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Sakraler Einmenschraum

©Angela Lamprecht
Ganz Riefensberg hat mitgeholfen, am Waldesrand eine kleine Kapelle zu bauen, in der nur ein Mensch Platz hat.

Mit dem Gedanken, am Waldesrand oberhalb ihrer Häuser einen kleinen (Ge-)denkraum zu errichten, gingen die Bewohner(innen) der Riefensberger Parzelle Bach schon länger schwanger. Architekt Julius Häusler hat die Idee nun Wirklichkeit werden lassen.

Oberhalb des Dorfes und abseits der Straße steht die kleine Kapelle direkt am Waldesrand. Das Gelände ist steil, die Annäherung ist allein zu Fuß möglich.

Praktisch ganz Riefensberg hat mitgeholfen, als es um den Bau eines Bildstockes – der eigentlich eine winzige Kapelle ist – gegangen ist, um auf diese Weise mit einem kollektiven Trauma nach einem tragischen Ereignis fertigzuwerden. Jeder und jede hat sich dabei auf seine oder ihre Art bei der Errichtung dieses Orts des Erinnerns, des stillen Innehaltens eingebracht. Die einen haben selbst Hand angelegt, andere haben durch das Sponsoring von Baumaterialien dazu beigetragen, dass eine wunderbare Idee Realität werden konnte.

Steil: Durch sein extrem Satteldach wird die traditionelle Form des Bildstocks zitiert. Der Baukörper besteht aus gestocktem Sichtbeton, das Dach ist mit Kupferblech überzogen.

Den Wunsch etwas außerhalb des Dorfes in der Nähe jenes Ortes, wo schon früher einmal ein Bildstock gestanden ist, einen (Ge-)denkraum zu errichten, einen Platz, an dem man mit sich, seinen Gedanken und Sorgen allein sein kann, geistert in den Köpfen der Bewohner der kleinen Riefensberger Parzelle Bach schon seit Jahren herum. Eine rasch hingeschriebene Skizze der späteren Baugemeinschaft diente nun dem jungen Riefensberger Architekten Julius Häusler als Basis für einen Entwurf, der in seiner schlichten Archaik perfekt ist. Nichts ist da zu viel, nichts zu groß oder mit oberflächlichem Pathos aufgeladen. Es ist, was es ist. Gestellt außerhalb des Dorfes leicht abseits der kurvigen Straße direkt an den Waldesrand.

Symbiose: Eckiges und Rundes, Hartes und Weiches, Archaik und Poesie spielen in dem hl. Matthäus geweihten Kirchlein stimmig zusammen.

Die Annäherung zu dem kleinen Stückchen zeitgenössischer Baukunst erfolgt ganz langsam, zu Fuß über einen schmalen Weg, der eine an einem steilen Hang liegende Wiese quert. Um so selbstverständlich dazustehen, als hätte es diese winzige Kapelle schon immer gegeben. In der ganz bewusst nur ein Mensch Platz hat. Der auf diese Weise ganz auf sich selbst zurückgeworfen, sich vielleicht seiner Endlichkeit bewusst wird, um sich gerade dadurch wieder mehr an seiner Lebendigkeit zu erfreuen.

Wie ein großes Schlüsselloch ist der Eingang konisch in die waldseitige Fassade hineingeschnitten. Die Türe ist aus Holz und steht Tag und Nacht für Besucher(innen) offen.

Das Außenmaß der dem hl. Matthäus geweihten Kapelle beträgt 2,40 mal 2,40 Meter. Gebaut über einem die Steilheit des Geländes ausgleichenden Sockel aus glattem Sichtbeton aus dessen gestockter Variante, bei deren schweißtreibender Bearbeitung die ganze Baugemeinschaft abwechselnd mithelfen konnte. Mit dem Ergebnis, dass der Beton auf diese Weise schön steinig, fast wie der Nagelfluh der Umgebung, daherkommt. Für den kleinen Innenraum wurde nach den Plänen von Julius Häusler vom Tischler vor Ort dagegen ein „Futter“ aus dem Holz sägerauer Fichte fein von Hand „genäht“. Wodurch sich das harte Äußere in ein weiches Inneres verwandelt, Anorganisches in Organisches, das Eckige in Rundes, das sich im offenen Dachstuhl wieder auflöst. Der Typologie lokaler Bildstöcke folgend, ist das Satteldach extrem steil und mit Kupferblech überzogen, das mit den Jahren eine malerische Patina bekommen wird.

Platz ist in der kleinen Kapelle nur für eine Person. Eine in die linke Innenwand geschnittene Nische ist dazu da, um kleine Dinge der Erinnerung abzulegen.

Der durch eine ganzjährig Tag und Nacht nicht verschlossene Schiebetüre aus Holz markierte Eingang zum kleinen Kirchlein ist konisch in die waldseitige Front geschnitten. Um auf diese Weise fast wie ein Schlüsselloch bzw. eine Schleuse zwischen dem Innen und Außen daherzukommen. Zum Ausrasten, die Stille und die Natur bzw. das Panorama genießen steht vor der talseitigen Fassade eine Bank aus Sandstein. Das Glas des Bullauges, das vis-à-vis der Türe in die Wand geschnitten ist, wurde von einer mit den Erbauern befreundeten Künstlerin poetisch mit einer Richtung Abendsonne entfliehenden blauen Libelle bemalt. In der rechten Nische des kleinen Andachtsraums steht dagegen eine alte Marienstatue, die aus einer früheren Riefensberger Kapelle stammt. Die Nische gegenüber ist dazu da, um hier kleine Dinge in Erinnerung an Vergangenes zu platzieren. Das Dach wird von einem kleinen Kreuz bekrönt, größere markieren das Äußere der zwei Seitenwände. Gebildet aus in die Wände eingelassenen Kreisen.

Julius Häusler dichtet: "Am Waldesrand steht ein Bildstock so hübsch und fein. Von außen bin ich hart wie Stein, trotze dem Wetter, dem Wald und der Zeit. Im Inneren bin ich weich und hell. Mein hölzernes Kleid schafft Wärme, nimmt dich mit und setzt dich behutsam wieder ab."

Licht kommt durch das vis-à-vis des Eingangs liegende, mit einer Richtung Abendsonne davonfliegenden Libelle bemalten Bullauge in den kleinen, komplett mit Holz ausgekleideten Raum.
Die Hülle des Baukörpers mit seinem quadratischen Grundriss besteht aus gestocktem Beton, das Innere wurde vom örtlichen Tischler komplett mit Holz ausgekleidet.

Daten und Fakten

Objekt Bildstock Riefensberg
Bauherren Gemeinschaft Parzelle Bach
Architektur Häusler Bau und Architektur, Riefensberg, www.haeusler.work
Statik Günther Hammerer, Egg, www.plandrei.at
Fachplanung Elektro: Fink f², Riefensberg
Planung 12/2019 – 3/2020
Ausführung 6/2020 – 10/2020
Bauweise Gestockter Stahlbeton; Holzverkleidung innen: Tanne; Dach: Kupfer
Besonderheiten Innenraum rundverkleidet
Ausführung Baumeister: Berkmann, Riefensberg; Tischler: Ludwig Feuerstein, Riefensberg; Spengler: Peter Kempter, Stiefenhofen; Elektro: f², Riefensberg; Glaskunst: Claudia Zengerle

Handwerklich vom Feinsten sind sämtliche Details des gesamtkunstwerklich angelegten kleinen Bauwerks. So etwas wie "geht nicht" gab es bei der Ausführung nicht.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Angela Lamprecht

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