung ist mittlerweile ins ostlibysche Tobruk geflohen, eine islamistische Gegenregierung sitzt in der Hauptstadt Tripolis.

Gilt das auch für Einsätze außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer?

Wenn ein Schlepperschiff auf hoher See nicht unter der Flagge eines Landes fährt, könnte es nach Einschätzung der EU auch ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates beschlagnahmt werden. Wenn es allerdings eine Länderflagge führt, muss der Flaggenstaat zustimmen – oder es ist eine UNO-Resolution notwendig.

Wenn es Grünes Licht für den Einsatz geben sollte, wird er für die beteiligten Soldaten oder Migranten gefährlich?

Die erheblichen Risiken der Pläne werden nicht verschwiegen. An der Küste Libyens gibt es laut einem internen EU-Papier schlagkräftige Milizen und schwere Waffen inklusive Artilleriebatterien, die eine ernste Gefahr für Schiffe und Flugzeuge der EU darstellen könnten. Konkret führen Experten auch Gefahren durch Migranten oder Schlepper mit ansteckenden Krankheiten auf. Gesundheitsrisiken könnten sich demnach dann ergeben, wenn nach einem Einsatz auf See aufgegriffene Menschen an Land transportiert werden müssen. Zudem könnten Schlepperbanden Migranten als menschliche Schutzschilde missbrauchen oder als Geiseln nehmen.

Gibt es auch politische Risiken?

Als politisches Risiko gelten mögliche negative Auswirkungen auf die UNO-Friedensbemühungen in Libyen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte beispielsweise jüngst, er halte die Bedingungen für Operationen im Land derzeit nicht für gegeben.

Wird der Einsatz die Schlepperbanden komplett ausschalten können?

Nein. Experten sind sich sicher, dass für Schlepperkriminalität dasselbe gilt wie für Kriminalität insgesamt. Das heißt: Sie lässt sich eventuell eindämmen, aber nicht aus der Welt schaffen. Bootsunglücke mit Hunderten Toten könnte es in Zukunft jedoch deutlich seltener geben. Die Zahl größerer Schiffe ist begrenzt. Sie lassen sich nach einer Zerstörung nicht so schnell ersetzen wie kleinere Schlauchboote.

Was passiert mit festgenommenen Schleppern und den Migranten, die bei den Militäreinsätzen auf See eventuell aufgegriffen werden?

Das ist noch nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich ist, dass auf hoher See aufgegriffene Personen erst einmal in den nächsten größeren EU-Hafen gebracht werden – also nach Italien. Für die strafrechtliche Verfolgung der Schlepper müssen noch Pläne erarbeitet werden. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat klar gemacht, dass kein Migrant gegen seinen Willen in das Transitland Libyen zurückgebracht werden soll.

Wann könnte es losgehen?

Länder wie Italien wollen mit dem Einsatz so schnell wie möglich beginnen. Diplomaten gehen davon aus, dass bereits beim EU-Gipfel im Juni der offizielle Startschuss gegeben werden könnte. Dann würden erst einmal die Aufklärungskapazitäten in Stellung gebracht.

Könnten die Pläne für den Militäreinsatz noch platzen?

Als Mitglied des Sicherheitsrates könnte beispielsweise Russland einem UNO-Mandat zur Zerstörung von Schiffen die Zustimmung verweigern. Der EU bliebe dann nur der Versuch, Grünes Licht von den Konfliktparteien in Libyen zu erhalten.

(DPA, APA)

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