Panzer, Faustfeuerwaffen, Lenkflugkörper, Munition: Die Bodenseeregion beheimatet eine florierende Rüstungsindustrie. In kaum einem anderen Landstrich gibt es eine vergleichbar hohe Dichte an produzierenden Rüstungsbetrieben. Nur die Vorarlberger Seite des Sees scheint ausschließlich für friedliche Zwecke zu forschen und zu produzieren. Der Industriellenvereinigung Vorarlberg (IV) sei jedenfalls nicht bekannt, dass heimische Betriebe als Zulieferer für deutsche oder Schweizer Rüstungsbetriebe arbeiten, so Geschäftsführerin Michaela Wagner auf VN-Anfrage. Allerdings sei ihr auch nicht bekannt, dass es überhaupt am Bodensee eine Rüstungsindustrie gebe.
Lange Tradition
Die Waffen- und Rüstungsindustrie am Bodensee hat eine lange Tradition, sagt Lothar Höfler, Initiator der Internetseite www.waffenvombodensee.webnode.com. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei diese Tradition fortgeführt worden. Heute fänden alleine auf deutscher Seite des Sees 7200 Menschen Beschäftigung in der Rüstungsindustrie. Mit Rüstungsgütern lässt sich gutes Geld verdienen. Auch in der neutralen Schweiz. Beginn einer Rundreise um den Bodensee. Erste Station: Heerbrugg, gleich über der Grenze bei Lustenau. Dort ist die Vectronix AG beheimatet. Ein Unternehmen, das optische Geräte erzeugt. Das Geschäftsfeld Defense deckt den militärischen Bereich ab. Auf der Internetseite des Unternehmens wird in englischer Sprache penibel unterteilt in Artilery, Special Forces, Infantry oder Future Soldier Technology.
Geschützrohre aus Steinach
Nächste Station: Steinach. Der 3300-Einwohner-Ort zwischen Rorschach und Romanshorn ist Firmensitz von Hartchrom. Das Unternehmen hat sich laut Homepage auf komplexe Veredlung von Innenflächen spezialisiert. Angewendet wird das Knowhow unter anderem bei Geschützrohren mittleren und großen Kalibers. Weiter nach Kreuzlingen zur General Dynamics European Land Systems-Mowag GmbH. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine Firma, die Panzer herstellt. Gefertigt wird unter anderem der Mowag Piranha. Weltweit sollen 8000 der Radschützenpanzer vom Bodensee im Einsatz sein. Letzte Station in der Schweiz: rund 200 Meter vom Rheinfall entfernt steht die Fabrik von Swiss Arms. Schon der Name erzählt ganz ohne Tarnung, was in den Hallen produziert wird: Waffen. Die Granatgewehre werden auf der martialisch gestalteten Homepage der Firma unter anderem als wirkungsvolle Waffe im Kampf gegen verschanzte Gegner angepriesen.
Ein Dutzend Firmen
Grenzübertritt nach Deutschland. Ein Dutzend Firmen haben Lothar Höfler und seine Mitstreiter am deutschen Bodenseeufer ausgemacht, die Teil der Rüstungsindustrie sind. Eine davon ist die Rheinmetall Soldier Electronics GmbH (ehemals Oerlikon Contraves AG) in Stockach. Die Tochtergesellschaft der Rheinmetall AG habe sich unter anderem auf die Entwicklung und Fertigung von Ausrüstung für die Infanterie spezialisiert, so Höfler auf seiner Homepage. Informationen, die die eigene Internetseite des Unternehmens bestätigt. Weiter zur Diehl BGT Devence GmbH in Nußdorf bei Überlingen. Das Produktportfolio: u.a. die modernsten Lenkflugkörper der Welt, Großkaliber-Munition und Seezielflugkörper.
Zulieferer aus Friedrichshafen
Eines der Zentren für militärische Produkte am See ist Friedrichshafen. Gleich drei Unternehmen produzieren für die Rüstungsindustrie. Der Automobilzulieferer ZF-Friedrichshafen etwa stellt auch Getriebe für Panzer und militärisch genutzte Lkw her, MTU Friedrichshafen liefert Motoren für Panzer wie den Puma oder Leopard2 und Avitech ist IT-Anbieter zur Luftraumüberwachung. AC & S Aerospace Consulting und Services (Langenargen) und Liebherr-Aerospace Lindenberg sind weitere Unternehmen, deren Dienstleistungen und Produkte auch in militärischen Einsatz kommen.
Firmen gut vernetzt
Die Waffen- und Rüstungsindustrie sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, räumen die Kritiker ein. Allerdings denke niemand an die Opfer. Man wolle aufzeigen und aufrütteln. Und wir wollen informieren, was vor unserer Haustüre alles produziert wird, sagt Lothar Höfler. Es entstehe eine Bewegung, die allerdings noch am Anfang ist. Es sei alles andere als leicht, so der Pensionist aus Lindau weiter. Schließlich ist die Industrie etabliert, ist bestens in Vereinen und Rathäusern vernetzt. Dort schätzt man sie als Sponsoren, Gönner und Steuerzahler. Woher das Geld kommt, danach fragt man lieber nicht.
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