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Rosengarten, versprochen

Eine grüne Oase im wärmsten Winkel Vorarlbergs.
Eine grüne Oase im wärmsten Winkel Vorarlbergs. ©Christian Grass
Sulz - Gibt’s das nicht nur am golfstrom-warmen Atlantik: samtige, feuchte Luft, dunstig-sonniger Morgen, ein Landsitz, gehüllt in den Duft von hundert Rosen?
In neuem Glanz erstrahlt

Keineswegs! Am letzten Maiwochenende kann man im Wirtsgarten des „Freihof Sulz“ mit anschließendem Rosengarten gar einen Rosenmarkt erleben, tatsächlich hundert Arten, viele englische, die „William Morris“ gewiss darunter – benannt nach dem englischen Sozialreformer, der mit seinem „Arts and Crafts“ die Grundlage der modernen Gestaltung gelegt hat. Gute Gestaltung war für ihn von Rosen kaum zu trennen. „Der Garten zwischen Mauer und Haus war erfüllt vom Duft der Sommerblumen und Rosen, die schon beim ersten Anblick jeden Betrachter nur an Schönheit denken lassen (…) Das Haus selbst war ein würdiger Hüter all der Schönheit an diesem sommerlichen Ort.“, heißt es in „News from Nowhere“. An Schönheit bloß denken, ist hier zu bescheiden: In diesem Garten und in diesem Haus liegt sie vor Augen. Das jahrhundertealte Gasthaus, tatsächlich im klimaverwöhntesten Winkel Vorarlbergs gelegen – man baut hier gar Wein an – erstrahlt seit 2006 in neuem Glanz. Die Sanierung wurde 2010 mit dem Vorarlberger Bauherrenpreis ausgezeichnet. Die Wiederserstehung war freilich lange ungewiss – so eine Geschichte kennt neben Höhen auch Tiefpunkte. Glänzend war die Zeit, als die Gegend Ziel biedermeierlicher Landpartien war, als mit beginnender Industrialisierung die gute Luft und die Heilquellen geschätzt wurden. In diese Zeit versetzt das gemalte Potpourri von Zielen damaliger Fernreisen, das dem „Ägyptischen Zimmer“ seinen Namen gab. Die neue Verfügbarkeit der Welt ab 1950 läutete den Niedergang ein: 1956 schließt das Gasthaus, 1970 der Laden, die Nutzung als Wohnheim wirtschaftet das Haus herunter.

Selbst die „Hofübergabe“ an Lydia Zettler und ihr Wunsch, etwas draus zu machen, bringt zunächst noch keine Wendung: das Gebäude steht auf der Abbruchliste, „Berater“ empfehlen Modernisierung, große Erweiterung, unbezahlbar. Doch sie haben die Rechnung ohne die neue Besitzerin und ihre Architektin Beate Nadler-Kopf gemacht – und, ist man geneigt zu sagen: den Geist von „Arts and Crafts“. Der hat nämlich gelehrt, den Bestand zu schätzen, Nötiges (nicht mehr!) zu erneuern und die Schönheit des Nützlichen zu entfalten. Das haben die beiden Frauen mit viel Geduld und Feingefühl dann gemacht – und so einen Ort geschaffen, der zum Vorarlberger Kulturerbe zählt. Das ergab sich fast nebenbei, könnte man meinen, wenn man Lydia Zettler zuhört: Wegweisend war das knappe Budget. Die Stiftung „Haus der Zukunft“ hatte Förderung in Aussicht gestellt bei ökologischer Vorgehensweise, was zuerst heißt, Erhaltung, wo möglich, Neubau, wo unerlässlich. Das kann Zielkonflikte mit sich bringen – Stichwort: Fenster. Der Kompromiss sah so aus, dass die brauchbaren Fenster im Erdgeschoß konzentriert sind, die höherwertigen in den Obergeschoßen. Konflikte mit dem Gewerbeamt, etwa bei WC-Vorräumen, konnten gütlich beigelegt werden. Geländer mit zu geringer Höhe konnten mit unscheinbarer Ergänzung erhalten werden. Immer wieder: reparieren, ausflicken, ergänzen. Und wo nötig: Neues im Geist des Hauses, nicht in bemühtem Kontrast.

Das ergibt, was kaum zu planen ist: Einzigartigkeit. Die ist das am höchsten zu bewertende Kapital: Markenzeichen des Hauses. Was sich in der Auslastung niederschlägt: Das Haus trägt sich. Und ist ein Ambiente, in dem die Arbeit Freude macht. „Ökologie und Sparen sind eins“, sagt die Hausherrin, „und das Einfache passt gut zum Haus und wird mit hoher Qualität gemacht.“ So begann der Umbau ab 2005. Ihr Büro habe sie halbtags auf die Baustelle verlagert, erinnert sich die Architektin, „Planen, bauen, alles Schritt für Schritt. Sichten, überlegen, weiterstricken, Altes nutzen, wo das Neue nicht eine wirkliche Verbesserung ist, mit den Handwerkern, vor Ort entwickelt – mit der Zeit stieg deren Begeisterung, haben die richtig Lust an dieser besonderen Arbeit gefunden, weil sie gefordert und ernst genommen wurden.“

Größere Eingriffe – die Umlegung der Küche, das neue Büro, ein zweiter Gartenzugang – merkt man kaum. Zwei Räume wurden denkmalpflegerisch streng behandelt: das „Ägyptische“ und das „Rosenzimmer“ – benannt nach seiner umlaufenden Rosengirlande. Andere Räume wurden geringfügig neu arrangiert – so zog das Gläser-Buffet in den grün lackierten Tages- Wirtsraum. Wenn gemalte Tapeten nicht zu retten waren, gab es neue Farben: Jeder Raum eine eigene, der Atmosphäre angepasst, sodass sich eine Stimmung durchs ganze Haus zieht in – wen wundert’s – englischen Farben: Picture Gallery Red, Light Stone, Castle Gray, Studio Green, … Englisch eben, „Arts and Crafts“, Freude am Nützlichen, Komfort, Eleganz und eben: ein Garten mit Rosen.

Daten & Fakten

Objekt: Wirtschaft, Backstube, Bioladen. Seminarhaus
                 Gesundheitspraxen

Bauherrin: Lydia Zettler-Madlener, Sulz

Architektur: DI Beate Nadler-Kopf, Hohenems

Bauökologie: Mag. Martin Rauch, Schlins

Nutzfläche: 1000 m²

Grundstücksgröße: 2571 m²

Planung: 2004–2005

Ausführung: 2005–2006 (hoher Anteil Eigenarbeit)

Frühere Bauetappen: 1796, 1899, 1927

Bauweise: Stein und Ziegel massiv verputzt; Dämmung: innen neu, innen bis zu 6 cm, im 2. OG neu ausgebaut, Fußböden: Eichenparkett, Holzzement, geschliffener Beton; Heizung: Pelletsheizung im Nebengebäude, 20 m² Solaranlage, Kachelofen, Backofen, Wärmerückgewinnung bei Lüftung; Fenster: alte Kastenfenster mit bombierten Gläsern im EG und im 1. OG, Isolierglasfenster mit Bombierung im 2. OG

Ausführung:
Baumeister: Nägelebau, Sulz; Kachelöfen: Ofner und überhaupt, Thomas Grabherr, Alberschwende; Holzböden: Moosbrugger, Zwischenwasser; Terrazzo: Lerbscher, Hard

Restaurierungen:
Fassade: Heinz Hosp, Göfis; Sandstein: Roland Adlassnigg, Rankweil; Tischlerarbeiten und Fenster: Angelika Knünz, Muntlix; Malereien Rosensaal: Fetz, Alberschwende; Malereien „Ägyptisches Zimmer“: Mitterer, Prutz

(Leben & Wohnen)

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
www.v-a-i.at

Kommenden Freitag, 6. Juli 2012: Architektur vorORT 91, Lugerhaus Dornbirn Architekten: Baumschlager Hutter Partners Bauherr: Rhomberg Bau Treffpunkt: 17 Uhr, Dornbirn, Bahnhofstraße 3

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