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Russland: Streit unter Geiselnehmern

Nach der Tragödie von Beslan sind am Montag weitere Einzelheiten des Geiseldramas bekannt geworden. Demnach gab es unter den Tätern Streit, weil einige unter ihnen gegen die Entführung von Kindern waren.

In Beslan wurden weitere 120 der Opfer zu Grabe getragen, in Russland begann eine zweitägige Staatstrauer. Die Besetzung der Schule und ihre Erstürmung am Freitag kosteten nach offiziellen Angaben vom Montag mindestens 365 Menschen das Leben, darunter 30 Extremisten.

Unterdessen wird zunehmend Kritik am Verhalten der Behörden laut. Selbst das staatliche Fernsehen erklärte, das Ausmaß des Geiseldramas in Nordossetien sei unterschätzt worden. „In solchen Augenblicken braucht die Gesellschaft die Wahrheit“, sagte Sergej Briljow, ein Kommentator des Fernsehsenders Rossija, am Sonntagabend. Die Behörden hatten die Zahl der Geiseln zunächst viel zu niedrig beziffert. Erst am Wochenende räumte ein Sprecher ein, die Extremisten hätten mehr als 1.100 Menschen in ihrer Gewalt gehabt.

Angesichts dessen äußerten viele Bewohner von Beslan auch Zweifel an den offiziellen Angaben zur Zahl der Opfer. Ebenso in Frage gestellt wurde die Aussage, dass die Geiselnehmer zum Teil aus arabischen und afrikanischen Staaten stammten. Mehrere der befreiten Geiseln sagten, sie hätten die Terroristen für Tschetschenen gehalten. Aslanbek Aslachanow, ein Berater von Präsident Wladimir Putin, hatte zuvor erklärt, die Gruppe sei „vollkommen international“ gewesen.

Drei Verdächtige wurden nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax am Samstag in Beslan festgenommen. Ein ranghoher Beamter der Staatsanwaltschaft erklärte, die Zelle der Geiselnehmer sei vom tschetschenischen Rebellenführer Schamil Bassajew gegründet worden. Die Gruppe habe auch einen Überfall auf Sicherheitskräfte in der Nachbarrepublik Inguschetien im Juni verübt, bei dem 88 Menschen getötet wurden. Der mutmaßliche Anführer der Geiselnehmer, der Ingusche Magomed Jewlojew, wurde laut Interfax nicht unter den Toten entdeckt.

Der Fernsehsender Kanal 1 zeigte am Sonntagabend Bilder eines Mannes, der nach Angaben des stellvertretenden Generalstaatsanwalts Sergej Fridinski an dem Überfall auf die Schule beteiligt war. Der Verdächtige, der Russisch mit einem ausländischen Akzent spreche, liefere den Ermittlern nützliche Hinweise, sagte Fridinski. Ein Anwalt des Mannes erklärte, der Anführer der Geiselnehmer habe seine Mittäter über die Ziele der Aktion im Unklaren gelassen. Nach der Geiselnahme sei ein heftiger Streit entbrannt, da mehrere Mitglieder der Gruppe gegen eine Geiselnahme von Kindern gewesen seien. Der Anführer habe den Wortführer der Abweichler erschossen und die Sprengstoffgürtel von zwei Frauen in der Gruppe ferngezündet, um die Ordnung wieder herzustellen, sagte der Anwalt.

Aus Sicherheitskreisen verlautete, dass die Täter den Überfall vom Mittwoch offenbar seit Monaten vorbereitet und ihre Waffen im Zuge von Bauarbeiten heimlich auf das Schulgelände geschafft hätten.

Aus dem Ausland trafen unterdessen medizinische Hilfslieferungen in Nordossetien ein. Auch die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz und World Vision entsandten Hilfsgüter und baten um Spenden für die Opfer. Mehr als 400 Verletzte befanden sich nach Angaben des nordossetischen Gesundheitsministeriums am Montag noch in Krankenhäusern, die Hälfte davon Kinder. Von den Toten waren viele bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Bei rund 60 Opfern könne erst eine DNA-Analyse die Identität klären, berichtete die Nachrichtenagentur ITAR-TASS.

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