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Ruggedigu

Gott hat vom Deibel eine Drohne bekommen und lässt sie kreisen. Es ist die Friedensdrohne. Sie gleicht einer surrenden Mücke. Drinnen hockt das Gutteufelchen und schreit: „Frieden, Frieden“, immer wieder, wie ein Papagei. Gräßlich, süßlich, christlich, fordernd, flehend, vernünftig. Es kräht das Wort millionenfach, lässt es durch die Websites flackern, in unerträglich doofen Neujahrsansprachen schluchzen, lässt Friedenstauben steigen. Eine sondert sich ab: „Ruggedigu, Ruggedigu, Blut ist im Schuh!“

Ich bekomme die Freisen, wenn Licht ins Grusel hereindunkelt und die Bundesmarionetten anrücken. Brechreizend. Same procedure as every year, wenn der präsidiale Staatsmelancholiker van der „Frieden“ bellt, wenn die Staatsklabautermänner und -frauen im ORF zum Spenden schreiten, wenn der Schön im Kardinalsrock bornt und mit bittersüßem Putenlächeln in alle Richtungen kreuzsegnet. Ziemlich anmaßend, dieses Rundherumgesegne. Ich sehe zu, nicht von so einer Kreuzsegenshand erwischt zu werden. Ach Gott, kannst du deine Weihwasserträger nicht etwas modernisieren?

Gottes Friedensdrohne surrt weiter, gefolgt vom digitalen Friedenstaubenschwarm. In allen Varianten künden die öffentlichen WortspenderInnen das kitschige Lied vom Frieden. Die Hierarchieleiter vom Präsidenten bis zu den kleinen BürgermeisterInnen quakt F.R.I.E.D.E.N. Und damit es auch sicher ins Köpfchen geht, fordert der Pfarrer: „Gebt euch ein Zeichen des Friedens!“ Und alle meinen es gut. Gut gemeint ist … Im Krieg wird der Volk keinen einzigen der Prediger an der Front finden. Sie hocken auf der nächsten Friedens-, Klima-, G20-, Welthunger- und Migrationskonferenz und reden und reden. Beim Small Talk werden Waffegeschäfte gemacht.

Ich halte die Ohren zu und lese im Hessischen Landboten: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. (…) Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde
verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen“ (Georg Büchner 1834).

Die weihnachtlichen Friedensbeschwörungen der Vornehmen 2018 haben mit der Gegenwart nichts zu tun. Ruggedigu. Helene Fischer und Hansi Hinterseer sind dagegen intellektuelle Sahne. Je mehr vom Frieden gesabbert wird, umso deutlicher tritt der Krieg hervor. Wir befinden uns im latenten Kriegszustand. Blut ist im Schuh. Unterm Plastikweihnachtsbaum liegt ein Buch von Stanislaw Lem. Es trägt den Titel „Friede auf Erden“. Science Fiction.

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