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Rio: Slums werden eingemauert

Die Behörden begründen den Mauerbau mit dem Schutz vor Zerstörung des Regenwaldes.

Die Elendsviertel in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro werden teilweise eingemauert. Bis zu drei Meter hohe Betonmauern sollen in diesem Jahr um mindestens elf sogenannte Favelas gebaut werden, wie Icaro Moreno, Chef der Baubehörde des Staates Rio de Janeiro, erklärt. Offizielle Begründung: Die Mauern sollen verhindern, dass sich die Slums immer weiter ausbreiten und den Regenwald zerstören.

13 Millionen Euro

Menschenrechtsgruppen argwöhnen aber, dass die Mauer gebaut werden, um die Viertel der Armen besser von denen der Reichen abtrennen zu können. Moreno weist diesen Vorwurf zurück: Es gehe bei dem Projekt lediglich um den Regenwald, sagt er. Umgerechnet 13 Millionen Euro lässt sich die Regierung den Mauerbau kosten. Bis Ende nächsten Jahres soll das Projekt auf mindestens 40 Slums erweitert werden. In den vergangenen drei Jahren wurden in der Sechs-Millionen-Stadt rund 200 Hektar Wald zerstört – Tendenz zunehmend. Die Behörden machen dafür in erster Linie die Ausbreitung der Favelas verantwortlich, die ständig wachsen, weil nach wie vor Arme vom Land in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in die schillernde Stadt flüchten. „Jedes Jahr verlieren wir mehr vom Atlantischen Regenwald”, erklärt Moreno bei einem Ortstermin in Dona Marta. In dem Elendsviertel zu Füßen der berühmten Christus-Statue haben kürzlich die Bauarbeiten für die erste Umfassungsmauer begonnen. Mit einem Wink auf das leuchtende Grün der Pflanzenwelt auf der anderen Seite der Mauer fügt der Baudirektor hinzu: „Jetzt stecken wird die Grenzen, in denen sich diese Gemeinden ausbreiten können.” Den Mauern müssen notfalls die Menschen weichen. Rund 600 Häuser in elf Slums sollen zerstört werden, um Platz für die Betonabsperrungen zu machen. Die betroffenen Bewohner sollen nach Morenos Worten in Neubauten untergebrachten werden, die die Regierung in den betroffenen Favelas errichten lässt. Maria de Graca Martins da Silva freut sich schon auf die versprochene neue Wohnung, in die sie zieht, wenn ihr jetziges Quartier plattgemacht wird. Die 62-Jährige, die den größten Teils ihres Lebens in dem Slum verbracht hat, erzählt, sie und die meisten ihrer Nachbarn sähen die Mauer nicht als Trennung vom Rest der Stadt – jedenfalls nicht mehr, als sie ohnehin schon durch ihre Armut vom Leben in Rio isoliert sind.

 

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