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Salzburger Pfingstfestspiele: Zweites Kopfrollen nach Noten

Der Kopf des Holofernes ist dieser Tage in Salzburg gleich zweimal gerollt. Einmal hat Judith ihn nach Mozart vom Rumpf des grausamen Feldherrn getrennt. Und am Montagvormittag zum Abschluss der Salzburger Pfingstfestspiele 2010, metzelte die schöne Witwe nach Niccolo Jommelli (1714-1774).
Auch dieser hatte – wie 40 weitere Komponisten – den alttestamentarischen Stoff von Librettist Pietro Metastasio in ein Oratorium, also eine Opera sacra gegossen. Riccardo Muti, der künstlerische Leiter der Pfingstfestspiele, hat das aus dem Konzertbetrieb längst verbannte Werk aus den Archiven gekramt und in der Felsenreitschule zur Aufführung gebracht.

Erstaunlich aber wahr, Jommelli braucht sich hinter Mozart nicht zu verstecken. Auch Jommellis Konzept besteht aus dem ewigen Wechsel zwischen langen, die Handlung erzählenden Rezitativen und Gefühle ausdrückenden Arien. Zur Ehrenrettung Mozarts muss angemerkt werden, dass er 14 war, als er dieses Auftragswerk geschrieben hat und viel, viel Besseres nachgeliefert hat. Dennoch ist auch dem neapolitanischen “Betulia”-Komponisten Jommelli nicht abzusprechen, dass viele seiner Arien Pfiff haben, auch wenn knapp zwei Stunden nicht nötig wären, um Geist, Idee und Inspiration des Werkes deutlich zu machen.

Muti hat Gesangssolisten eingeladen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Einmal Laura Polverelli als Judith, deren weich tremolierender Mezzo weder die Dramatik der Figur, noch die spätbarocke Klangfarbe über die Rampe brachte. Auch der russische Tenor Dmitry Korchak als Camri und Bassbariton Vito Priante als Achior sind ehrbare, technisch reife Sänger, die ihre Arien musikalisch im Griff hatten. Klanglich würden alle drei aber besser zu Literatur passen, die weniger Kraft und Schmelz braucht als schlanke, feingliedrig-klare Stimmbeherrschung in den Koloraturen.

Der 25-jährige Schweizer Countertenor Terry Wey hat die Kastanien für die Sänger, für Musikchef Muti und die Pfingstfestspiele an diesem Vormittag aus dem Feuer geholt. Grandios wie leichtfüßig Wey durch die Koloraturen fegt, wie traumwandlerisch sicher er intoniert, wie kraftvoll klar er rhythmisiert, und wie er das Vibrato als seltene Verzierung an die richtigen Stellen setzt und nicht dauerhaft und großflächig dazu mischt.

Mutis Orchestra Giovanile Luigi Cherubini präsentierte sich so wie schon öfters in Salzburg als gutes, solides Gebrauchsorchester, das dort seine Grenzen fand, wo etwa die Streicher den Chor in ausgesetzt hoher Lage im Pianissimo zart und sauber begleiten müssten (Arie Nr. 7). Auch die aus Cembalo, Harfe, Orgelpositiv und Gambe bestehende Continuogruppe suchte ihr homogenes Klangbild meist vergebens. Der von Walter Zeh einstudierte Philharmonia Chor Wien punktete hingegen mit wunderschönen Piani und kräftigen Deklamationen auf der Habenseite dieser Matinee, mit der die Salzburger Pfingstfestspiele heftig beklatscht, aber künstlerisch wenig berauschend zu Ende gingen.

(Von Christoph Lindenbauer/APA)
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