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Richter in Kiew zeigt Härte: Timoschenko bleibt in Haft

Ungeachtet internationaler Proteste bleibt die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in Haft. In einem umstrittenen Prozess gegen die Oppositionsführerin lehnte das Gericht in Kiew am Montag eine Aufhebung der Untersuchungshaft ab. Für die von der Verteidigung beantragte Freilassung gebe es keinen Grund, entschied Richter Rodion Kirejew.

An Kirejew gewandt sagte Timoschenko zu Beginn des neuen Verhandlungstages, sie werde sich nicht vor ihm erheben, da sie damit “vor der Mafia niederknien” würde. Für diese Äußerung wurde sie erneut verwarnt. An ihre Anhänger gerichtet sagte Timoschenko im überfüllten Gerichtssaal, der Gefängnisaufenthalt sei ein “Test”, aber auch Teil ihrer “Lebensaufgabe”, der Ukraine zu helfen, ein “wahrer europäischer Staat” zu werden. Zu ihrer Unterstützung war auch ihr Ehemann gekommen, der selten in der Öffentlichkeit auftritt.

Vor dem Gerichtsgebäude waren zwar Elite-Einheiten postiert. Die Behörden ordneten trotz eines Demonstrationsverbots aber bisher nicht an, das dort errichtete Protestcamp von Timoschenko-Anhängern zu räumen. Hunderte Unterstützter der heutigen Oppositionsführerin riefen “Hände weg von Timoschenko”. “Es geht nicht alleine um ihre Freiheit, sondern um die Frage, in welche Richtung sich die Ukraine bewegt”, sagte Timoschenkos Stellvertreter in der Partei Vaterland, Alexander Turtschinow, der Zeitung “Ukrainskaja Prawda”.

Timoschenko drohen bis zu zehn Jahre Haft. Timoschenko muss sich in dem Verfahren seit Ende Juni vor Gericht verantworten. Dabei geht es um Gasabkommen, die während ihrer Regierungszeit im Jahr 2009 mit Russland geschlossen wurden und laut Anklage für Kiew äußerst ungünstig waren. Die damalige Ministerpräsidentin soll sie ohne Zustimmung des Kabinetts unterzeichnet und damit ihre Befugnisse überschritten haben. Sie weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück und wirft der Regierung eine “Hetzjagd” vor. Es gehe darum, Gegner von Staatschef Viktor Janukowitsch politisch kaltzustellen. Die Politikerin mit dem markanten Haarkranz hatte 2010 gegen Janukowitsch bei der Präsidentenwahl verloren.

Der Prozess gegen die Politikerin wird international kritisiert. Deutschland monierte, das Verfahren wecke den Verdacht “politisch motivierter Justiz”. Als Prozessbeobachter forderte der EU-Botschafter in Kiew, Jose Manuel Pinto Teixeira, Timoschenkos Freilassung. Russland hatte die Ex-Regierungschefin in Schutz genommen.

In Österreich äußerte sich Hannes Swoboda, Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Er sprach am Montag in einer Aussendung von einem für die Ukraine “schädlichen politischen Schauspiel”. “Jeder Anschein von politischen Verfahren oder Rachejustiz ist zu vermeiden.” Regierung und Opposition müssten neue Gespräche aufnehmen, forderte Swoboda und betonte: “Das EU-Parlament kann unter den jetzigen Voraussetzungen keinem Abkommen zwischen EU und der Ukraine über Visaliberalisierung oder liberalisierten Handel zustimmen.”

Nach Ansicht der ukrainischen Staatsanwaltschaft hat sich an den Gründen für die Haft Timoschenkos nichts geändert. Auch die Regierungspartei von Präsident Janukowitsch verteidigte die Zwangsmaßnahme. Richter Kirejew hatte die Haft am Freitag nach wiederholten angeblichen Störungsversuchen der Oppositionsführerin angeordnet.

Die Lage vor dem Gericht blieb ruhig, nachdem es dort noch am Freitag zu Handgreiflichkeiten gekommen war. Timoschenkos Anwalt Sergej Wlassenko sagte, das Gericht wolle seine Mandantin um jeden Preis verurteilen. Er rechne “trotz Timoschenkos Unschuld mit einem Strafmaß von etwa sieben Jahren Haft”. Die Menschenrechtsbeauftragte der Ukraine, Nina Karpatschowa, kritisierte die Haftbedingungen in dem Gefängnis, in dem Timoschenko sitzt.

Anwalt Wlassenko stellte am Montag gleich mehrere Anträge auf Haftentlassung. Kirchenvertreter wie Patriarch Filaret von Kiew, der Vorsteher der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, sowie Gesellschaftsgrößen der Ex-Sowjetrepublik boten sich als Bürgen für die 50-Jährige an. Auch die Europäische Union verlangte die sofortige Freilassung der Galionsfigur der pro-westlichen Orangen Revolution von 2004.

APA/dpa/AFP/Unian

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