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Rock für den Seniorenclub: Joe Cocker in der Stadthalle

Litt ein wenig unter seiner schwachen Begleitband: Joe Cocker in der Stadthalle.
Litt ein wenig unter seiner schwachen Begleitband: Joe Cocker in der Stadthalle. ©APA
Der Funke wollte beim Stadthallen-Konzert des gealterten Rock-Raubeins am Mittwoch nur bedingt überspringen. In guten Momenten wusste Joe Cocker aber immer noch für Gänsehaut zu sorgen.
Joe Cocker in der Stadthalle

Joe Cocker singt “You Are So Beautiful”, intensiv, zerbrechlich, allein im Scheinwerferkegel, nur mit Keyboard-Begleitung – und plötzlich ist alles gut. Endlich hat es dem gesetzten Publikum in der Wiener Stadthalle Mittwoch Abend die Gänsehaut aufgezogen, denn beim Konzert des ehemaligen Rock-Raubeins wollte bis Song Nr. 9 der Funke nicht so recht auf die Fans überspringen. Der 66-Jährige wandelt bei seiner neuen “Hard Knocks”-Tour im November 2010 nämlich doch schon ein bisschen bedächtiger durch den Spätherbst seiner Karriere. Aber gerade in den stilleren Momenten bewies Cocker einmal mehr seine Live-Qualitäten.

Dennoch: Irgendwie haben wohl alle Konzertbesucher schon mitreißendere Cocker-Konzerte erlebt. Was den Briten, der seinerzeit in Woodstock 1969 den Durchbruch schaffte, Zeit seiner Karriere auszeichnete, war die unbändige Rock-Roh-Kraft, die er aus einer stets wackeligen Basis heraus entwickeln konnte. Unvergleichlich auch sein Luftgitarre-Spiel auf der Bühne und seine ungelenken Alkoholiker-Bewegungen – die er sich auch nach Jahren der “Trockenheit” erhalten hat. Unvergleichlich aber auch seine beinahe exhibitionistische Zerbrechlichkeit, mit der Joe Cocker Balladen zu interpretieren vermag.

L’amour-Hatscher im Stehplatzbereich

All das kam Mittwochabend ein bisschen gedämpft rüber, wie im Seniorenclub. Bei “N’oubliez jamais” legte ein bärtiger Herr mit sehr hoher Stirn im Stehplatzbereich mit seiner Gattin tatsächlich einen L’amour-Hatscher Marke Kaffeekränzchen hin. Lag es an Cocker selbst, der sich mit 66 natürlich schon etwas bedächtiger dem Mikro nähert, oder doch (mehr) an der Band, die nur phasenweise so tough agierte wie frühere Live-Begleiter des Meisters, oder am gealterten Publikum? – vermutlich wohl an allem. Sicher ist: Das vergleichsweise junge Effekt-Hascherl an der Leadgitarre (Gene Black) hat leider so manche Schlüsselstelle “vergeigt”, so vor allem das fetzige Solo in “When The Night Comes”, das für die Nummer so essenziell ist (für das in der Studioversion Brian Adams die Latte natürlich aber auch gehörig hoch gelegt hat) und den Gitarre-Part im Beatles-Cover “Come Together”.

Apropos Beatles: Abschluss und wie immer Höhepunkt des Hauptsets war “With A Little Help From My Friends”, und das war kraftvoll und gut wie eh und je. Sollte von Joe Cocker nur ein einziger Ton in der Musikgeschichte überbleiben, dann wäre das dieser markerschütternde Schrei gegen Ende der Nummer – der allein reicht für die “Hall of Fame” allemal. So wäre es eigentlich ganz passabel in die Zugaben gegangen – leider hat sich Cocker da aber grob in der Songwahl vergriffen: Das gute, aber beim Publikum wenig bekannte und daher nicht sonderlich animierende “She Came In Through The Bathroom Window” vom legendären “Abbey Road”-Album der Beatles funktionierte als endgültiger Rausschmeißer ebenso wenig wie eine rockige Up-Tempo-Version von Ella Fitzgeralds Blues-Ballade “Cry Me A River”.

“Ich komme wieder”

Zuletzt gab’s dann noch “Thankful” vom aktuellen Cocker-Werk “Hard Knocks” als stimmungsvollen Ausklang zum Nachhaustrotten. Der Sänger verabschiedete sich von seinem Wiener Publikum mit einem “Ich komme wieder” – ja bitte, aber dann ohne den Großteil der Band, am besten nur mit einem Keyboarder und den beiden Background-Sängerinnen, und wieder mit Randy Newmans in der Cocker-Version einfach legendärem Trinker-Bekenntnis “Guilty” im Programm, das der Star seinen Fans in der Stadthalle gestern leider schuldig blieb.

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